Protokoll der Sitzung vom 08.02.2017

Ich behaupte, dass nicht Dutzende, Hunderte oder Tausende von Lehrkräften irgendwo darauf warten, dass ihre Stellen von der Landesregierung gestrichen werden. Diese Lehrkräfte ste hen in Unterrichtsräumen, in Klassenräumen. Diese Lehrkräf te sind diejenigen, die die Kinder in Baden-Württemberg gut auf ihre Zukunft vorbereiten wollen. Meine sehr geehrten Da men und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn Sie Lehrerstellen streichen, dann müssen Sie auch sagen, wo Sie das tun wollen.

Wollen Sie die Unterrichtsversorgung an beruflichen Schulen wieder verschlechtern, wie es bei der CDU der Fall war? Wol len Sie Grundschulen schließen? Sagen Sie den Menschen, was Sie vorhaben, und bringen Sie nicht nur Fakten, die kei ne Aussagekraft haben.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein Wort dazu: Wenn wir Nachbesserungsbedarf haben – und den haben wir im Bildungsbereich sicherlich an vielen Stellen –, dann werden wir einen Ganztagsausbau im Land Baden-Württemberg, das im bundesweiten Vergleich immer noch ziemlich weit hinten liegt, nicht durch ein Nullsummen spiel und nicht durch gestrichene Lehrerstellen bewerkstelli gen.

Wir werden auch gute Inklusion, die wir gesetzlich festgelegt haben – und das nicht ohne Grund –, nicht mit weniger Geld bewerkstelligen können. Wenn wir die Kinder in unserem Land gut auf die Zukunft, auf die veränderten Voraussetzun gen vorbereiten wollen, brauchen wir eben mehr Geld für Bil dung und nicht weniger. Wir müssen das Geld aber an den richtigen Stellen investieren, liebe Kolleginnen und liebe Kol legen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu dem Dreiklang aus Sanieren, Konsolidieren und Investieren sagen. Das ist ganz sicherlich nichts Neues.

(Abg. Peter Hofelich SPD: So ist es!)

Denn in den vergangenen fünf Jahren haben in der Landesre gierung die Sozialdemokraten mit Nils Schmid an der Spitze genau diesen Dreiklang als wichtigen und richtigen Dreiklang für verantwortliche Finanzpolitik definiert. Dazu gehört aber auch, dass Sanierung in den Blick genommen werden kann – was den Sanierungsstau angeht. Das haben wir getan.

(Abg. Peter Hofelich SPD: So ist es! Das war eine Falschmeldung des Ministerpräsidenten!)

Die Ausgaben für Straßen- und Brückensanierung wurden un ter Grün-Rot bereits deutlich angehoben. Sagen Sie hier an dieser Stelle dann aber auch, dass dieser Stau nicht innerhalb von zwei oder drei Jahren entstanden ist. Dieser Stau ist da durch entstanden, dass vonseiten der CDU und der FDP/DVP während ihrer Regierungsverantwortung viel zu wenig für den Erhalt des Landesvermögens getan wurde, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Dann müssen wir eben auch an den richtigen Stellen investie ren. Ich habe gerade einige davon benannt. Wir brauchen heu te die Sicherheit, dass die Menschen in einer sich verändern den Arbeitswelt gut auf ihre Zukunft vorbereitet werden. Wir brauchen die Sicherheit, dass Menschen bezahlbaren Wohn raum finden. Wir haben dieser Tage erst die Zahlen bekom men.

(Abg. Anton Baron AfD: Das haben Sie selbst ver bockt!)

Wenn Sie von 11 000 Wohnungen für Baden-Württemberg für das kommende Jahr sprechen: Wir brauchen in Baden-Würt temberg pro Jahr mindestens 50 000 Wohnungen, um den Be darf decken zu können. In ganz Deutschland liegt der Bedarf bei über 400 000 Wohnungen, wobei im Moment nur 300 000 Wohnungen gebaut werden. Wir brauchen wirklich eine gro ße Wohnungsbauinitiative.

(Abg. Tobias Wald CDU: Diese Erkenntnis kommt bei Ihnen aber spät!)

Wir müssen möglichst schnell das Aufholen eines Rückstands von über einer Million Wohnungen auf die Strecke bringen. Wir müssen den Menschen heute helfen, und wir dürfen ih nen nicht mit kleinen Schritten helfen, die ihnen in 20 Jahren Wohnungen versprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Tobias Wald CDU: Vor fünf Jahren habe ich das hier schon gesagt! Fünf verlorene Jahre!)

Deswegen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen: Investieren Sie in die richtigen Stellen, und seien Sie mutig bei den Investi tionen in diesem Landeshaushalt! Das, was diese Landesre gierung bisher präsentiert, ist keine gemeinsame Idee für das Land Baden-Württemberg, sondern es sind kleine Schritte, die

teilweise in die richtige, aber teilweise auch in die falsche Richtung gehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke das Wort.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, zu nächst zum Verbindenden: Sie sprachen von der wehrhaften Demokratie. In der Tat: Meine Fraktion, meine Partei nimmt Ihnen die Sorge um die Demokratie in Zeiten wie diesen ab.

(Abg. Anton Baron AfD: Das ist ja fast heuchlerisch!)

