Protokoll der Sitzung vom 01.12.2016

Frau Abg. Lindlohr, ich darf Sie wiederum bitten, den Namens aufruf vorzunehmen. Bitte beginnen Sie wiederum mit dem Buchstaben A.

(Namensaufruf und Wahlhandlung)

Meine Damen und Herren, ist jemand im Saal, der noch nicht abgestimmt hat? – Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Wahlhandlung und bitte die Wahlkommission, das Wahl ergebnis festzustellen.

(Auszählen der Stimmen)

Wir fahren inzwischen mit der Tagesordnung fort. Ich gebe das Wahlergebnis dann später bekannt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung – Polizeistrukturreform: Vorläufige Aus setzung von reformbedingten Maßnahmen und Ziele der angekündigten Evaluierung – Drucksache 16/91

Dazu rufe ich den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 16/1124, mit auf.

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der die Große Anfrage stellenden Fraktion eine zusätzliche Redezeit von fünf Minuten festgelegt.

Ich darf für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Binder das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Minister ist wahrscheinlich noch auf dem Weg. Wir sind ja – das wollen wir ihm zugestehen – ein bisschen vor der Zeit.

Wir sind mit unserer Großen Anfrage bereits im Sommer Ge rüchten nachgegangen, wonach durch eine damals noch nicht eingesetzte Evaluationsgruppe bereits Baustopps von acht Baumaßnahmen der Polizei in Baden-Württemberg vorge nommen worden seien.

Ich sage auch ganz offen: Wir, die SPD-Fraktion, wehren uns nicht gegen eine Evaluation dieser Reform. Wir haben zu un serer Regierungszeit zur Umsetzung dieser Polizeireform selbst eine externe Evaluation durchgeführt. Diese hat der Umsetzung der Reform – und im Verhältnis zur üblichen Ver waltungsstruktur in Baden-Württemberg – ein gutes Zeugnis ausgestellt.

(Beifall bei der SPD)

Darüber hinaus hat die alte Landesregierung selbst eine wei tere Evaluation nach der Umsetzung der Reform beschlossen. Diese wäre auch nach der Umsetzung der Reform erfolgt.

Sie machen jetzt eine Evaluation, deren Ergebnisse von ein zelnen Abgeordneten bereits verkündet werden, bevor ein Ge samtergebnis vorliegt. Deshalb werfen wir Ihnen vor, dass Sie keine Evaluation aus polizeifachlichen Gründen machen, son dern eine, die allein politisch motiviert ist, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man sich die Zusammensetzung der Evaluationsgrup pe anschaut, sieht man: Das sind lauter Experten der Polizei aus Baden-Württemberg, auch einer aus Bayern. Aber bemer kenswert finde ich schon, dass ein früherer Landespolizeiprä sident beauftragt wird, seine beiden Nachfolger, den Landes polizeipräsidenten a. D. Hammann und den noch amtierenden Landespolizeipräsidenten Klotter, zu kontrollieren und ihnen damit ein Zeugnis auszustellen. Damit können wir nicht ein verstanden sein, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Abgeordneten der Regierungsfraktionen beteiligen sich rege an dieser Evaluation, obwohl sie – zumindest nach unseren Informationen – gar nicht Mitglieder dieser Evalua tionsgruppe sind. Trotzdem fordern sie schon im Voraus die Ergebnisse.

So haben die grüne Landtagsabgeordnete Petra Häffner und ihr CDU-Kollege Siegfried Lorek die Finanzministerin ange schrieben und gefordert, dass der Neubau des Führungs- und Lagezentrums des Polizeipräsidiums Aalen vor Abschluss der Evaluierung nicht vorangetrieben werden dürfe. Das ist inso weit noch nachvollziehbar. Aber gleichzeitig regen Sie an, zu

prüfen, ob das Neubauprojekt in Aalen nicht aus Gründen der Haushaltskonsolidierung ganz zu streichen sei und damit bei der Polizei Streichungen vorzunehmen seien. Das geht nicht mit der SPD, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Nicht nur in Aalen ist der Zuschnitt der Präsidien ein Politi kum, sondern auch in anderen Regionen des Landes. Der CDU-Abgeordnete Thomas Blenke

(Abg. Thomas Blenke CDU: Hier!)

stellte erst kürzlich in einem Interview mit der „Pforzheimer Zeitung“ in Aussicht, dass es zukünftig ein neues Polizeiprä sidium geben soll. Er nennt auch schon den Namen, nämlich „Nordschwarzwald“, und er geht davon aus, dass das wahr scheinlich umgesetzt wird.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Kolleginnen und Kollegen, wofür brauchen wir eine Evalua tion,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau!)

wenn Sie hier versuchen, Präsidien nach Ihren Gunsten, nicht aber im Interesse der Polizei zusammenzuschneiden?

