Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Zustim mung der Abg. Nicole Razavi CDU)

Das ist der Würde dieses Hauses nicht angemessen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Ich habe mich sehr gewundert, als ich den Titel der heutigen Debatte gelesen habe: „Wie steht Baden-Württemberg zur ge planten Einführung der Pkw-Maut auf deutschen Autobah nen?“ Diese Debatte können wir uns eigentlich sparen. Ers tens ist das Thema im Bundesrat bereits beschlossen worden; er wird sich in dieser Legislatur damit nicht mehr befassen. Zweitens reicht es, die Presseberichte zu lesen, um die gestell te Frage zu beantworten. Um das herauszufinden, braucht es keine Aktuelle Debatte im Landtag.

(Beifall bei den Grünen)

Drittens, Herr Meuthen: Sie selbst haben das Thema verfehlt, denn Sie haben zu der gestellten Frage kein einziges Wort ge sagt. Sie haben sich nur über die Maut auf Bundesebene aus gelassen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Genau! – Zuruf von den Grünen: Selbst gestellte Themen zu verfeh len ist besonders peinlich!)

Aber da diese Debatte nun einmal von der AfD beantragt wur de und deren Mitglieder, sage ich einmal, ein gestörtes Ver hältnis zu den Medien haben

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Sprechen Sie von sich?)

und unserer Presse nicht vertrauen, muss ich es Ihnen wohl leider doch noch einmal erläutern.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Wir sind für diese Be lehrungen so dankbar! Endlich erklärt es uns jemand!)

Darüber freue ich mich, wunderbar. – Die grün-schwarze Landesregierung hat sich gemäß den Absprachen im Koaliti onsvertrag bei der Abstimmung im Bundesrat schlicht

(Zuruf von der AfD: Gedrückt!)

der Stimme enthalten,

(Zuruf von der AfD: Welcher Absprachen?)

weil die Regierungsfraktionen in dieser Frage unterschiedli cher Meinung sind.

(Zuruf: Lieber keine Meinung haben!)

Welche Abstimmung, war die Frage. Es ging schließlich dar um, ob der Vermittlungsausschuss angerufen wird oder ob das Verfahren noch einmal bezüglich der Auswirkungen der Maut auf jene Länder untersucht wird, die Grenzen zu anderen Staa ten haben.

(Abg. Anton Baron AfD: Sehr überzeugend!)

Wir haben uns der Stimme enthalten, weil wir unterschiedli cher Meinung sind. Unser Koalitionspartner unterstützt die Infrastrukturabgabe des Bundesverkehrsministers Dobrindt; wir Grünen lehnen diese Maut ab. Weshalb, erläutere ich Ih nen gleich. Das ist keine dramatische Angelegenheit, sondern ganz normales politisches Geschäft in einer Koalition.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Grün-schwarzes Chaos!)

Man spricht über ein Thema, tauscht die Meinungen aus und versucht gemeinsam, einen Kompromiss zu finden.

(Zuruf von der AfD: Den Sie dann wieder nicht ha ben!)

Manchmal klappt es nicht; dann enthalten wir uns eben im Bundesrat der Stimme.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Bei Landesthemen klappt das übrigens bestens. Wir haben ei nen richtig guten Koalitionsvertrag. Ja, es ist kein grüner Ko alitionsvertrag, es ist auch kein schwarzer Koalitionsvertrag, es ist ein grün-schwarzer Koalitionsvertrag.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Bravo! – Zuruf von den Grünen: Genau! Richtig!)

Beide Seiten mussten sich in den Verhandlungen bewegen und Kompromisse machen. Das haben wir getan. Jetzt arbeiten wir konstruktiv zusammen, und bei den Verkehrsthemen klappt das erstaunlich gut.

(Abg. Anton Baron AfD: Wahnsinn! – Vereinzelt Hei terkeit)

Wie mir gesagt wurde, klappt es sogar deutlich besser als in der Vergangenheit. Dass wir bei der Pkw-Maut unterschiedli cher Meinung sind, sehen wir beide professionell – und gut ist.

(Zuruf von der AfD: Tätä, tätä!)

Wir Grünen lehnen die CSU-Maut ab. Darin sind wir uns üb rigens einig mit den anderen grünen Landtagsfraktionen und mit der Bundestagsfraktion.

Schon 2014 haben wir hier im Landtag entsprechende Be schlüsse gefasst. Das können Sie in Drucksache 15/5761 vom 24. September 2014 nachlesen.

