Protokoll der Sitzung vom 08.02.2017

(Abg. Anton Baron AfD: Da bin ich gespannt!)

Investitionen in den Zusammenhalt der Gesellschaft, unsere Investitionen in Innovationen und unsere Investitionen in Nachhaltigkeit.

Meine Damen und Herren, ich habe es anfangs schon be schrieben: Wir leben in Zeiten großer Umbrüche und Heraus forderungen. Globalisierung, Digitalisierung, islamistischer Terrorismus, große Flüchtlingsbewegungen und der Klima wandel sind solche Stichworte. Diese Umbrüche verursachen Stress. Glücklicherweise ist die Polarisierung in Baden-Würt temberg nicht so stark wie anderswo in Deutschland und Eu ropa. Aber auch wir sind herausgefordert. Auch bei uns füh len sich manche Menschen verunsichert, haben Angst oder fühlen sich abgehängt. Auch bei uns wächst bei vielen die Sehnsucht nach Orientierung, nach Schutz und Sicherheit.

Ich bin überzeugt: Unsere Koalition, die unterschiedliche ge sellschaftliche Gruppen und Milieus zusammenführt und ei ne breite gesellschaftliche Mitte abdeckt, ist am besten dafür geeignet, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Denn eines ist klar: Man kann die Gesellschaft nicht von den Rändern her zusammenführen, sondern nur aus ihrer Mitte he raus. Mir ist wohl bewusst: Solch einen Zusammenhalt kann man natürlich nicht von oben verordnen. Aber wir können lei denschaftlich und beharrlich die Voraussetzungen für den Zu sammenhalt verbessern – und das werden wir auch tun.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Zuruf von der AfD)

Das heißt zunächst: Wir werden für die bestmögliche Sicher heit der Menschen sorgen. Denn das ist nicht nur die erste Pflicht des Staates, die ja auch sein Gewaltmonopol begrün det; Sicherheit ist auch die Voraussetzung für den Zusammen halt in unserer Gesellschaft. Nur wenn sich die Menschen in unserem Land sicher fühlen, fühlen sie sich in unserer Gesell schaft auch zu Hause.

Meine Landesregierung tut alles dafür, die Freiheit der Men schen im Land zu schützen und ihre Sicherheit zu gewährleis ten. Dies galt und gilt insbesondere nach dem Anschlag in Berlin. Das galt schon vorher und gilt jetzt, wie gesagt, erst recht. Denn die Terroristen zielen auf die Grundwerte unseres Landes, auf unsere Freiheit, auf die offene Gesellschaft. Sie wollen die Gesellschaften spalten, sie wollen einen Keil zwi schen die Mehrheit der Bevölkerung und die bei uns leben den Muslime treiben. Sie wollen Hass säen. Aber das werden wir nicht zulassen. Unsere Antwort auf Hass ist Zusammen halt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Wir werden gemeinsam unsere Demokratie und unsere freie Lebensweise gegen die Feinde der Freiheit und gegen die

Feinde der Toleranz verteidigen. Wir werden uns als wehrhaf te Demokratie erweisen.

Meine Regierung trägt Verantwortung für die Sicherheit von fast elf Millionen Menschen in Baden-Württemberg. Diese Verantwortung nehmen wir sehr ernst. Das heißt: Wir agieren mit Besonnenheit und nicht mit Aktionismus; wir agieren ent schlossen und nicht mit markigen Worten; wir handeln wirk sam und nicht nur symbolisch.

Wir werden ein Maßnahmenpaket auf den Weg bringen, um ganz gezielt gegen Gefährder vorgehen zu können. Dabei wer den wir – das sage ich ganz deutlich – bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Möglichen gehen, werden die Grenze aber auch nicht überschreiten. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Wir wollen dafür sorgen, dass die Po lizei auf der Höhe der Zeit und auf dem Stand der Technik ist, um die Kommunikation von Gefährdern überwachen zu kön nen, ganz egal, ob es um Telefonate, E-Mails, SMS oder WhatsApp-Nachrichten geht. Auch die technische Ausstat tung der Polizei verbessern wir, damit sie potenzielle Atten täter noch wirksamer ins Visier nehmen kann.

