Protokoll der Sitzung vom 08.03.2017

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist wie der der Internationale Frauentag, wie Sie schon gehört haben und hoffentlich jetzt alle wissen. Der Internationale Frauen tag ist ein ganz wichtiger Tag für Frauen auf der ganzen Welt. Denn da erleben sie die Frauensolidarität in ganz entschiede nem Maß. Sie gehen auf die Straße, um für ihre Rechte zu kämpfen und für die Gleichberechtigung einzustehen.

Bei uns ist die Gleichberechtigung ja gesetzlich festgeschrie ben. Vieles wurde umgesetzt, aber vieles muss noch getan werden. Leider hängt immer noch sehr viel vom Geschlecht ab.

Deswegen haben wir, die Fraktion GRÜNE, zusammen mit der Fraktion der CDU den Antrag zum Thema „Frauenpolitik in Baden-Württemberg“ eingebracht. Daraus möchte ich ein paar Punkte vortragen.

Wir setzen uns für gleiche Verwirklichungschancen in allen politischen, beruflichen und gesellschaftlichen Bereichen ein. Denn diese sind Ausdruck für eine moderne, demokratische und freiheitliche Gesellschaft, und dafür steht Baden-Würt temberg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

An dieser Stelle möchte ich mich bei den Ministerien für die ausführliche Stellungnahme zu unserem gemeinsamen Antrag bedanken.

Wir Grünen stehen für Frauenpower. Wenn Sie sich anschau en, wie viele weibliche Abgeordnete hier bei uns Grünen sind, dazu zwei Ministerinnen,

(Abg. Gabi Rolland SPD: Die sind nicht da!)

eine Landtagspräsidentin, eine Staatsrätin und noch zwei CDUMinisterinnen,

(Abg. Gernot Gruber SPD: Wie viele sind da?)

sehen Sie, dass wir eine gute Entwicklung nehmen, die aber sicher noch ausbaufähig ist.

(Abg. Gabi Rolland SPD: Die Regierung scheint das aber nicht zu interessieren! – Abg. Dr. Heinrich Fiecht ner AfD: Wo sind eigentlich die anderen Geschlech ter?)

Wie sieht es in der Wirtschaft und im Berufsleben für uns Frauen aus? Frauen erhalten nach wie vor nicht in allen Bran chen den gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit wie ihre männlichen Kollegen.

(Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Frauen sind in Führungspositionen nach wie vor unterreprä sentiert. Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit oder in geringfü gigen Beschäftigungsverhältnissen.

Frauen nehmen Auszeiten für Kindererziehung und zur Pfle ge von Angehörigen. Die Wirtschaft hat inzwischen begriffen, dass sie ohne die Frauen – nicht nur im Niedriglohnsektor – nicht auskommt.

(Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Dafür braucht es aber flexible Arbeitszeitmodelle, gleichbe rechtigte Karrierechancen und ein Diversity-Management. Wir haben heutzutage die bestausgebildete Mädchengeneration mit Hochschulbildung, hoher Fachqualifikation, Talent und Wissbegier und dürfen diese Potenziale nicht ungenutzt las sen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Im Land gibt es die Landesinitiative „Frauen in MINT-Beru fen“ mit insgesamt 52 Partnern in Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. Das Ziel dabei ist, Frauen für naturwissenschaft lich-technische Zukunftsbereiche zu gewinnen. Da heißt es auch, von dem Gedanken wegzukommen: „Frauen verstehen die Technik und die Wissenschaft sowieso nicht. Das verste hen nur die Männer.“ Gott sei Dank gehen wir davon jetzt all mählich weg. Die Landesinitiative unterstützt auch, dass die Frauen verstärkt in diese Bereiche hineinkommen.

Dafür brauchen wir aber auch ein gesellschaftliches Umden ken, nämlich weg von der Unterscheidung Männerberufe/ Frauenberufe hin zu: Berufe stehen als Angebot für alle gleich wertig da.

(Beifall des Abg. Thomas Hentschel GRÜNE)

Jede und jeder sucht sich wirklich nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen die Arbeit aus.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Dieser Gedanke muss schon mit in die Erziehung hinein.

Eine weitere Initiative ist das Projekt „Frauenkarrieren und innovative Unternehmenskulturen – Spitzenfrauen“. Dabei ist das Ziel, die Unternehmenskultur dahin gehend zu verändern, dass Frauen in Führungspositionen kommen. Denn immer noch beträgt der Frauenanteil in Führungspositionen in obers ter Ebene erst 35 %.