(Zuruf von der AfD: Danke schön!)

An dieser ablehnenden Haltung hat sich nichts geändert.

(Zuruf von der AfD)

Die CSU-Pkw-Maut ist ein schlechtes europapolitisches Sig nal und höchstwahrscheinlich nicht mit EU-Recht vereinbar. Sie belastet Pkw-Fahrerinnen und -Fahrer aus dem Ausland. Pkw-Fahrerinnen und -Fahrer aus Deutschland werden über die Kfz-Steuer zugleich wieder entlastet. Wir sind sehr ge spannt, wie das Gericht entscheiden wird, wenn Österreich und die anderen Länder eine Klage einreichen.

Diese Maut hat keinerlei ökologische Lenkungswirkung. Viel fahrer werden durch die jährliche Einmalzahlung, den Pau schaltarif, bevorzugt. Sie ist nicht verursachergerecht.

(Abg. Anton Baron AfD: Wie ist es denn in Öster reich?)

Die Hauptbelastung des Straßennetzes wird durch den LkwVerkehr verursacht und nicht durch den Pkw-Verkehr aus un seren Nachbarländern.

Sie ist ein bürokratisches Monstrum, das bestenfalls als Null summenspiel endet.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Schön, dass Sie meine Position übernehmen!)

Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, des ADAC und anderer gehen davon aus, dass die Einnahmen die prognostizierte Höhe nicht erreichen. Unter Umständen wird sie sogar teurer, wird sie mehr kosten, als sie einbringt.

Es hatte schon einen Grund, warum Angela Merkel im Bun destagswahlkampf gesagt hat, mit ihr werde es keine Maut ge ben. Es hatte einen Grund, warum sich die Fachausschüsse des Bundesrats dazu entschieden haben, dem Bundesrat zu empfehlen, den Vermittlungsausschuss anzurufen: ganz ein fach, weil diese Pkw-Maut vielen Ländern schadet, auch uns in Baden-Württemberg.

Es macht definitiv Sinn, sich über die Finanzierung unserer Verkehrsinfrastruktur Gedanken zu machen. Diese muss auf ein nachhaltiges Fundament gestellt werden. Ein solches Kon zept liegt bereits vor und wurde von der Verkehrsministerkon ferenz am 2. Oktober 2013 einstimmig beschlossen: mehr Mit tel aus Steuereinnahmen aus dem Bereich Verkehr – u. a. KfzSteuer, Mineralölsteuer –, eine Ausweitung der entfernungs abhängigen Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen, Einbeziehung der Lkws ab 7,5 t in das Netz, Ausweitung der Lkw-Maut auf das nachgeordnete Netz, beginnend mit den Landesstraßen.

Bei diesem einstimmigen Beschluss waren auch die Verkehrs minister der SPD- und der CDU-regierten Länder dabei. Das ist ein guter, ein vernünftiger Beschluss. Ja, auch eine PkwMaut könnte als innovative Lösung zu einer Nutzerfinanzie rung der Straßen beitragen – wenn sie eine ökologische Len kungswirkung hat, die geeignet ist, Verkehrsströme zu lenken, und wenn sie die Kosten gerechter auf die Verursacher ver teilt.

Eine intelligente Maut müsste z. B. davon abhängen, wie viel ein Pkw auf unseren Straßen unterwegs ist – wer weniger fährt, zahlt weniger –, welchen Schadstoffausstoß das Fahr

zeug hat – emissionsarme Fahrzeuge fahren günstiger –, zu welcher Tageszeit welche Straßenabschnitte befahren werden – stark belastete Abschnitte müssen teurer bepreist werden – und wo gefahren wird. Wenn es keine gute Bahnverbindung gibt, muss man halt weniger bezahlen. Strecken wie z. B. Hei delberg–Mannheim, auf denen es eine herausragende Alter native mit der Bahn gibt, werden dann etwas teurer.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Denkbar wäre vieles, und die Digitalisierung macht es mög lich. Aber die Ausländermaut der CSU leistet nicht das, was wir Grünen von einer Maut verlangen. Sie bietet keine Anrei ze zur Schonung von Straßen und Umwelt; ganz im Gegen teil: Vielfahrer werden bevorzugt, Menschen, die weniger fah ren, werden überdurchschnittlich belastet.

(Zuruf von der AfD)