Dabei halten wir immer die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. Wir nehmen also nicht einfach alle Bürger ohne kon kreten Anlass ins Visier. Wir konzentrieren uns auf jene, die unsere Freiheit und unser Leben bedrohen. Besonnenheit und Entschlossenheit, das ist der richtige Weg.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Diesen Weg gehen wir beharrlich. Deswegen schaffen wir in dieser Legislaturperiode insgesamt 1 500 neue Stellen für die Polizei. Allein in diesem Jahr sind es rund 380. Dadurch brin gen wir mehr Polizisten auf die Straße und erhöhen die Si cherheit für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort unmittelbar. Wir stärken unsere Ordnung durch zusätzliche Investitionen in die Justiz. In diesem Jahr stellen wir 70 zusätzliche Rich ter und Staatsanwälte ein, und wir schaffen noch einmal rund 70 Stellen im Strafvollzug. Die Arbeit unserer Sicherheitsbe hörden und unserer Justiz im Land ist von unschätzbarem Wert. Sie leisten ungeheuer viel, und dafür möchte ich mich bei allen, die sehr viel arbeiten und in diesen schweren Zei ten oft auch Überstunden machen müssen, sehr herzlich be danken.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Ein zweiter wichtiger Baustein für den Zusammenhalt ist die Integrationspolitik. Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Musterland für Integration machen. Das baut auf guten Tra ditionen auf. Sprache öffnet die Türen zur Gesellschaft. Des wegen hat das Erlernen der deutschen Sprache für uns eine Toppriorität. Daher investieren wir noch einmal zusätzlich in die Sprachförderung im Kindergarten. Wir haben deshalb im Haushalt die Voraussetzung geschaffen, bis zu 1 000 Stellen für die Vorbereitungsklassen verlängern zu können.

Der Arbeitsmarkt ist der zentrale Integrationsmotor unseres Landes. Rund 15 000 Flüchtlinge haben bereits Arbeit gefun den; das ist ein Erfolg. Unser Ziel ist es, dass jeder einen Aus bildungsplatz oder einen Arbeitsplatz finden kann.

(Abg. Anton Baron AfD: Über 600 000 beziehen Hartz IV!)

Dafür haben wir im Wirtschaftsministerium eine Taskforce eingerichtet, und ich danke der Wirtschaftsministerin für ihr Engagement in dieser Richtung.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Aus meiner Sicht findet Integration immer vor Ort, in unse ren Kommunen statt. Deshalb werden wir mit den Kommu nen einen Integrationspakt schließen, in den wir für 2017/2018 320 Millionen € investieren. Das ist gut angelegtes Geld, denn wir finanzieren damit Integrationskurse, Arbeitsmarktintegra tion und Hauptamtliche, die den Flüchtlingen die passenden Angebote machen und den Erfolg der Maßnahmen im Auge behalten.

Meine Damen und Herren, ein entscheidender Schlüssel für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ist die bestmögli che Bildung für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zunächst zur IQB-Studie kommen, die die Schwächen unserer Schulen in Deutsch und Fremdsprachen offengelegt hat. Dieses Ergeb nis werden wir nicht auf uns sitzen lassen. Meine Damen und Herren, wir gehen den Ursachen auf den Grund, und zwar sys tematisch, offen und ohne irgendwelche ideologischen Scheu klappen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP – Abg. Andre as Stoch SPD: Das ist gut! Sehr gut!)

Wir sind dabei vorndran – die Kultusministerin ist in diesem Prozess mittendrin – und werden dann passgenaue Maßnah men einleiten, etwa eine bessere Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer oder eine Stärkung der Schulleiter. Das sind erste notwendige Maßnahmen, die sich abzeichnen. Wir werden al so alles tun, um an die Spitze zu kommen,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Gilt das auch für die CDU? – Zuruf von der AfD: Oi, oi, oi!)

und ich bin davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist: erstens: Qualität, zweitens: Qualität, drittens: Qualität.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Anton Baron AfD: Erstens: Leistung!)

Das ist das Entscheidende; das ist das, worauf es ankommt.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Nicht neu!)

Dazu möchte ich Ihnen eine Zahl vortragen: Im Jahr 2000 hat ten wir rund 85 000 Lehrerstellen in Baden-Württemberg. Die se Lehrkräfte unterrichteten rund 1,6 Millionen Schülerinnen und Schüler. Heute haben wir rund 8 000 Lehrerstellen mehr, aber 150 000 Schülerinnen und Schüler weniger. 10 % mehr Lehrer bei 10 % weniger Schülern – von Sparen in der Bil dung kann also überhaupt keine Rede sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Zuruf: Also machen Sie etwas falsch!)

Diese Zahlen zeigen: Wir müssen uns auf die Qualität kon zentrieren.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Ja!)