Auch das Land will als Arbeitgeber Programme zur Förde rung von Frauen in Führungspositionen in der Landesverwal tung auflegen. Das wird von uns, den Grünen, sehr unterstützt.

Warum sind jetzt trotzdem noch zu wenige Frauen in Spitzen positionen? Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der erste ist, dass die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf doch noch nicht so leicht geht. Viele Frauen wünschen sich Kinder. Beruf und Familie aber unter einen Hut zu bringen ist immer noch schwierig. Denn nach wie vor ist Haus- und Erziehungs arbeit – dreimal dürfen Sie raten – überwiegend Frauenarbeit.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Wer sagt das? – Abg. Ni cole Razavi CDU: Das ist auch besser so!)

Es muss gesellschaftlich und betrieblich selbstverständlich werden, dass auch Väter zu gleichen Teilen dafür zuständig sind.

Baden-Württemberg unterstützt die Vereinbarkeit durch gute Angebote in der Kinderbetreuung und in der Betreuung durch Ganztagsschulen.

Weiter brauchen wir aber neue und flexiblere Arbeitszeitmo delle in verschiedenen Lebensphasen. Diese sind notwendig. Teilzeit, Telearbeit, Homeoffice dürfen nicht länger als min derwertige Tätigkeiten angesehen werden. Davon müssen und sollen auch Kinderlose profitieren. Unser Land ist Impulsge ber für die Entwicklung einer familienbewussten Personalpo litik. Das ist sehr zu begrüßen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Lohngerechtigkeit, die in vielen Bereichen noch nicht gegeben ist. Ein zentraler Punkt ist, dass Frauen für gleiche und gleichwertige Arbeit – das möchte ich besonders betonen – nicht wie ihre männlichen Kollegen entlohnt werden.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Was ist „gleichwertig“?)

Was gleichwertig ist, kann ich Ihnen später erklären.

Ein Beispiel sind die Pflegeberufe. Bei Pflegeberufen steht die Sorge im Vordergrund. Es werden Menschen gepflegt. Be trachtet man das Gegenteil – Berufe in der Industrie –, dann erkennt man, dass da die Wertigkeit auf die Industrie gelegt wird. Denn in der Industrie verdient z. B. ein Meister doppelt so viel wie eine Erzieherin, die in einer Kita mit 100 Kindern Betreuungsarbeit leistet.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Das ist ein Spartenprob lem und kein Geschlechterproblem!)

Die Überwindung dieses sogenannten Gender Pay Gap ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung von Frau en. Dafür werden wir uns sehr einsetzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Neu ist der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Trans parenz von Entgeltstrukturen, den Frau Ministerin Schwesig plötzlich ganz hoch hält und sagt: „Das ist das neue Gesetz, durch das eine neue Lohngerechtigkeit entstehen kann.“ Das ist Augenwischerei. Der Gesetzentwurf sieht lediglich für Frauen, die in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten ar beiten, die Möglichkeit vor, eine Auskunft über das Einkom men des männlichen Kollegen zu erhalten. Das heißt aber, dass über 60 % der Frauen gar keinen Gebrauch hiervon ma chen können, weil sie in kleinen und mittleren Unternehmen arbeiten und somit gar kein Recht auf Auskunft haben.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Das ist doch kein Argu ment!)

Doch, das ist ein großes Argument. – Das Land strebt au ßerdem Elternzeit und Karenzzeit zur Pflege Angehöriger bei Bediensteten des Landes an und will dies auch als Dienstzeit honorieren. Für die weitere berufliche Entwicklung und För derung soll dies angerechnet werden.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Abg. Wehinger.

Ja. – Als letzten Punkt muss ich noch die Altersvorsorge ansprechen. Da die Alters armut in erster Linie Frauen betrifft, ist diese Vorsorge beson ders wichtig. Das heißt, es ist unabdingbar, dass Frauen auch lebenslang arbeiten können bzw. die Arbeit, wenn sie als Sor gearbeit ausgeführt wird, entsprechend honoriert wird.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, Sie müs sen bitte zum Schluss kommen.

Zum Schluss möchte ich sagen: Frauen leisten gleiche und gleichwertige Arbeit wie Männer und müssen dafür in gleichem Umfang entlohnt wer den.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Neumann. Es ist übrigens die erste Rede der Kollegin Neumann. Daher bitte ich nochmals beson ders um Ruhe und darum, von Zwischenfragen abzusehen.