Herr Präsident, meine Damen und Herren! Europa, die Wertegemeinschaft, Menschenwürde, Demokratie: Heißt das, dass die Briten die Menschenwürde jetzt weniger authentisch vertreten, wenn sie nicht mehr in der EU sind? Heißt das, dass die Norweger, die Schweizer schlechtere Demokraten sind als die „Supereuro päer“, die Deutschen?
So etwas kann man doch nicht in den Raum stellen, meine Da men und Herren! Sie verknüpfen hier eine Organisationsform mit bestimmten Werten, ja noch schlimmer: Sie unterstellen, dass man diese Werte nur realisieren kann, wenn man diese bestimmte Organisationsform – die Organisationsform der EU – annimmt.
So ein Kappes! Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Diese Mo ralisiererei der EU, dieses pastorale Gehabe, diese Wertehyb ris sind entscheidende Punkte dafür, dass die EU bei den Leu ten so unglaubwürdig ist und dass sie immer mehr Menschen im Land auf den Senkel geht, und zwar ganz gehörig.
Davon sollten wir Abstand nehmen. Nun sagt man: „Ja, wir haben doch den Friedensnobelpreis gewonnen, da muss doch was dran sein.“ Meine Damen und Herren, der Friedensno belpreis wird immer mehr zur Farce, wenn das so weitergeht. Wenn die EU einen Nobelpreis verdient, dann würde ich vor schlagen: den für moralische Hochnäsigkeit und für schein heilige Selbstüberschätzung.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa und Internationales, Drucksache 16/1987. Der Ausschuss für Europa und Internationales schlägt Ihnen vor, von der Mitteilung des Ministeriums der Justiz und für Europa, Drucksache 16/1958, Kenntnis zu nehmen. – Sie stimmen dem zu.
Antrag der Fraktion der SPD – Die Ehe auch für gleich geschlechtliche Paare öffnen – Drucksache 16/890
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn zwei Menschen aus Liebe Ja zueinander sagen, ist das etwas Wunderbares.
Wenn zwei Menschen nicht nur zusammenhalten, sondern auch füreinander einstehen, ist das etwas Wunderbares. – Ir gendwie habe ich gewusst, dass dann, wenn man hier über die Liebe spricht, sofort die Grünen wieder wach werden.
Das Institut der Ehe schützt dieses Paar, und unser Staat, des sen Grundgesetz in der letzten Woche Geburtstag hatte, schützt dieses Institut der Ehe. Das Grundgesetz mit seiner klaren Haltung zu Demokratie, Toleranz, Gleichberechtigung, Anti diskriminierung und Menschenwürde hat auch die Ehe, die Lebens-, die Wirtschafts-, die Verantwortungsgemeinschaft zweier Menschen in seine Grundrechte gestellt, und es ist ein Skandal, dass dieses Recht Lesben und Schwulen auch im Jahr 2017 weiter vorenthalten wird.
Das sehen 83 % der Bevölkerung so. 83 % der Bevölkerung sagen: „Es gibt keine Liebe erster und zweiter Klasse. Es ist respektlos, Lesben und Schwulen das Recht auf Ehe und ge meinsame Adoption von Kindern abzusprechen.“ 83 % der Bevölkerung sagen: „Wir wollen die Ehe für alle.“ Das ist die eindeutige Mehrheit.
Zu diesem Anteil von 83 % ist es nicht von allein gekommen. Die 83 % stehen als Zwischenerfolg eines langen Weges des Protests, der Niederlagen, der Erfolge, der Diskussionen und der kleinen Schritte. Sie wurden wortwörtlich überzeugt von den Emanzipationsbewegungen und den CSDs, den vielen In itiativen, den Gruppen vor Ort, den Freundinnen und Freun den im Bekannten- und Kollegenkreis, von den Regenbogen familien und von mutigen Demokratinnen und Demokraten an den Infoständen, auf den Protestzügen, in den Parteien.
