Ich darf aber nach den lang anhal tenden Unterbrechungen des Kollegen Sckerl noch zwei Sät ze anführen.
Insofern darf ich zum guten Schluss – – Es ist auch Tradition in diesem Haus, dass wir bei der Justiz gemeinsam an einem Strang ziehen.
Das machen wir. Überall dort, wo Sie uns etwas vorlegen, überlegen wir, ob wir zustimmen. In diesem Fall werden wir diesen zusätzlichen Stellen im Haus halt zustimmen, weil Sie die Justiz ordentlich ausstatten. Des halb werden wir diesem Haushalt zustimmen, und dann wer den wir sehen, was Sie weiterhin rechtspolitisch hier auf den Tisch des Hauses legen.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen er warten einen starken, einen krisenfesten Rechtsstaat, dessen Rückgrat eine leistungsfähige Justiz ist. Ein moderner Staat darf seine Schutzfunktion allein aus demokratietheoretischen Gründen nicht vernachlässigen. Die Rechtfertigung für das Gewaltmonopol des Staates liegt darin, dass der Staat seine Bürger schützt und die Rechtsstaatlichkeit bewahrt. Aus die sem Grund sind wir gehalten, wahrnehmbar einem schleichen den Bedeutungsverlust des Rechts entgegenzuwirken.
Insofern müssen Urteile wie beispielsweise das des Oberlan desgerichts Karlsruhe vom 27. Oktober letzten Jahres aufhor chen lassen. Das OLG Karlsruhe hat 2016 in dem Beschluss festgestellt, in dem Beispiel beim Landgericht Offenburg be stünden strukturelle personelle Defizite, zu deren Behebung der Haushaltsgesetzgeber, also der Landtag von Baden-Würt temberg, im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot ei ner funktionstüchtigen Strafrechtspflege und insbesondere zur Vermeidung der Aufhebung von Untersuchungshaftbefehlen verpflichtet sei.
Auf eine entsprechende Anfrage – Kollege Lasotta hat es an gesprochen – hat die Landesregierung, das Justizministerium, mitgeteilt, dass im Zeitraum 2012 bis 2017 allein 20 Perso nen in Baden-Württemberg wegen Verstoßes gegen das Be schleunigungsgebot in Haftsachen aus der Untersuchungshaft entlassen werden mussten. Das ist in Anbetracht der Schwe re der Vorwürfe inakzeptabel.
Wir verkennen nicht, dass mit dem Haushalt im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften 74 Stellen für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte geschaffen werden. Allerdings: In Anbe tracht der Bedarfe, die das Stellenbedarfsberechnungssystem PEBB§Y ausgewiesen hat – eine Unterdeckung von 212 Stel len –, ist das bei Weitem nicht ausreichend.
Oder nehmen Sie die Situation bei der Sicherheit in der Jus tiz. Es werden, wie wir vernommen haben, 21 zusätzliche Be amtenstellen bei der dienststellenübergreifenden SGS, der Si cherheitsgruppe der Gerichte und Staatsanwaltschaften, ge schaffen. Allerdings sind auch hier die Bedarfe wesentlich hö her, wie wir aus der Antwort auf eine Anfrage erfahren durf ten.
Die Personalsituation im Justizwachtmeisterdienst ist be reits seit Jahren sehr angespannt. Nur unter Amtshilfe durch Polizei und Justizvollzug kann der erforderliche Vorführ- und Sitzungsdienst geleistet werden. Hinzu kommt die stark angestiegene Zahl langwieriger Groß verfahren mit zahlreichen Angeklagten der organisierten Kriminalität bzw. im Bereich des Staatsschutzes. Solche Verfahren binden eine erhebliche Zahl an Justizwacht meisterinnen und Justizwachtmeistern. Angesichts der be sonderen Gefährdungslage müssen hier erhöhte und per sonalintensive Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.
Sie sehen, das Problem ist erkannt. Gleichwohl wird eine aus reichende personelle oder materielle Ausstattung nicht sicher gestellt.
Ähnlich ist es auch im Bereich des Justizvollzugs. Es wird nur der Not gehorchend agiert. Wir nehmen zur Kenntnis, dass unter Anrechnung von 54,5 Stellen, die von der Vorgängerre gierung durch die Schließung von Außenstellen von Justiz vollzugsanstalten eingespart wurden, tatsächlich 151,5 Neu stellen eingebracht werden. Die Empfehlung der auch vom Kollegen Filius angesprochenen Expertenkommission zum Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen vom 14. Sep tember 2015 zeigt aber, dass insgesamt 201,5 Neustellen not wendig wären. Unter Berücksichtigung der Art und der Zahl der Gefangenen, der Insassen, wird deutlich, dass diese Zahl heute sicherlich wesentlich zu niedrig gegriffen ist.
Die in die richtige Richtung zeigenden Maßnahmen belegen: Wir brauchen in vielen Bereichen mehr Personal. Die Zu kunftsfähigkeit des öffentlichen Dienstes steht aber infrage.