Wir haben mit Sicherheit auch den Willen, mit Ihnen gemein sam für diese Demokratie – wenn es sein muss, auch wehr haft – zu streiten, sei es, dass die Bedrohung vonseiten des Terrorismus kommt, oder sei es, dass sie von anders gearte ten, anders gewandeten Feinden dieser Demokratie kommt.

Dieser Schulterschluss gilt auch für den Bereich des Freihan dels. Kollege Reinhart hat vorhin David Ricardo zitiert, der vor 200 Jahren theoretisch postuliert hat, dass Freihandel zu Wohlstandsgewinnen führt. Ich glaube, die Entwicklung der letzten 200 Jahre gibt ihm recht.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Es ist deutlich geworden, dass wir gerade in Europa in den letzten 200 Jahren vom Freihandel profitiert haben.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Sie klatschen, Herr Kollege Fiechtner. Ihre Partei kämpft gegen TTIP und CETA. Das passt nicht zusammen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Aber ich bin froh, dass Ihr Fraktionsvorstand zumindest zu lässt, dass Sie klatschen, wenn Sie schon nicht mehr reden dürfen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP/ DVP, der CDU und der SPD)

Protektionismus jedenfalls ist die falsche Entwicklung in Zei ten wie diesen. Wenn Herr Trump oder wer auch immer glaubt, das nationale Heil über den Protektionismus zu finden, dann liegt es in der Tat im Interesse des Landes Baden-Württem berg und ist das Land gefordert, hier deutlich zu machen, dass bei solchen protektionistischen Tendenzen unsere exportori entierte Wirtschaft als Grundlage des Wohlstands in diesem Land herausgefordert ist. Auch hier haben Sie uns an Ihrer Seite, wenn Sie gegen diese protektionistischen Tendenzen zu Felde ziehen.

Ansonsten, Herr Ministerpräsident, hätten wir uns an der ei nen oder anderen Stelle etwas mehr Konkretheit gewünscht.

Ich darf aus Ihrer Rede zitieren, wofür Sie stehen: „Gerech tigkeit in der ganzen Welt“.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Haben Sie es vielleicht eine Nummer kleiner? Es ist ja schon ein erheblicher Anspruch, wenn der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg in einer Haushaltsrede erklärt, dieser Landeshaushalt habe das Ziel, Gerechtigkeit in der gan zen Welt herzustellen.

(Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP: Er war ja in Rom! – Weitere Zurufe)

Es gab eine ganze Reihe von Leerformeln in Ihrer Rede. Ich will nur eine herausgreifen, nämlich das Thema Nachhaltig keit. Es klingt ja gut: Nachhaltigkeit, Bewahrung der Schöp fung usw. Das klingt alles gut. Da ist man schwer zu kritisie ren. Das ist ja auch der Grund, warum Sie mit solchen Leer formeln arbeiten. Aber nachhaltig, Herr Ministerpräsident, ist dieser Landeshaushalt nicht. Denn wenn Sie in Zeiten wie die sen – mit Rekordsteuereinnahmen – mit niedrigen Zinsen ar gumentieren und auch noch die Landeshaushaltsordnung än dern, um nicht Schulden tilgen zu müssen, dann ist das alles, aber nicht nachhaltig, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich hätte gern eine Antwort auf die Frage, wann Sie denn Schulden tilgen wollen, wenn nicht jetzt. Jetzt wird so argu mentiert: „Wir tilgen keine Schulden, weil die Zinsen so nied rig sind.“ Ich sage Ihnen voraus: Wenn die Zinsen irgendwann steigen, werden Sie umgekehrt argumentieren. Dann werden Sie sagen: „Jetzt können wir keine Schulden tilgen, weil die Zinsen wieder so hoch sind.“ Nachhaltig ist eine solche Poli tik nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Dann haben Sie erklärt, Grün-Schwarz halte Wort, denn die Finanzministerin Sitzmann habe erklärt: „Wir machen auch künftig keine Schulden.“ Woher wissen Sie denn das? Also, wenn Worthalten Ankündigen bedeutet, dann wären wir in der Politik schon ein wesentliches Stück weiter. Jedoch haben die Menschen in diesem Land mitunter die Erfahrung gemacht, dass nicht bei allen Politikern Ankündigen und Worthalten dasselbe ist. Wenn es schon Worthalten ist, wenn Frau Sitz mann ankündigt, man mache auch künftig keine Schulden – gut, ich weiß schon, wie Sie rechnen; ich habe es vorhin schon ausgeführt –, und sagt:

(Lachen des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

„Wir bunkern jetzt einmal im Haushalt ein paar Milliarden Eu ro, und wenn dann die Konjunktur einbricht oder die Zinsen steigen oder vielleicht beides, dann haben wir einen Julius turm,

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Dann sind wir gegen die FDP gewappnet!)

und mithilfe dieses Juliusturms können wir dann vielleicht auch Schulden vermeiden...“

(Abg. Andreas Stoch SPD: Mindestens!)

Aber je nachdem, wie die Entwicklung in diesem Land statt findet – ich wünsche uns das nicht, aber ich sehe es voraus –: Wenn ein Konjunktureinbruch kommt, dann wird dieselbe Fi nanzministerin Sitzmann hier stehen und sagen: „Ich habe zwar versprochen, wir machen auch künftig keine Schulden. Aber wer hätte gedacht, dass die Entwicklung so ist?“ Also, seien Sie einmal vorsichtig mit diesen Ankündigungen; die werden Sie möglicherweise irgendwann einholen.