(Beifall bei der SPD)

Durch Innenminister Strobl wurden wichtige Baumaßnahmen in Karlsruhe, Aalen, Mannheim, Ludwigsburg, Offenburg, Tuttlingen, Ravensburg und Rottweil mit Verweis auf die Eva luierung der Reform gestoppt – und dies, obwohl die Baumaß nahmen dringend erforderlich sind und die Gelder dafür be reits in den Haushalt eingestellt worden sind.

Besonders schwer trifft es das Polizeirevier Ravensburg. Bis heute, Herr Minister, haben Sie uns noch nicht die Frage be antwortet, welchen Zusammenhang es zwischen dem Neubau eines Polizeireviers und der Evaluation der Polizeireform gibt. Oder wollen Sie mit dieser Evaluation auch an Polizeireviere und Polizeiposten Hand anlegen? Was ist der Grund für die sen Zusammenhang? Bisher haben wir darauf keine Antwort. Dieses Polizeirevier muss schleunigst gebaut werden. Es muss ein Signal nach Ravensburg gesendet werden,

(Beifall bei der SPD)

und zwar nicht ein Signal von Abgeordneten, sondern ein Si gnal des Innenministers.

Wenn es um Ravensburg geht, fragt man sich vor allem, wer eigentlich für die innere Sicherheit in Baden-Württemberg zu ständig ist. Der Minister für den gesellschaftlichen Zusam menhalt äußerte sich bereits im Oktober in der „Schwäbischen Zeitung“ dazu:

Der Neubau des Polizeireviers... kann zeitnah in Angriff genommen werden.

Das stimmt nicht. Kurze Zeit später haben wir nämlich im In nenausschuss nachgefragt. Es gibt keine Baufreigabe für die ses Polizeirevier.

Mit dieser Evaluation gibt es also ein Mehr an Durcheinander und ein Weniger an tatsächlicher polizeifachlicher Evaluati on. Damit bringen Sie die Polizei in Baden-Württemberg wei ter durcheinander. Wir sind an einer polizeifachlichen und nicht an einer politisch motivierten Evaluation interessiert, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: War das schon alles? – Gegenruf des Abg. Sascha Binder SPD: Nein, ich habe noch viel mehr!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort der Kollegin Häffner.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Polizei ist Meisterin da rin, was Abkürzungen angeht. So gibt es die SOKO, die Kri po, die EG, das MEK, das PTLS, und nun haben wir EvaPol.

Diese Evaluation ist für mich und meine Fraktion konsequen terweise der zweite Schritt der Polizeireform. Genau so woll ten wir Grünen das von Anfang an.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Die ganzen Abkürzungen?)

Evaluieren heißt fach- und sachgerecht beurteilen, bewerten. Bewertet werden soll eine Reform, die für die Organisation der Polizei in der Tat einen großen Einschnitt bedeutet hat. Hat sich das, was sich Praktiker und Experten ausgedacht ha ben, in der Praxis bewährt? Wurden die gesteckten Ziele er reicht? Wo kann nachgebessert werden?

Heute, im Jahr 4 der Umsetzung der Reform, haben wir aus sagekräftige Erfahrungen mit den neuen Zuschnitten und Strukturen. Der Zeitpunkt ist also genau richtig, diese Evalu ation durchzuführen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Was mich besonders freut: Mit Waldemar Kindler haben wir eine hochkarätige Besetzung für die Leitung der EvaPol ge funden. Herr Kindler war zuletzt Landespolizeipräsident in Bayern. Er bringt Erfahrungen und Erkenntnisse auf bundes- und europapolitischer Ebene mit und hat Polizeireformen in ganz Deutschland begleitet. Sympathisch, kompetent macht ihn, dass er ein Pragmatiker und ein Anpacker ist, einer, der das Beste für die Polizei herausholen will.

(Abg. Anton Baron AfD: Hat er auch schon mal Strei fendienst gemacht?)

An EvaPol ist die ganze Polizei beteiligt, lieber Kollege Bin der. Dafür haben wir Grünen uns immer starkgemacht. Ge fragt werden die Chefetagen, das Führungspersonal der ein zelnen Bereiche, gefragt werden einzelne Hierarchieebenen vom Revierleiter bis zum Präsidenten, aber auch Gewerk schaften und Personalräte bis hin zu jeder einzelnen Polizis tin und jedem einzelnen Polizisten. Alle sollen ihre Meinung einbringen. Dafür stehen „Sag’s Eva“ und „Eva fragt“.

Liebe Polizistinnen und Polizisten, uns Grünen ist es wichtig, dass Sie diese Möglichkeit nutzen. Dies sind Ihre Reform und Ihre Evaluation. Beteiligen Sie sich. Ihre Antworten sind un verzichtbare Bestandteile dieser Evaluation.