Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir im Ziel einig sind, bleibt uns trotz dem die Debatte darüber, wie wir dieses Ziel erreichen. Nicht umsonst hat die Vorgängerregierung sehr lange darüber dis kutiert, ob es eine Pflicht zur Vorlage der Grundschulempfeh lung geben soll. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nicht sinnvoll ist, dass dies nicht dem Elternwillen entspricht und nicht zum Wohl des Kindes beiträgt.
Denn mit einer verbindlichen Vorlage schaffen Sie keinen Deut mehr an Förderung. Mit einer verbindlichen Vorlage un terstützen Sie keine Lehrerin, keinen Lehrer bei seiner Arbeit,
sondern Sie bekommen das Problem der „Schubladisierung“ nicht in den Griff. Es gibt so etwas wie eine sich selbst erfül lende Prophezeiung: „Das Kind ist auf der falschen Schule, das Kind ist auf der Schule, auf die es nicht hätte gehen sol len.“ Ich kann verstehen, wenn Eltern sich Sorgen machen, dass eine solche sich selbst erfüllende Prophezeiung stattfin det. Darum war es richtig, dass die grün-rote Landesregierung sich dafür entschieden hat, diese Pflicht zur Vorlage nicht mit vorzusehen.
Ich darf Ihnen nur als Stichwort die Studien zu subjektiven Theorien nennen. Für die, die es so darstellen, als würde auf grund des Wegfalls der verbindlichen Grundschulempfehlung plötzlich die Elternschaft nicht mehr in großer Verantwortung für ihre Kinder entscheiden, darf ich auf die Zahlen verwei sen. Wir hatten 2012 bei den Übergängen an Gymnasien in 88,9 % der Fälle eine entsprechende Empfehlung für das Gymnasium. Wir sind jetzt bei 87,7 % der Fälle.
Tun Sie also doch bitte nicht so, als wäre plötzlich das Eltern chaos ausgebrochen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben ein optimales baden-württembergisches System, in dem der El
ternwille, das Wohl des Kindes und das, was die hervorragen den Pädagoginnen und Pädagogen an unseren Schulen leis ten, in einem guten Beratungssystem zusammenkommen, das die grün-rote Landesregierung verbessert hat, dargestellt hat, finanziert hat. Darum sollten wir diesen Weg weiter beschrei ten, und dementsprechend sollten Sie unserem Antrag zustim men.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Herr Kollege Born, den Ausdruck „schubladisieren“ haben Sie geprägt. Damit unterstellen Sie, dass sich die aufnehmende Schule von dem leiten lässt, was sie – ich sage es einmal salopp – serviert bekommt. Was für ein Zeugnis stellen Sie damit eigentlich den Pädagoginnen und Pädagogen aus?
Es gibt ganz wichtige Erkenntnisse. Ich möchte ein Beispiel aus meiner Praxis als Schulleiter nennen. Mich interessiert es, warum z. B. der Elternwille von der Empfehlung abweicht. Es kann ja sein, dass ein Kind eine schwierige Zeit hatte, ei ne längere Krankheitsphase hinter sich gebracht hat und aus diesem Grund die betreffende Empfehlung ausgesprochen wurde. Es ist für mich aber wichtig, das zu wissen. Wenn ich in der Lernstandserhebung erkenne, dass das Kind sehr wohl Potenziale hat, kann ich dem Kind in Wirklichkeit helfen.
Also hören Sie doch bitte damit auf! Sie haben die Werkreal schule schlechtgeredet, indem Sie sie als „Restschule“ be zeichnet haben und Worte wie „abschulen“ und „stigmatisie ren“ benutzt haben, die hier nicht weiterhelfen. Hier geht es um Kinder und nicht um Ideologie.
Herzlichen Dank, Herr Kol lege Röhm, dass Sie die Frage zulassen – auch als Schullei ter. Ich habe im Rahmen meiner Referendarausbildung, ins besondere in der Pädagogik, den Begriff „subjektive Theorie“ kennengelernt. Sie besagt, dass auch Lehrkräfte – wissen schaftlich nachgewiesen – nicht davor gefeit sind, mit be stimmten Bildern im Kopf an Schülerinnen und Schüler her anzutreten.
Es gibt Ergebnisse aus Forschungen, bei denen Standardvor urteile untersucht wurden, beispielsweise, dass geschlechts abhängig die Stärken eher in Mathematik oder eher in Fremd sprachen liegen. Es gibt Hinweise, dass Entsprechendes zu befürchten ist, wenn die Grundschulempfehlung transparent gemacht wird.
Wie schätzen Sie die Gefahr einer solchen subjektiven Theo rie ein? Das widerspricht genau dem, was Sie Herrn Born ent gegengehalten haben. Da geht es nicht um eine Unterstellung gegenüber Lehrkräften, sondern es handelt sich um wissen schaftliche Hinweise, wonach diese Gefahr nicht auszuschlie ßen ist.
Sehr geehrter Herr Kolle ge Fulst-Blei, für mich zählen hier keine Ideologien, sondern für mich ist jedes Kind ein Einzelfall. Wenn es die Situation erfordert, kommt das Kind zu einem Gespräch hinzu, und ich spreche mit den Eltern und dem Kind gemeinsam. Dann ha be ich einen Einblick, welche Lebensgeschichte das Kind und welche Lebensgeschichte die Eltern durchgemacht haben. Dann zählen für mich keine Ideologien.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Er hat auch nicht von Ideologien gesprochen, sondern von wissenschaftli chen Erkenntnissen!)
Da zählt für mich der Augenblick. Dann mache ich mir aus meinen pädagogischen Erfahrungen ein eigenes Bild, und ge mäß diesem Bild entscheide ich dann auch.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Winfried Mack und Abg. Paul Nemeth CDU: Sehr gut! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Guter Mann! Sehr gut!)
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 16/74. Abschnitt I des Antrags ist ein Be richtsteil und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen zu.
Abschnitt II des Antrags ist ein Beschlussteil, der ein Hand lungsersuchen enthält. Wird Abstimmung über Abschnitt II gewünscht? –
Das ist der Fall. Wer Abschnitt II zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist Abschnitt II mehrheitlich abgelehnt.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Kultus, Jugend und Sport – Referendariat in Teilzeit ermöglichen – Drucksache 16/75
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Frau Präsiden tin, ich bitte um Verständnis: Manchmal gibt es Par lamentsangelegenheiten! – Gegenruf des Abg. Sascha Binder SPD: Dem kann ich beipflichten! – Gegenruf der Abg. Nicole Razavi CDU: Und dann heißt es im mer, wir Frauen reden zu viel!)
Ich bitte um Verständnis: Sehr geehrte Kolleginnen und Kol legen, wenn Sie etwas zu besprechen haben, mag das sein und ist es sicherlich auch wichtig. Dann müssen Sie dies entwe der so leise machen, dass der Ablauf hier nicht gestört wird, oder Sie besprechen es außerhalb des Plenarsaals.
(Abg. Winfried Mack CDU zu Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ich habe dich zum ersten Mal salu tieren sehen! – Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Das gilt auch für Herrn Mack!)