Protokoll der Sitzung vom 03.05.2017

(Abg. Anton Baron AfD: Ach Gott, ach Gott!)

Ehrlicher – auch das wurde im Rahmen der Anhörung deut lich –, sozialer und effizienter wären nachlaufende allgemei ne Studiengebühren,

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Alexan der Salomon GRÜNE)

die für die Betroffenen erst ab dem Erreichen einer gewissen Einkommensschwelle zum Tragen kommen sollten. Ein sol cher fairer Generationenvertrag steht heute leider nicht zur Abstimmung. So bleibt bei der Verabschiedung dieses Geset zes in Anbetracht des unverhältnismäßigen Verwaltungs- und Bürokratieaufwands zu konstatieren – wie Karl Kraus, einer der bedeutendsten österreichischen Schriftsteller zu Beginn des 20. Jahrhunderts, trefflich formulierte –: „In der deutschen Bildung nimmt den ersten Platz die Bescheidwissenschaft ein.“

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Bauer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren Abgeordneten! Für die Internatio nalisierung unserer Hochschulen ist heute ein wichtiger Tag. Wir verabschieden heute ein Gesetz, das die Grundlagen da für bietet, dass unsere Hochschulen auch in Zukunft Interna tionalisierung mit voller Kraft vorantreiben können. Ich will, dass Baden-Württemberg ein attraktiver Standort für interna tionale Studierende ist und dies auch in Zukunft bleibt. Ge nau dafür, genau für dieses Ziel macht der Landtag heute ei nen wichtigen Schritt.

Lassen Sie mich zum Abschluss des Gesetzgebungsverfah rens heute deswegen noch einmal mit aller Deutlichkeit sa gen: Ich stehe auch mit meiner Person für die Freiheit der Wis senschaft, für ihre Weltoffenheit und für die besondere Inter nationalität von Wissenschaft ein.

Ich habe vor gut einer Woche auf dem March for Science – weltweit haben an über 600 Standorten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran teilgenommen, in Baden-Württem berg an vier Standorten – in Heidelberg gesprochen und da bei deutlich gemacht, dass offene Wissenschaft weltweit das Lebenselixier für Demokratie und Innovationsfähigkeit ist.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Ich kämpfe seit 20 Jahren im Landtag und auch in der Regie rung für gute Bedingungen für unsere Wissenschaft. Das tue ich auch heute. Glauben Sie mir – auch im Anschluss an die Worte des Herrn Abg. Salomon –: Ich hatte auch schon Ge setzgebungsverfahren, die mir mehr Freude bereitet haben als dieses. Dennoch möchte ich hier unseren Ministerpräsidenten zitieren: „Politik muss keinen Spaß machen, sie muss Sinn machen.“

(Zurufe: Sehr gut! – Zuruf von der FDP/DVP: Eben! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wenn es nur so wäre!)

Genauso verhält es sich mit diesem Gesetz. Ich bin überzeugt davon, dass dieses Gesetz ein wichtiger Baustein ist, um die hervorragenden Bedingungen für Lehre und Forschung in un serem Land langfristig zu sichern. Allen, die das Gegenteil behaupten, möchte ich in aller Entschiedenheit entgegentre ten und sie bitten, die Fakten in dieser Angelegenheit und in dieser zum Teil sehr emotionalen Debatte nicht aus den Au gen zu verlieren.

Lassen Sie mich deswegen noch einmal auf den Beginn un serer ausführlichen Diskussion über das Gesetz, das heute hier zur Verabschiedung vorliegt, zurückkommen. Wir sind heute in einer Situation, dass wir mit Blick auf die beiden letzten Jahrzehnte sehen können: Die Zahl der internationalen Stu dierenden hat sich kontinuierlich nach oben entwickelt. Es sind immer mehr internationale Studierende hierhergekom men. 1995 machten internationale Studierende noch etwa 6,5 % der Studierenden in Baden-Württemberg aus. Heute sind es fast 10 %, und dies in einer Situation, in der die Stu dierendenzahlen insgesamt enorm gewachsen sind. Es ist nicht zu erwarten, dass sich dieser Trend grundlegend ändern wird. Ich möchte auch betonen: Das ist gut so; diese Entwicklung ist eine positive, die wir unterstützen.

Aber: Als Regierung sind wir auch in der Pflicht, die Frage zu beantworten, wer für diesen Anstieg der Studierendenzahlen, die damit verbundenen Lehr- und Betreuungsleistungen zahlt. In der Situation, in der wir heute sind, in der jedes Ressort ei nen Beitrag zu strukturellen Einsparungen leisten muss, hat sich die Landesregierung an dieser Stelle klar entschieden: Wir wollen Einschnitte in die Qualität unserer Lehre vermei den. Deswegen benötigen wir zusätzliche Ressourcen und nicht weniger.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Genau!)