In den letzten Jahren verlangte Grün-Rot mit der Absenkung der Eingangsbesoldung, der Pension und der Beihilfe sowie der nur zeitversetzten Übernahme der Tarifergebnisse des öf fentlichen Dienstes von der Beamtenschaft zahlreiche Son deropfer, während die erheblichen Mehreinnahmen für pres tigeträchtige Projekte andernorts großzügig verteilt wurden.
Auch Grün-Schwarz verbessert die Situation nicht nennens wert. Damit macht die CDU nicht nur das Gegenteil von dem, was sie im Wahlkampf versprochen hat. Die Landesregierung demotiviert und schwächt auch Verwaltung und Justiz in der Konkurrenz um die besten Köpfe, weil die Bundesbehörden im Land und erst recht die freie Wirtschaft junge Mitarbeiter besser bezahlen können und besser bezahlen.
Insofern nehmen wir zur Kenntnis, dass wir seit Jahren ge betsmühlenartig von den Innen- und den Justizministern des Landes hören, dass Baden-Württemberg ein sicheres Land sei. Das ist es im Vergleich auch tatsächlich. Aber genauso lange müssen wir immer wieder registrieren, dass die Polizei und die Justiz aufgrund von Personalmangel nicht in der Lage sind, den Rechtsstaat überall durchzusetzen.
Das OLG Karlsruhe – ich habe den Beschluss zitiert – sieht sich angesichts der Tatenlosigkeit der die Landesregierung tra genden Koalition gar genötigt, den Landtag an das verfas sungsrechtliche Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechts pflege zu erinnern.
Insofern ist es mehr als ärgerlich, dass über Jahre hinweg se henden Auges die staatliche Pflichtaufgabe vernachlässigt wurde. Statt den Rechtsstaat durchsetzungsfähig zu halten, hat man sich eben ideologischen Projekten gewidmet.
Wir erkennen fürwahr die Anstrengungen, die unternommen wurden, wenngleich eben die Stellenzuwächse bei Justiz und Polizei den Bedarf längst nicht decken können.
Wenn dann, Herr Justizminister, zur Rechtfertigung von einer schwierigen Haushaltslage gesprochen wird, obwohl die Ein nahmen des Landes so hoch sind wie noch nie, dann muss man sich über die Frustration in der Justiz und in der Polizei nicht wundern. Mit Verlaub, auch hier muss man sich durchaus dem Vorwurf der Scheinheiligkeit stellen.
Gestatten Sie mir noch einen kurzen Exkurs zum Thema Tou rismus. Wir nehmen erfreut zur Kenntnis, dass wir eine sehr positive Entwicklung im Tourismus verzeichnen können. Die ser ist ein Gewinn für unser Land. Herr Justizminister Wolf hat zu Recht betont, dass der Tourismus mit seinen 326 000 Arbeitsplatzäquivalenten ein unverzichtbarer Wirtschaftsfak tor für unser Land ist. Es ist aber genauso auffällig, dass vie le Übernachtungen eben gar nicht in den Tourismusregionen stattfinden, sondern an Messestandorten oder eben in wirt schaftlich starken Regionen.
Darüber hinaus ist die Übernachtungsdauer wesentlich kürzer als bei Touristen allgemein üblich. Diese gute Statistik muss also hinterfragt werden.
Wenn die Landesregierung den Tourismus unterstützen will, sollte sie die notwendigen Konsequenzen aus den eigenen Feststellungen ziehen und entsprechend der Bedeutung des Tourismus diesen Bereich im Wirtschaftsministerium veror ten.
Dort kann man die im Tourismus liegenden Potenziale besser ausschöpfen als im fachfremden Justizministerium. Anderer seits werden die Aufgaben und die Herausforderungen, Herr Minister, sicherlich dazu führen, dass Sie keine Langeweile haben werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein funktionierendes Justiz wesen ist keine disponible Freiwilligkeitsleistung. Ein funk tionierendes Justizwesen ist Voraussetzung für Freiheit, für Sicherheit und für Demokratie. Dafür sollten wir kämpfen.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir ei gentlich vorgenommen, heute Abend die Debatte über diesen Justizhaushalt sehr liebevoll und friedfertig zu führen, weil ich unterstellt habe, dass er in einem großen Konsens dieses Hauses – so, wie es in der Vergangenheit immer Tradition war – auf den Weg gebracht wird.
(Abg. Andreas Stoch SPD: Dabei sind Sie doch der Darsteller! – Abg. Tobias Wald CDU: Großes Kino von einem ganz kleinen Mann!)
Herr Weinmann, mit Verlaub, auch bei Ihnen musste ich mich manchmal schon fragen, ob Sie sich bei der Vorbereitung Ih rer Rede dessen bewusst waren, dass es weit mehr als zehn
Jahre waren, in denen gerade auch die FDP in diesem Land Verantwortung für die Justizpolitik getragen hat.