Doch diese leben noch immer in einer abstrusen EU-Bürokra ten-Traumwelt. Der angesprochene Reflexionsprozess wird eben nicht ergebnisoffen sein. Die vorbestimmte Richtung bleibt leider klar, nämlich mehr Zentralismus, Einmischung und Macht von Brüssel sowie Zwangsgleichmachung der EUMitgliedsstaaten. Egal, was die Leute sagen.
Sie werden es uns, der AfD, und mündigen Bürgern nachse hen müssen, dass wir diesen derzeit leider noch herrschenden Parteien, die schon in der Vergangenheit ein Übermaß an Überregulierung, EU-Zentralismus und Bürokratie zugelas sen, ja sogar gefördert haben, auch hier keinerlei Vertrauen entgegenbringen können.
Auch die Aufstockung des Finanzrahmens zeigt, wo die Pri oritäten der EU liegen: annähernd vier zusätzliche Milliarden für Migrationsprobleme und angebliche Migrationsursachen. Vor bald zwei Jahren hat Angela Merkel die Grenzen geöff net – für mehr als eine Million größtenteils unkontrolliert He reinströmende, ohne Rücksicht auf die Auswirkungen bei spielsweise auf unsere innere Sicherheit. Merkel hat damit ei ne Migrationswelle ausgelöst, die sich nicht nur auf Deutsch land, sondern auf ganz Europa ausgewirkt hat. Von einer ir gendwie gesellschaftlich tragbaren oder gar nachhaltigen Lö
Wie in Baden-Württemberg und in Deutschland versucht man auch in Brüssel, durch Geld und durch eine Symbolpolitik ei ne Verantwortung von sich zu weisen. Damit dürfte nieman dem geholfen sein – außer dem Gewissen einer Herrschercli que und den Vertretern der „Asylindustrie“. Die Umvertei lungspolitik der EU entlastet keinen Staat spürbar und belas tet vor allem Deutschland. Also auch hier
aus Brüssel nichts Neues. Doch der Unmut breiter Bevölke rungsteile in Europa wird inzwischen wenigstens wahrgenom men. Jetzt fehlt nur noch, dass dieser Unmut auch ernst ge nommen wird und dass irgendwelchen blumigen, beschöni genden und beruhigenden Bundestagswahlkampfversprechen dann auch ebensolche Taten folgen – was mich, mit Verlaub gesagt, jedoch sehr stark zweifeln lässt.
Vielen Dank. – Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wer morgens unvoreingenommen die Zeitung aufschlägt und dann eine solche europaabgewandte Rede hält, kann eigentlich nicht von dieser Welt sein, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Schaut doch mal euren Schulz an, was er aus Europa ge macht hat!)
Die dringliche Lage Europas, Kolleginnen und Kollegen, lässt keinen bloßen Rückblick auf das erste Quartal 2017 zu, dem der Europabericht ja eigentlich galt. Ich möchte mich deshalb für die SPD-Landtagsfraktion zu einigen aktuellen politischen Positionen äußern, welche Baden-Württemberg massiv betref fen, innereuropäisch, transatlantisch und auch global.
Ausgangsposition ist unsere Eigenwahrnehmung. BadenWürttemberg ist mehr als das fleißig-merkantile Exportland, das Waren in die Welt exportiert, um damit für sich zu Recht wohlhabend zu werden und auch eigen zu bleiben. BadenWürttemberg ist ganz im Gegenteil heute das soziale und öko nomische Labor im Herzen Europas, das auf Dauer nur dann Erfolg hat, wenn es „international verflochten“ nicht nur öko nomisch, sondern auch sozial und kulturell definiert, wenn es seine Interessen verfolgt und andere Interessen versteht und respektiert. Zu lange hat Baden-Württemberg sich verkürzt definiert und etikettiert, weil es halt in den Kram gepasst hat, weil es bequemer war. Damit, meine Damen und Herren, muss in der heutigen Weltlage Schluss sein.
Wir brauchen eine neue Definition der Interessen in Deutsch land und in Baden-Württemberg sowie eine neue Deutung un serer Rolle in Europa und global. Wer das Europa der Regio nen will, wer von Subsidiarität redet, kann sich aus dieser De batte nicht ausklinken und sagen: Das macht Berlin; das ist Außenpolitik. Dann muss man diese Debatte vielmehr auch hier im Landtag von Baden-Württemberg führen, was die Rol le Baden-Württembergs in der Welt ist, meine Damen und Herren. Ich sehe nicht – aber ich lasse mich überraschen –, dass die grün-schwarze Landesregierung dazu die Kraft, die Fantasie oder die Einigkeit besitzt; jedenfalls habe ich nichts dergleichen gehört, wenn ich einmal von dem Geständnis des Ministerpräsidenten absehe, dass er jeden Tag für die Bundes kanzlerin bete. Ansonsten würde ich mir wünschen, dass wir hier Kante zeigen.
Das brauchen wir nicht. – Weil wir klare Positionen anstel le von seichter Rhetorik brauchen, Herr Kollege, möchte ich für unsere Fraktion einige Dinge beleuchten. Erstens: Was wünschen wir uns an den außereuropäischen Grenzen? Zwei tens: Was ist Baden-Württembergs transatlantisches Interes se? Drittens: Welches Europa wollen wir eigentlich?
