Protokoll der Sitzung vom 03.05.2017

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden wir, glaube ich, indem wir konsequent alle politischen, weltanschaulichen und religiösen Symbole verbieten, dieser Intention gerecht. Alle Fachverbände der Juristen haben sich hinsichtlich des gesetz lichen Verbots positiv geäußert.

Aber: Es gibt natürlich auch innerhalb dieser Koalition eine Diskussion darüber, wie mit den ehrenamtlichen Schöffen und Richtern zu verfahren ist. Herausgekommen ist ein Kompro miss, der das Ehrenamt von dieser Regelung ausnimmt. Un ser Ministerpräsident sagt ja, dass ein politischer Kompromiss ein Wert an sich ist. Insofern kann man den Kompromiss und diesen Gesetzentwurf jetzt auch nicht kleinreden. Vielmehr haben wir hier Schritte in eine richtige Richtung gemacht. Ich möchte aber nicht verhehlen, dass die CDU-Landtagsfrakti on der Auffassung ist, dass die Regelung auch für die ehren amtlichen Schöffen und Richter hätte gelten müssen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP so wie Abgeordneten der AfD – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Genau! – Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Wir haben einen einheitlichen Spruchkörper. Jeder, der Recht spricht, hat eine Stimme. Ein bisschen neutral gibt es nicht, so, wie es ein bisschen schwanger auch nicht gibt. Entweder bin ich neutral oder nicht. Insofern, glaube ich, führt diese Re gelung durchaus auch zu Missverständnissen.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Dann hätte man es anders machen können!)

Ich glaube, dass auch eine bestimmte Angreifbarkeit da ist, indem Konflikte entstehen, die wir vielleicht im Vorhinein hät ten vermeiden können.

Dennoch hat dieser Schritt, den wir jetzt gemeinsam in dieser Koalition der Mitte gegangen sind, meines Erachtens eben diesen Wert an sich und ermöglicht uns auch weitere Diskus sionen – auch mit unserem Koalitionspartner. Wir waren der Auffassung, dass es logischer und konsequenter gewesen wä re, die Regelung auch für die ehrenamtlichen Schöffen und Richter einzuführen. Aber der Weg ist manchmal auch das Ziel.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Marion Gentges CDU: Philosoph!)

Die CDU-Landtagsfraktion setzt im Übrigen großes Vertrau en in die Ehrenamtlichen. Es ist auch eine Frage der Auffas sung, was man Ehrenamtlichen zutraut. Ich glaube, wir kön nen mit Recht stolz sein, dass wir ein ehrenamtliches Schöf fensystem haben, dass wir Menschen aus der Bevölkerung in die Rechtsprechung einbinden. Das hat einen Wert an sich, weil dadurch nicht irgendeine abgehobene Kaste entscheidet. Vielmehr binden wir die Bevölkerung in unsere Rechtspre chung mit ein.

Der Bund ehrenamtlicher Richterinnen und Richter, Deutsche Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen hat sich geäußert und gesagt, er fühle sich zurückgesetzt, weil seine Mitglieder nicht gleichbehandelt werden mit den Hauptamtlichen. Ich glaube, dass diese Diskussion zu dem Gesetz jetzt auch dazu führt, dass wir natürlich in unserer Koalition in den nächsten Jahren weiter über die Fragen reden werden. Im Übrigen wird es auch andere Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenle bens betreffen. Insofern ist diese Regelung, die wir jetzt ge meinsam gefunden haben, auch eine gute Basis dafür, weite re Diskussionen zu führen, und zwar sehr ernsthaft und abwä gend.

Wir haben auch Verständnis für die Haltung, die Kollege Fi lius formuliert hat, weil sie auch einen Zugang zu den Ehren amtlichen eröffnet, der ihnen nach diesem Verständnis eine besondere Wertschätzung entgegenbringt. In der Bewertung liegen wir da ein bisschen auseinander. Aber ich glaube, dass die gesellschaftliche Debatte sowie die Debatte mit unserem Koalitionspartner – immer im Bewusstsein, dass aus der Kraft der Mitte, die CDU und Grüne repräsentieren, gute Gesetze entstehen – weitergehen werden.

Ich danke herzlich. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Klos.

Frau Präsidentin, werte Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren hier heute in erster Lesung über den Gesetzentwurf der Koalition zur Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes. Ziel ist es, wie bereits die Vorredner ausgeführt ha ben, dem Bürger vor Gericht auch optisch die Neutralität un serer Rechtsprechung zu dokumentieren. Der Plan ist löblich.

Grundsätzlich unterstützen wir dieses Gesetzesvorhaben, ha ben aber zwei Anmerkungen.