Diese Mehrheit wurde auch mit dem Blick in unsere Nach barländer erkämpft. Denn wir empfinden es zu Recht als Bla mage, dass die Ehe für alle westlich und nördlich von uns Nor malität ist und wir in Deutschland ins Hintertreffen geraten sind. 14 Staaten in Europa haben die Ehe für alle. Diese Mehr heit in der Bevölkerung von 83 % wurde auch von BadenWürttemberg mit erkämpft,
von einem Land, das seit 2011 auf besonders nachhaltige und glaubwürdige Weise an der Seite derer stand und steht, die sich für Akzeptanz, Toleranz und gleiche Rechte einsetzen. Dazu gehört die Ehe für alle. Unser Land hat nicht nur mit dem Aktionsplan unter Sozialministerin Katrin Altpeter, der sich zu einem gelingenden Aktionsbündnis weiterentwickelt hat, und der Reform des Bildungsplans unter Kultusminister Andreas Stoch, der Öffnung aller Standesämter für die Ein tragung der Lebenspartnerschaft, der Angleichung der Beihil fe und der Hinterbliebenenversorgung, sondern auch mit ei nem Gesetzentwurf für die Ehe für alle im Bundesrat deutlich gemacht, was es heißt, für eine diskriminierungsfreie und to lerante Gesellschaft politisch und faktisch einzutreten.
Es ist gut und glaubwürdig und wichtig, wenn aus BadenWürttemberg immer wieder aufgezeigt wird, dass man es nicht
länger akzeptieren kann, wenn ein Teil der Bevölkerung in un serem Land diskriminiert wird. Aus diesem Grund hat sich die grün-rote Landesregierung 2011 den Einsatz für die Ehe für alle auf die Fahnen geschrieben. Es ändert nichts an der Zu ständigkeit des Bundes, wenn die Länder immer wieder klar Haltung beziehen. Denn dass ein Teil der Bevölkerung in un serem Land fortlaufend diskriminiert wird, hat die Landesre gierung und hat das Landesparlament zu beschäftigen.
Ein Signal aus Baden-Württemberg unterstützt die, die sich jeden Tag dafür einsetzen, dass die Ehe für alle endlich um gesetzt wird.
Um es ganz deutlich zu machen: Wenn wir das heute beantra gen, geht natürlich ein Fingerzeig nach Berlin. Es wäre frus trierend, wenn es in dieser Legislaturperiode im Bundestag nicht gelingen würde, eine Reform zu beschließen.
Es wäre frustrierend für die Menschen, frustrierend für mei ne Partei. Auch in dieser Legislaturperiode – das ist aber auch die ganze Wahrheit – kann es – –
(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Da gibt es ja gera de viele Frustrationen für die SPD! – Glocke des Prä sidenten)
Auch in dieser Legislaturperiode gab es Fortschritte. Ich möchte nur die dringend gebotene Reha bilitierung der Opfer des § 175 StGB erwähnen, die im Bun desrat vor allem durch den Einsatz von Berlin und Nieder sachsen noch fundierter aufgestellt werden konnte und der auch Baden-Württemberg zustimmte. Dass der Staat nun an erkennt, dass massiv Unrecht gesprochen und zu Unrecht ver folgt wurde, und den Opfern eine Entschädigung zahlt, ist menschliche und rechtliche Pflicht.
Ich sage ganz offen: Dadurch wird einmal mehr auch deut lich: Es hat noch keine SPD-Regierungsbeteiligung im Bund oder im Land gegeben, ohne dass es relevante Fortschritte bei der Gleichstellung gegeben hat.
Weil uns noch dieser letzte Meter zur Ehe für alle fehlt, sage ich: Entweder wir schaffen das in dieser Legislaturperiode, oder – wenn uns das nicht gelingen sollte, Herr Kollege – wir schaffen das in den ersten 100 Tagen der neuen Legislaturpe riode,