Einschnitte in die Qualität der Lehre sind eben nicht mein Weg, und sie sind auch nicht der Weg der Landesregierung. Unser Weg der moderaten Eigenbeteiligung von denjenigen, die zu uns kommen, um hier eine erstklassige Hochschulaus bildung in Anspruch zu nehmen, ist vertretbar und richtig.

Deswegen, Kollegin Rolland: Wir investieren in beste Bil dung, und wir tun dies, indem wir für zusätzliche Einnahmen sorgen. Wir können dies gegenüber denjenigen, die zu uns kommen, auch gut vertreten; denn sie wissen sehr genau: In anderen Teilen der Welt würden sie an fast allen Standorten noch deutlich mehr zahlen.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es! Gut ausgedrückt!)

Wir bewegen uns mit den geplanten Gebühren – das wissen Sie; Herr Abg. Deuschle hat zu Recht darauf hingewiesen – international im unteren Mittelfeld. In den USA zahlen Stu dierende zum Teil mehr als das Zehnfache, in China fast das Dreifache. Ich halte die moderate Eigenbeteiligung, die wir vorsehen, daher für absolut vertretbar.

Mit den Gebühren für das Zweitstudium, die in der Höhe ja noch einmal deutlich unterhalb der Gebühren für internatio nale Studierende liegen, nehmen wir eine Angleichung an die bereits bestehende Weiterbildungsgebührenpflicht vor. Wer ein Studium inklusive eines Masters abgeschlossen hat, ist – davon kann man mit Fug und Recht ausgehen – für seinen weiteren Lebensweg gut gerüstet.

Ich sehe – um das einmal deutlich zu sagen – den Staat nicht in der Pflicht und nicht in der Verantwortung, in einer Situa tion, in der wir mit begrenzten öffentlichen Ressourcen ver antwortlich umgehen müssen, über diese qualifizierte Erstaus bildung hinaus lebenslang kostenfrei Bildung zur Verfügung zu stellen, für die ja letztendlich der Steuerzahler aufkommt.

Wir legen heute den Grundstein dafür, dass sich die Hoch schulen im Bereich Internationalisierung langfristig verläss lich ausrichten können.

Mir ist schon klar: Diese Ausrichtung wird einige Zeit in An spruch nehmen. Es ist auch völlig klar: In einer Situation des Übergangs und einer Situation, in der die Rahmenbedingun gen im Detail vielleicht noch nicht ausbuchstabiert sind, in der nicht umfassend über alles informiert wurde und nicht al les kommuniziert wurde, erwarte ich keinen neuen Bewerber ansturm. Umso wichtiger ist es aber, dass wir nach der Ver abschiedung des Gesetzes heute gemeinsam mit den Hoch schulen in die Umsetzung gehen und breit informieren, für Transparenz sorgen. Wir sollten bitte mit dem Schüren von Ängsten und Verunsicherung, wie es in der Debatte – bis heu te – zum Teil der Fall gewesen ist, aufhören.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Ein Beispiel: Wer die ganze Zeit behauptet, dies sei der An fang der Einführung allgemeiner Studiengebühren, betreibt damit genau dies.

(Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Wer das tut, untergräbt sozusagen die Faktenbasierung der Diskussion und stellt

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Befürchtungen, Ängste und Unsicherheiten in den Raum, um darüber zu mobilisieren.

(Vereinzelt Beifall – Widerspruch bei der SPD – Glo cke des Präsidenten)

Deswegen möchte ich heute noch einmal sehr deutlich ma chen, wer von den Gebühren betroffen sein wird und wen wir aus guten Gründen von der Gebührenpflicht ausgenommen haben.

Gebührenpflichtig werden nur diejenigen Studierenden sein, die zum Wintersemester dieses Jahres einen neuen Studien

gang beginnen. Gebühren zahlen nur diejenigen, die zum Zwecke des Studiums einreisen. Es handelt sich also nicht um eine Gebühr für Ausländer. Die Türkin in zweiter Generation beispielsweise, die ihr Abitur in Deutschland gemacht hat, zahlt keine Gebühren. Wer einen Inlandsbezug – vergleichbar mit den Voraussetzungen für BAföG – hat, zahlt ebenfalls kei ne Gebühren. Darunter fallen z. B. auch Flüchtlinge, die nicht von der Gebührenpflicht betroffen sind.