Die erste Anmerkung bezieht sich auf den Plan, einen Unter schied zwischen Berufsrichtern und ehrenamtlichen Richtern

zu machen. Das ist eine Durchbrechung der Systematik, und das ist durch nichts gerechtfertigt. Ein ehrenamtlicher Rich ter hat exakt die gleichen Rechte wie ein Berufsrichter. Seine Stimme bei der Urteilsfindung hat genau das gleiche Gewicht wie die Stimme des Berufsrichters. Er hat auch die gleichen Rechte in der Verhandlung. Ein ehrenamtlicher Richter kann den Gang der Verhandlung beeinflussen, er kann Fragen stel len. Das heißt, er ist in das Verfahren komplett eingebunden wie der Berufsrichter. Diese Differenzierung, die hier, wie jetzt von Ihnen, Herr Dr. Lasotta, ausgeführt wurde, sozusa gen auf dem Altar des Kompromisses als Opfergabe gebracht wurde, ist systematisch einfach nicht nachzuvollziehen.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP)

Der zweite Punkt, auf den ich gern Ihre Aufmerksamkeit rich ten möchte: Wir leben hier in Baden-Württemberg, das von der christlichen Leitkultur geprägt ist.

(Beifall bei der AfD)

Über die Jahrhunderte, ja Jahrtausende hat sich diese Gesell schaft hier entwickelt.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Ja, natürlich. Die Evolution geht über Jahrtausende, werte Kollegen. Es wundert mich, dass ich das jetzt betonen muss.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Rüdiger, das wissen die nicht!)

Wir sind hier, und diese Gesellschaft hat moralische, ethische und christliche Grundlagen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Die Verbindlichkeit christlicher Verhaltenslehren ist unsere Rechtsstaatlichkeit und unsere Rechtsauffassung, die wir ei nem christlichen Menschenbild verdanken.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Damit dieses christliche Menschenbild, diese Werteordnung, aber Bestand hat, muss es verteidigt werden. Und verteidigen heißt, wir müssen auch die Symbole dieser Wertegemeinschaft verteidigen.

Ganz vorn bei den Symbolen steht das Kreuz. Es kann nicht sein, dass wir Gesetze erlassen, die dazu führen, dass die mo ralischen Grundpfeiler, auf denen diese Gesellschaft fußt, ent fernt werden müssen.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD – Weitere Zurufe von der SPD)

Kurz zur Historie: Warum ist es zu dieser Gesetzesinitiative gekommen? Wie schon ausgeführt: Eine muslimische Rechts referendarin hatte vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen ein Kopftuchverbot für Richter geklagt. Jetzt frage ich Sie und hinterfrage einmal das Ganze: Wie kommt diese Person dazu, sich hinzustellen und zu erwarten, dass wir als Mehrheit, als gewachsene Gesellschaft uns nach ihren Wünschen zu rich ten haben?

(Beifall bei der AfD)

Ich sage es Ihnen: Es ist ein – sagen wir es einmal so – Kampf begriff, den die Grünen eingeführt haben. Sie haben nämlich das Wort „Toleranz“ eingeführt,

(Abg. Jürgen Filius GRÜNE: Ist Toleranz ein Kampf begriff?)

haben es aber ausgehöhlt und seinen Kern, seine ursprüngli che Bedeutung entfernt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, darf ich zitieren:

Es breitet sich eine neue Intoleranz aus, das ist ganz of fenkundig. Es gibt eingespielte Maßstäbe des Denkens, die allen auferlegt werden sollen.... Also etwa, wenn man sagt, der negativen Toleranz wegen darf es kein Kreuz in öffentlichen Gebäuden geben. Im Grunde erleben wir da mit die Aufhebung der Toleranz; denn das heißt ja, dass der christliche Glaube sich nicht mehr sichtbar ausdrü cken darf.

(Zuruf des Abg. Jürgen Filius GRÜNE)

Seien Sie vorsichtig; Sie wissen nicht, wer das gesagt hat. Es war Papst Benedikt, nun Emeritus.

(Beifall bei der AfD)

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum Schluss kommen: Wenn Sie es mit der Neutralität der Gerichte wirk lich ernst meinen, dann folgen Sie dem AfD-Grundsatzpro gramm,

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen)

und beenden Sie die Einflussnahme der Parteien auf die Er nennung von Richtern und Staatsanwälten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Sehr gut! Klasse!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Binder.

(Zuruf: Kommen wir wieder auf den Boden!)

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Zunächst zu dem Herrn von der AfD-Frak tion: Vielleicht wissen Sie nicht, wie in Baden-Württemberg Richter gewählt werden. Bei streitigen Verfahren geschieht dies im Richterwahlausschuss, bei dem die Juristen, die Ver treter der Richter und Rechtsanwälte, die Mehrheit gegenüber den Abgeordneten haben, die in diesen Wahlausschuss ent sandt werden. Insofern brauchen Sie uns hier in Baden-Würt temberg darüber nicht belehren zu wollen.