Protokoll der Sitzung vom 03.05.2017

dass er die Parität bei den Zuzahlungen in die gesetzliche Krankenversicherung wiederherstellen will.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD)

Herr Schulz denkt also gar nicht daran, zu sparen, sondern er will mehr Geld,

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Das ist auch ein Sozi!)

in diesem Fall mehr Geld von den Arbeitgebern.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Parität! Verstehen Sie das Wort?)

Und die FDP? Seit Jahrzehnten trägt sie ihre Steuersenkungs forderungen wie eine Monstranz vor sich her. Wer sich in die sem Fall auf die FDP verlässt, der ist weiß Gott wirklich ver lassen.

(Beifall bei der AfD)

Natürlich wird es anschließend Steuersenkungen geben – für Architekten oder für Optiker oder ich weiß nicht, welche Kli entel Sie dieses Mal bedienen wollen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Vielleicht für Frau Weidel, wenn sie in Deutschland Steuern zahlen würde!)

Der normale Bürger wird wie in den vergangenen Jahrzehn ten mit Sicherheit nichts davon haben.

Über die CDU gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Genau diese Partei hat das Steuerabkassierungssystem – kräftig un terstützt durch die FDP, die nichts dagegen getan hat – in den letzten zehn Jahren ja so aufgebaut.

Herr Schäuble will die Steuerzahler um 15 Milliarden € ent lasten. Toll! Erstens sagt er so etwas nur im Wahlkampf. Zwei tens sagt er das, weil Wahlkampf ist. Und drittens: Selbst wenn er gegen alle Wahrscheinlichkeit diese Tarifreform tat sächlich umsetzen würde, reichen 15 Milliarden € noch nicht einmal aus, um die intrinsischen Steuererhöhungen, z. B. aus der kalten Progression, zu kompensieren, sodass im Endeffekt eine Erhöhung der Steuern übrig bleibt.

Auch das, meine Damen und Herren Abgeordneten, sagt nicht die „populistische“ AfD, sondern das sagt die OECD. Ich wie derhole: Lesen Sie es nach.

Wenn einer diese Zusammenhänge kennt, dann mit Sicherheit Herr Schäuble. Herrn Schäuble kann man mit Fug und Recht vorwerfen, dass er hier absichtlich die Wähler verdummt. „Zy nismus pur“ nenne ich das.

(Beifall bei der AfD – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Überhaupt ist Sparen ein Fremdwort in der Politik geworden. Beispiel gefällig? Mit dem Brexit scheidet einer der größten Nettoeinzahler in der EU aus. Haben Sie jedoch irgendein Wort zu irgendwelchen Bemühungen gesagt, im EU-Haushalt etwa sparen zu wollen? Nirgendwo werden auch nur im An satz Sparmaßnahmen diskutiert. Ausgemacht ist schon heute, dass im Wesentlichen der deutsche Steuerzahler diese Lücke füllen wird.

Da freuen sich dann die Nettoempfänger. 9,5 Milliarden € net to hat letztes Jahr Polen erhalten. Vielleicht hat Polen auch aus diesem Grund selbst für Alleinstehende nur eine Steuer- und Abgabenquote von 35 % – 15 Prozentpunkte weniger als wir. In Griechenland beträgt die Abgabenquote laut OECDBericht 40,2 % – und das nach all den Grausamkeiten der ver gangenen Jahre –, 10 Prozentpunkte weniger als in Deutsch land. Wer würde sich hier in Deutschland nicht über 200 € oder 300 € mehr im Monat freuen? Der Politik scheint jegli ches Bewusstsein für notwendige Ausgabendrosselungen ab handengekommen zu sein.

(Beifall bei der AfD)

Die Bürger wollen nicht den totalen Steuerstaat. Wir, die AfD, werden die finanziellen Belastungen der Bürger verringern. Wissen Sie: Wir, die AfD, setzen uns nämlich für die Bürger ein.

(Beifall bei der AfD – Oh-Rufe von den Grünen)

Die Bürger wollen nämlich etwas von ihrem Geld behalten, z. B. für den eigenen Vermögensaufbau. Der Bürger braucht Entlastungen. Das ist völlig unbestritten. Deshalb werden wir einen Gesetzentwurf einbringen, mit dem wir zunächst die Grunderwerbsteuer in Baden-Württemberg senken werden.

(Beifall bei der AfD – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Die CDU kann dann endlich zeigen, ob sie es ernst meint und mit uns stimmen will.

