Protokoll der Sitzung vom 22.03.2017

Es ist klar: Das Europa der 28 hat viele Gegensätze. Es gibt wirtschaftliche, soziale und natürlich auch Mentalitätsunter schiede. Aber eines muss gelten: Solidarität, Subsidiarität und auch Eigenverantwortung.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Richtig!)

Der Schlüssel – das wurde hier schon öfter gesagt – für die Entwicklung Europas liegt in den Regionen und in den Kom munen.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Natürlich hat der Europäische Strukturfonds einiges verbes sert. Aber wichtig sind nicht nur finanzielle Mittel, sondern wichtig ist auch die Initiative vor Ort. Da ist noch einiges zu tun, gerade in puncto Jugendarbeitslosigkeit. Die Jugendar beitslosigkeit muss im Zentrum der europäischen Politik ste hen. Nur so können wir junge Menschen für Europa begeis tern.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Viele Regionen, viele Städte, viele Länder können sich, mei ne ich, an Baden-Württemberg ein Beispiel nehmen. Ich den ke, wir haben die europäischen Mittel, die nach Baden-Würt temberg gekommen sind, gut eingesetzt

(Abg. Anton Baron AfD: Das haben wir selbst be zahlt!)

und haben dafür gesorgt, dass die Jugendarbeitslosigkeit ge ring ist und wir damit beispielhaft in Europa sind.

Aber ich muss klar sagen: Teure Beschäftigungsprogramme nützen nichts. Es muss die Eigeninitiative vor Ort da sein; nur so kann eine wirtschaftlich gute Entwicklung stattfinden. Deutschland hat gezeigt, wie erfolgreich man sein kann. Wir haben den Arbeitsmarkt reformiert und ein beschäftigungs freundliches Klima geschaffen. Es gilt nach wie vor der Satz: „Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft.“ Dies gilt nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auch in Europa. Es wäre ein falsches Signal, diesen Weg in Deutschland, in Baden-Würt temberg, aber auch in Europa nicht mehr zu gehen.

Ich muss zur SPD ganz offen sagen: Die Rückabwicklung der Arbeitsmarktreform ist ein fatales Signal, ein falsches Signal

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das macht doch niemand!)

auch mit Blick auf Europa.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Wer macht das denn? – Abg. Anton Baron AfD: Populismus!)

Wir geben ein gutes Beispiel. Deutschland und Baden-Würt temberg sind ein gutes Beispiel, wie man Arbeit schaffen und Jugendarbeitslosigkeit verhindern kann.

Länder, die weiterhin einen starren Arbeitsmarkt haben, be zahlen dies mit einer hohen Arbeitslosigkeit.

Herr Abg. Kößler, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich will ganz kurz auf Herrn Meuthen eingehen. Herr Meuthen, Sie haben gesagt, Europa sei ein todkranker Patient. Es kommt mir vor, als ob Sie die Beerdigung schon bestellt hätten.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Die würde ich jetzt gern bestellen!)

Ich glaube nicht, dass mit defätistischen Äußerungen in Eu ropa etwas vorangeht. Wir müssen Optimismus zeigen. Nur aus dem Optimismus wird die Tatkraft folgen. Reden Sie in Zukunft Europa nicht nieder. Wir brauchen Europa. Das hat Theodor Heuss schon in den Fünfzigerjahren gesagt. Deutsch land braucht Europa, und Europa braucht Deutschland.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Herrn Abg. Frey.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Der Präsident des Oberrheinrats!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst möchte ich Ihnen, sehr ge ehrte Frau Präsidentin, herzlich danken für die klare Positio nierung am Anfang, was unsere Beziehung zur Türkei betrifft. Wir wünschen uns, denke ich, alle, dass wir die enge Freund schaft, die in den letzten Jahrzehnten entstanden ist, weiter pflegen können – auch als Handelspartner, auch als Koopera tionspartner mit den Universitäten in der Türkei und auch beim gemeinsamen Eintreten gegen den internationalen Ter rorismus. Ich denke, dass wir dies aber nur erreichen können, wenn es in Zukunft eine türkische Regierung gibt, die Plura lismus, Demokratie und Menschenrechte gewährleistet und sich auch dafür einsetzt.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Peter Hofelich SPD)

Ich werde deswegen in der nächsten Woche als Vertreter des Landes Baden-Württemberg im Kongress des Europarats ei ne entsprechende Initiative, die aus der Mitte des Kongresses kommt, unterstützen, mit der die Türkei daran erinnert wird, dass sie die Charta der kommunalen Selbstverwaltung des Eu roparats unterzeichnet hat. Die Türkei verstößt mit der Abset zung von Bürgermeistern, die durch Beamte der türkischen Zentralregierung ersetzt wurden, gegen diese Charta der kom munalen Selbstverwaltung. Hiergegen verstößt sie auch, in dem sie Frauenhäuser und Hilfseinrichtungen behindert und schließt und Leute dort drangsaliert. Das entspricht auch nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention. Deswegen wer de ich dort auch mit dem Rückenwind Ihrer zu Beginn zum Ausdruck gebrachten Positionierung klar Stellung nehmen können.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut!)