Für die Gebühren für ein Zweitstudium gilt: Nur wer für ei nen zweiten Bachelor oder einen zweiten Master, der jeweils nicht zwingend für ein bestimmtes Berufsfeld nötig ist, neu zu studieren beginnt, zahlt dafür Gebühren.

Zusätzlich zu all diesen definierten Ausnahmen sehen wir im Gesetz zahlreiche Möglichkeiten für Befreiungen vor, insbe sondere um den wissenschaftlichen Austausch zu schützen und zu stärken und die Sozialverträglichkeit gesetzlich herzu stellen.

Da in den letzten Tagen vor allem die entwicklungspolitischen Komponenten in den Mittelpunkt gerückt worden sind, möch te ich auch diese noch einmal genauer darstellen.

Erstens: Die Hochschulen verfügen über ein Befreiungskon tingent von 5 % der internationalen Studierenden. Dieses sol len sie in relevantem Ausmaß zur Gebührenbefreiung von Stu dierenden aus den sogenannten AKP-Staaten und den Least Developed Countries verwenden. Darüber hinaus hat die Ba den-Württemberg Stiftung entschieden, für Studierende aus den am wenigsten entwickelten Ländern ein Sonderprogramm im Umfang von zusätzlich 1 Million € einzurichten. Bisher fördert die Baden-Württemberg Stiftung ja nur Stipendien, die auf gegenseitigen Hochschulabkommen beruhen. Diese Be dingung war gerade für die schwach entwickelten Länder nur schwer zu erfüllen, und deshalb ist das eine wichtige Ergän zung, die jetzt angestoßen wurde.

Wir stellen damit um vom Prinzip der Gießkannenförderung für alle auf eine gezielte Förderung derjenigen, die es sich al lein aufgrund der Lebenshaltungskosten bei uns nicht leisten könnten, ein Studium bei uns aufzunehmen. Das ist Wahrneh mung von Verantwortung, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auch noch eine Prä zisierung zum Thema „Senatsbeschluss in Freiburg“ anfüh ren. Auch dort – ich habe den Beschluss genau gelesen – hat man sich nicht per se gegen Gebühren für internationale Stu dierende oder Gebühren für ein Zweitstudium gewandt. Viel mehr hat man kritisiert, dass die Ausgestaltung der Sozialver träglichkeit und die Formulierung der Ausnahmen in die ei genen Hochschulen gelegt wurde, und man hält dies für eine Methode, die viel Aufwand und viel Bürokratie verursacht.

Ein weiterer Hinweis darauf, dass es eben nicht um die allge meine Ablehnung eines solchen Gesetzes geht, findet sich am Ende, indem der Senat sagt, er lege Wert darauf, dass nach drei Jahren eine Evaluation des Gesetzes stattfinden solle. Das sei zugesagt.

Auch Herr Abg. Salomon hat ja eine gute Anregung gegeben, die wir miteinander – auch mit der CDU-Fraktion – bereits diskutiert haben.

Wir werden für eine Begleitung dieses Gesetzes in seiner Um setzung und in seinen Auswirkungen sorgen. Wir werden auch den Blick von außen ermöglichen, um rechtzeitig Auswirkun gen erkennen und, falls notwendig, nachsteuern zu können.

Meine Damen und Herren, Gebühren für internationale Stu dierende sind europäischer Standard. Wir tun hier nichts Au ßergewöhnliches. Zweifelsohne ist das Ganze für unsere Hochschulen Neuland. Deswegen möchte ich heute die Gele genheit nutzen, unseren Hochschulen für ihren bisherigen Ein satz zu danken und auch für das, was ihnen an Umsetzungs- und Kommunikationsarbeit in den nächsten Monaten bevor steht. Ich bin überzeugt, dass sich dieser Einsatz lohnen wird, dass die 600 € pro Jahr pro Studierendem nach einer Phase, in der sich dies einspielt, auch echtes zusätzliches Geld für die Hochschulen bedeuten werden, das sie für die Betreuung der internationalen Studierenden verwenden können.

Wir werden die Hochschulen bei der Umsetzung des Geset zes nach Kräften unterstützen. Wir werden die Entwicklung in den nächsten Jahren genau beobachten und auch Experten einladen, dies gemeinsam mit uns zu tun. Ich freue mich, dass wir heute die Phase der Gesetzgebung beenden und in die Um setzungsphase starten können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Her ren, in der Allgemeinen Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 16/1617. Ab stimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Aus schusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Drucksache 16/1942. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf mit Änderungen in Artikel 1 zuzustimmen.

Ich rufe zunächst Abschnitt I der Beschlussempfehlung auf. Zu Artikel 1 und Artikel 2 liegt