Wir müssen uns auf den Output konzentrieren und dürfen nicht so sehr über den Input sprechen:

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Sehr gut!)

bessere Sprachförderung im Kindergarten, Weiterentwicklung von Kitas zu Kinder- und Familienzentren, 160 weitere Stel len für Lesen, Schreiben, Rechnen in den Grundschulen, 260 zusätzliche Stellen für Poolstunden in den Realschulen, Aus bau der Ganztagsschulen, Vertiefung der Gemeinschaftsschu len und 160 zusätzliche Stellen für die Inklusion. Man sieht, dass wir auch quantitativ einiges tun. Das ist unser Weg mit den Maßnahmen, die wir zur Erhöhung der Unterrichtsquali tät durchführen wollen, um für mehr Leistung und Bildungs gerechtigkeit in diesem Land zu sorgen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Ich komme zu einem weiteren Punkt, der sehr wichtig ist und für Neuankömmlinge wie auch für Alteingesessene höchste Bedeutung hat: bezahlbarer Wohnraum. In den Ballungszen tren und Universitätsstädten ist er Mangelware. Unser Ziel ist, dass jeder ein Zuhause finden kann, das er sich auch leisten kann. Auch das ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft sehr wichtig; damit haben Sie völlig recht, Herr Fraktionsvor sitzender Stoch.

Deshalb haben wir die Investitionen um mehr als 20 % auf 250 Millionen € hochgefahren. Damit verdoppeln wir die Mit tel im Vergleich zu 2015; im Vergleich zu 2011 ist es sogar ei ne Verfünffachung. Das kann sich sehen lassen! Seit Jahrzehn ten hat keine Landesregierung so viel in den Wohnungsbau investiert wie wir. Wir werden damit in diesem Jahr bis zu 11 000 Wohnungen fördern und stoßen Investitionen von rund 4 Milliarden € an. – Herr Kollege Stoch, ich sage es Ihnen deutlich: Was wir bräuchten, sind auch steuerliche Abschrei bungen in diesem Bereich.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Genau!)

Erkundigen Sie sich einmal, wer eigentlich verhindert, dass es dazu kommt.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Jedenfalls hat Baden-Württemberg dies nie verhindert – auch die letzte Landesregierung nicht. Wir haben es immer gefor dert. An uns liegt es also überhaupt nicht.

Meine Damen und Herren, ich möchte einige weitere Politik felder nur noch kurz anreißen. Auch für den ländlichen Raum haben wir die Mittel aufgestockt: um über 15 % beim Ent wicklungsprogramm Ländlicher Raum, damit auch dieser at traktiver wird. Wir investieren im kommenden Jahr mit 460 Millionen € so viel wie nie zuvor in die Krankenhäuser. Wir kümmern uns um die Jungen und haben deshalb die Mittel für die Jugendarbeit aufgestockt, und wir fördern das Ehrenamt und das bürgerschaftliche Engagement sowie den Sport. Wir sind also in allen Bereichen tätig, in Kernaufgaben, die ich ge nannt habe, aber auch in anderen, die wichtig sind.

Als zweiten Schwerpunkt setzen wir auf eine kraftvolle Inno vationspolitik. Baden-Württemberg ist die innovativste Regi on Europas – vor Bayern, vor der Region Paris oder vor der

Region London. Das ist zuallererst natürlich ein Verdienst der klugen Köpfe in unserem Land, der hervorragenden Unter nehmen im Land und ihrer Belegschaften sowie unserer ein zigartigen Wissenschaftslandschaft.

Doch darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Wirtschaftlicher Erfolg muss immer wieder neu erkämpft und erarbeitet wer den. Das gilt heute mehr denn je. Denn die digitale Revoluti on wälzt alles um. Die Automobilindustrie durchlebt gegen wärtig den tiefsten Umbruch ihrer Geschichte. Das Auto der Zukunft fährt emissionsfrei. Es fährt selbsttätig oder kann selbsttätig fahren. Es wird in einer Sharing-Ökonomie oft ge teilt, und es wird mit Bus, Bahn und Fahrrad vernetzt.

Dazu ist eine strategische Partnerschaft zwischen der Auto mobilindustrie, den Akteuren im öffentlichen Verkehr und der Politik notwendig. Das gehen wir ganz entschieden an. Denn diese Megatrends fordern unsere Automobilindustrie heraus wie nie zuvor. Fast jeder vierte Arbeitsplatz hängt bei uns vom Automobil ab. Deswegen müssen nicht nur die Automobil hersteller diesen Wandel stemmen,

(Abg. Anton Baron AfD: Zulieferer!)

sondern auch die Zulieferer, der Maschinenbau und viele an dere. Das ist also eine gewaltige Aufgabe, der wir uns mit ho her Priorität widmen.