Wenn ich jetzt überlege, was denn eigentlich die heutige Kern aussage des Herrn von der AfD war, dann fühle ich mich an ein Fastnachtsmotto aus meiner Region erinnert, das im Ori ginaltext – ich übersetze es gleich – lautet: „Zurückgelugt, wär es vorausgsee gsi“, das heißt: „Zurückgeschaut, wäre es vor auszusehen gewesen“, und ich fühle mich an die postfaktische Realitätswahrnehmung eines Donald Trump erinnert. Denn Sie behaupten einfach Dinge jenseits jeglicher Realität bei dem Bild, das Sie von Europa gezeichnet haben.

Die Gründungsmütter und -väter unserer Europäischen Uni on traten damals mit der Idee an, Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa und der Welt zu sichern. Dies ist mit der Grundsteinlegung vor 60 Jahren auch gelungen. Die Initiative „Pulse of Europe“ hat, denke ich, diese Idee so zusagen wieder wachgeküsst. Diese Initiative verdient unse ren Respekt. Wir sehen dadurch, dass es nicht nur österreichi sche Bundespräsidenten gibt, die proeuropäisch sind, sondern dass auch aus der Basis heraus in Baden-Württemberg und Deutschland Menschen für Europa einstehen und sich die Bür ger hier engagieren.

Europa geht nur mit Nehmen und Geben. Das kennen Sie viel leicht aus Partnerschaften. Gute Partnerschaften brauchen vor allem Augenhöhe; sie gelingen dann, wenn beide den Ein druck haben, dass sie dabei gewinnen. Wenn nun Frau May eine Scheidung verlangt, aber sich dann doch nicht wirklich scheiden lassen will – so wie sie sich gestern im „Handels

blatt“ ausgedrückt hat –, muss man ihr schon sagen: „Rosi nenpickerei gibt es in Partnerschaften nicht.“

(Abg. Anton Baron AfD: Aha!)

Entweder wir gehen den Weg gemeinsam, oder wir scheiden uns.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wir Grünen als proeuropäische Fraktion werden nicht an dem Ast sägen, an dem die AfD sägt. Wir denken nicht daran, un sere Zukunft zu gefährden und die friedliche Grundlage da für, in Europa zu leben,

(Zuruf von der AfD)

in einer Prosperität zu leben, aufzugeben.

(Zuruf der Abg. Carola Wolle AfD)

Das heißt aber nicht, dass wir alles kritiklos hinnehmen; viel mehr werden wir konstruktiv am Haus Europa weiterbauen.

(Abg. Anton Baron AfD: Das sieht man! Da passiert gar nichts!)

Hierzu werden wir mehr mit einer Stimme sprechen müssen, mehr Solidarität zeigen müssen. Wichtig ist aber auch, dass wir nicht nur auf Wirtschaftsinteressen schauen, sondern – insbesondere seit Lissabon – auch ganz besonders auf die Wer te, die uns in Europa gemeinsam verbinden.

Heribert Prantl schreibt in seinem Buch, das erst kürzlich er schienen ist, solange die Menschen die EU vor allem als „Nutzgemeinschaft für die Wirtschaft und für die Finanzin dustrie, aber nicht als Schutzgemeinschaft der Bürger“ erleb ten, glaubten sie hieran nicht. „In einen Binnenmarkt kann man sich nicht verlieben“, sagte Jacques Delors einmal.

Deshalb müssen wir die von uns erreichten Werte und die re alisierten Projekte mehr ins Blickfeld der Bürgerinnen und Bürger rücken. Gerade am Oberrhein – das wurde erwähnt – und im Oberrheinrat sehen wir, wohin diese Haltung uns ge bracht hat. Wir haben eben nicht gedacht: „Germany first“. Wir haben gedacht: Wir arbeiten zusammen, wir werden Brü ckenbauer. So haben wir z. B. die Straßenbahnen zwischen Basel und Weil, zwischen Kehl und Straßburg gebaut.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut!)

Es gäbe keine grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Po lizei und Rettungsdiensten, es gäbe keine Ausbildungsmög lichkeit für französische Jugendliche in badischen Betrieben, es gäbe keine gemeinsame Raumplanung am Oberrhein, und es gäbe auch keine trinationalen Studiengänge.

(Abg. Anton Baron AfD: Dafür brauchen wir keine Union!)

Es gäbe auch viele weitere Errungenschaften nicht, hätten wir nicht die Römischen Verträge unterschrieben und die Europä ische Union weiterentwickelt. An dieser Weiterentwicklung möchten wir auch in Zukunft arbeiten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Hofelich.

Wie viel Sprechzeit habe ich noch?