Zur ersten Frage: Alle aktuellen Krisen – Ukraine, Nahost und Griechenland – sind an der europäischen Haustür verortet. Un ser Land hat wirtschaftlichen Erfolg und sichert damit Arbeits plätze, wenn wir hier wieder Stabilität haben. Für die USA und China sind die Krisenherde aber weit entfernt, und für Russland ist Stabilität nicht unbedingt wünschenswert.
Sie alle können mit Instabilität in Europa gut leben. Es ist nicht deren Interesse, Stabilität in Europa zu haben – unseres schon. Deshalb muss Baden-Württemberg, Kolleginnen und Kollegen, ein Interesse an einer gemeinsamen europäischen Außen- und Verteidigungspolitik haben. Das ist doch ganz klar.
Ich würde mich schon freuen, wenn es zur Frage „Mehr oder weniger Europa?“ eine Position der Landesregierung gäbe.
Nächster Punkt: Wie antworten wir auf die Migrationsheraus forderungen der kommenden Jahre? In den Ländern Schwarz afrikas – von Staaten kann man ja wohl oft kaum mehr spre chen – darben und warten 200 oder 300 Millionen Menschen, potenzielle Flüchtlinge, die vielleicht bald aufbrechen. Be kämpfung der Fluchtursachen ist ein wohlfeiler Begriff ge worden. Wir warten – –
Herr Kollege, Sie können gern immer ein bisschen dazwi schenreden, aber besser wird es dadurch nicht.
Wir warten auf die konkreten Ansagen im Landeshaushalt 2018/2019, wir erwarten ein Konzept zum Thema Afrika, wie Baden-Württemberg mit dem Mittelstand und Handwerk spe zifische Beiträge für unseren Nachbarkontinent Afrika leisten kann. Wir werden es nicht allein heben können, aber Tatsache ist, dass ich gern schon einmal sehen würde, was von unse rem Land aus passiert, meine Damen und Herren. Wir warten auf Ihre entsprechenden Initiativen.
Zur Türkei – Stichwort Außengrenzen –: Wenn Außenminis ter Gabriels letzte Versuche nicht fruchten, muss die Militär basis Incirlik geräumt werden.
Ein Zwischenton: Ich kann die Sorge der Türken hierzulande zwar nicht verstehen und akzeptieren, aber dennoch nachvoll ziehen, wenn sie sich für ihr Herkunftsland Autorität und Ord nung wünschen. Wir haben die Ergebnisse des Referendums noch in Erinnerung. Bei Einschränkungen von Menschenrech ten und demokratischen Freiheiten – gerade wenn es um die Todesstrafe geht – ist aber die rote Linie überschritten, meine Damen und Herren.
Dann müssen wir in Baden-Württemberg mit den hiesigen tür kischen Landsleuten darüber reden, entweder in Moscheen oder besser auf politischen Veranstaltungen.
Die Zeit rennt davon. – Mein zweiter Punkt: unser transatlan tisches Interesse. Hier in Stuttgart hat Byrnes die „Speech of Hope“ gehalten. Das war unser Wiedereintritt in die Weltge meinschaft und den Wohlstand. Auch nach 70 Jahren gibt es dafür nur pure Dankbarkeit. Aber seit den späten Siebziger jahren wandelt sich Amerika: mehr mit Bezug nach innen und wenn nach außen, dann eher Richtung Pazifik. Das ist auch klar. Das liegt an der hispanischen Bevölkerung und anderem. Wir sind nicht mehr so präsent in Amerika.
(Abg. Anton Baron AfD: „Wir sind nicht mehr so prä sent in Amerika“! Das ist lächerlich! So ein Quatsch!)
Deswegen muss man etwas dafür tun. Trump ist vielleicht der bizarrste und exzentrischste Vertreter, den wir jemals kennen gelernt haben. Aber dass es distanzierte US-Präsidenten gibt, ist nichts Neues für uns. Das hat sich angedeutet. Deshalb ra te ich zu weniger Pseudoüberraschung und rate eher dazu, uns dazu zu bekennen, in Amerika auch präsent zu sein und dort auch in die Meinungsbildung zu gehen,
z. B. dort, wo es den Swing bei den Wahlen gab, rund um die Großen Seen in altindustrialisierten Gebieten, wo man sich natürlich die Frage stellt: Wie sieht es mit dem Leistungsbi lanzüberschuss von Deutschland aus? Das sind die Themen, die gerade eine Rolle spielen.
Deswegen sage ich: Wir brauchen eine klare Definition unse rer Interessen gegenüber Amerika, aber der Amerikadialog als
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE – Glocke des Präsidenten)
Herr Präsident, ich respektiere Ih ren Hinweis. – Wir brauchen keine Diskussion darüber, ob wir die Variante 3 oder 4 aus dem Weißbuch favorisieren; wir brauchen vielmehr eine Diskussion, dass wir in Baden-Würt temberg Ja sagen zu Europa. Wir brauchen in unserem Inter esse auch ein gezieltes Mehr an Europa.