Auf Bundesebene ist unsere Zielsetzung eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes um sieben Prozentpunkte auf dann nur noch 12 %.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Unglaublich!)

Ich weiß genau, was Sie sagen, nämlich, dass das mit über 70 Milliarden € überhaupt nicht finanzierbar ist. Das ist in Ih rer Vorstellungswelt nicht finanzierbar. Ich sage dazu nur: Die ungeplanten Mehreinnahmen des Staates im letzten Jahr aus der offiziellen Statistik der volkswirtschaftlichen Gesamtrech

nung kommen an diese Größenordnung heran. Wir, die AfD, kündigen nicht nur an, wir machen auch etwas für BadenWürttemberg und Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Frau Kollegin Bay.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Den Titel der heutigen Ak tuellen Debatte hat die Fraktion der AfD scheinbar ganz ein fach formuliert. Aber: Das Einfache bringt weder Lösungen komplizierter Fragen, noch – das sehen wir hier – erfassen einfache Fragen komplizierte Zusammenhänge.

(Abg. Anton Baron AfD: Das erzählt uns eine Grü ne! Mein Gott!)

Der Titel der heutigen Debatte hat dementsprechend drei gra vierende Mängel: Erstens ist er inhaltlich falsch. Denn die Stu die der OECD betrachtet nicht nur die sogenannte Steuerlast, wie es die AfD ausdrückt. Vielmehr bezieht sie sich auch auf die Sozialabgaben. Sie vergleicht eben gerade nicht nur die Einkommensteuerhöhe, mit der sich so schön Politik und Po lemik machen lässt. Es ist also nichts mit „Vizeweltmeister bei der Einkommensteuer für Alleinstehende“. Hier liegt Deutschland lediglich auf dem elften Platz bei 35 Mitglieds ländern.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Aha! – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Ich rede mir die Welt, wie sie mir gefällt! Lesen Sie doch mal volkswirtschaftliche Ge samtrechnungen! – Zuruf: Man kann es ja mal versu chen! – Weitere Zurufe)

Diese Wahrheit wäre aber natürlich keine so schöne Schlag zeile gewesen. Das gebe ich zu.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Das zweite Problem der von der AfD eingebrachten Debatte: Für Einkommensteuer und Sozialabgaben ist der Bund zustän dig. Wir sind aber hier im Landtag von Baden-Württemberg. Die AfD unternimmt hier den durchsichtigen Versuch, von ih rer landespolitischen Konzeptlosigkeit abzulenken, indem sie im Landtag Bundestagswahlkampf betreibt.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Beate Böhlen GRÜ NE: Jawohl!)

Und schließlich drittens: Wie viel die Bürgerinnen und Bür ger an Steuern und Abgaben zur Finanzierung des Gemein wesens beitragen, sagt nichts darüber aus, ob in Deutschland ein dem Bürgerinteresse entgegenstehender Betrag verlangt wird.

(Zuruf von der AfD)

Entscheidend ist vielmehr, was die Bürgerinnen und Bürger für ihr Geld erwarten, was sie erhalten und ob sie das als ge recht empfinden.

(Zuruf von der AfD)

Der Titel der Aktuellen Debatte legt aber in einer Art – hören Sie gut zu – suggestiver Halbwahrheiten nahe, dass die Lage bei uns einem – natürlich von Ihnen unterstellten – Bürgerin teresse widerspräche. Doch ist das so? Betrachten wir zuerst das Thema „Verwendung von Steuern“. Ich spreche hier ba den-württembergische Beispiele an, weil wir hier im Landtag von Baden-Württemberg sind.

Erstens: In allen Bürgerumfragen rangiert das Thema Sicher heit auf einem ganz vorderen Platz. Diesem Bedürfnis kommt die grün-schwarze Landesregierung tatkräftig nach.

(Zuruf von der AfD: Deshalb bauen Sie auch in Vil lingen eine Polizeiakademie!)

1 500 neue Polizeistellen, Strukturverbesserungen bei den Si cherheitsbehörden, Antiterrorpakete, länderübergreifende Zu sammenarbeit sind Beispiele. Das Ergebnis: Baden-Württem berg ist nach den Zahlen der Kriminalstatistik das sicherste Land in Deutschland. Wir liefern also im Bürgerinteresse.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordnetenkollegen Rottmann?

Nein.

Nein.