Herr Minister, vielen Dank für das Zulassen der Zwischenfrage. – Ich freue mich über die Aussage, man freue sich darauf, dass das Thema in den Bundesrat kommt. Mich würde nur interessieren: Wird die Landesregierung dem Ganzen im Bundesrat dann auch insgesamt zustimmen? Oder artikulieren Sie gerade nur die Meinung des Ministeriums der Justiz und für Europa?
Wir werden diese Entscheidung der baden-württembergischen Landesregierung – so, wie wir dies immer tun – sehr präzise und gründlich vorbereiten.
Ich werde als Europaminister in diesem Entscheidungspro zess dafür werben, dass wir zustimmen. Aber das ist zum der zeitigen Moment eine in der Landesregierung noch nicht ab gestimmte Position.
Ich sage in dieser Situation nur: Wenn wir uns ständig darü ber auseinandersetzen, wie wir auf die amerikanischen Bemü hungen um Isolationismus und Abschottung reagieren, dann ist jetzt die Stunde, darüber nachzudenken, wie wir in Euro pa ein Zeichen der Zusammengehörigkeit und des gemeinsa men Miteinanders setzen. Diese Stunde ist jetzt gekommen, und dazu haben wir nun die Chance.
Dass wir in diesem Prozess – das haben wir des Öfteren ge sagt – auf die Sorgen der Bürger, auf die Herausforderungen vor Ort eingehen müssen, ist selbstverständlich. Freihandel ist kein Selbstzweck, und die EU tut gut daran, die Mitglieds staaten zu beteiligen; auch das ist angeklungen; Kollege Frey hat die verstärkten Anforderungen auch an eine föderale Be teiligung benannt.
Ich begrüße deshalb auch das Gutachten des EuGH vom 16. Mai 2017 zum Handelsabkommen der EU mit Singapur. Der Gerichtshof hat über den Einzelfall hinaus klargestellt, dass die nationalen Parlamente zu beteiligen sind, wenn kom plexe Handelsabkommen vereinbart werden.
Diese Rückkopplung an die europäische Basis, an die Bedürf nisse der Bürger ist zwingend notwendig. Wir vonseiten der Länder haben damit im Bundesrat die Möglichkeit und die
Pflicht, uns unserer innerstaatlichen Verantwortung zu stellen und im Interesse der Menschen und der Unternehmen im Land die richtigen Weichen zu stellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht sind die geschil derten äußeren Herausforderungen der nötige Impuls, der Eu ropa von seiner Nabelschau befreit und Europa aus seinen in neren Querelen, ja, seiner zeitweise spürbaren Verzagtheit he rausholt.
Europa muss wieder spüren, dass es selbst Verantwortung auf allen Feldern übernehmen und von der Reflexion wieder in die Aktion kommen muss. Dafür braucht Europa einen star ken Motor. Ich bin froh, dass seit der Wahl Emmanuel Mac rons der deutsch-französische Motor wieder anspringt und Berlin und Paris wieder eine Achse bilden. Es kommt mehr denn je auf Europa an.
wünschenswert, dass Sie sich auch mit den positiven Aspek ten Europas auseinandersetzen. Nicht nur motzen, mitwirken! Das ist die Devise für Europa, liebe Kolleginnen und Kolle gen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Mitwirken? Das sind doch Abnickparlamente! Un glaublich!)
Kollege Hofelich hat zu Recht das Verhältnis zur Türkei an gesprochen. Ich muss gestehen, das treibt natürlich auch mich und die Landesregierung derzeit wie kaum ein anderes The ma um. Wir haben mit großer Sorge – –
Vielen Dank, Herr Minister. – Das ist eine Frage, die ich teilweise auch den Vorrednern stel len müsste: Inwieweit unterscheiden Sie zwischen Europa und der EU? Denn wir, die AfD, tun das. Wir kritisieren nicht Eu ropa, sondern die EU. Unterscheiden Sie zwischen Europa und der EU?
Ich habe meine Zweifel – ob das für Sie gilt, weiß ich nicht –, ob Ihre Partei immer diese saubere Differenzierung zwischen Europa und Europäischer Union vornimmt.
Ich habe auch im Zuge der französischen Wahlen manches aus Ihren Reihen gehört, was mich daran zweifeln lässt. Europa
das andere ist die Institution. Aber ich finde, wir sollten auch nicht alles an dieser Institution schlechtreden. Denn wer die Europäische Union schlechtredet, schadet auch Europa.
(Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Rein hold Gall SPD)
Ich will noch einmal auf den Kollegen Hofelich zurückkom men, was das Verhältnis zur Türkei angeht. Liebe Kollegin nen und Kollegen, Europa muss mehr denn je auch Kante zei gen, wenn es um die Wahrung europäischer Werte geht.
Wenn sich ein Volk mehrheitlich für ein neues Präsidialsys tem entscheidet – übrigens mit einer weit überdurchschnittli chen Mehrheit der in Deutschland lebenden Türkinnen und Türken; daher treibt mich nachhaltig die Frage um, ob da nicht in Sachen Integration etwas völlig schiefgelaufen ist –
und die erste Konsequenz dieses neuen Präsidialsystems in der Türkei ist, dass der Präsident die Einführung der Todes strafe ankündigt, dann hat dieses Land nach meinem Verständ nis mit der europäischen Werteordnung nichts mehr zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Eines der für Europa wichtigen Zukunftsthemen ist zweifels ohne der Brexit. Nach der Phase der politischen Bewertung des Brexits für Europa und für unser Land – Kollegin Felder hat die Brexitfolgenabschätzung der Landesregierung ange sprochen – beginnt nun die Phase der konkreten Verhandlun gen. Die erste Sitzung der Ratsarbeitsgruppe Brexit hat am 23. Mai stattgefunden. Die ersten Verhandlungen mit Groß britannien werden direkt nach den dortigen Wahlen Mitte Ju ni erwartet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht hat sich Theresa May ein bisschen verzockt. Wenn man die Stimmungslage in Großbritannien kurz vor den Wahlen anschaut, dann muss man sagen: Das Ergebnis dieser Wahlen könnte dazu führen, dass der zukünftige Prozess in Großbritannien noch schwieriger wird. Wir stehen jedenfalls vor komplexen und schwierigen Zeiten.
Wir sind weiter mit dem Bund in Verhandlungen, um die Be teiligung der Länder an den Brexitverhandlungen sicherzu stellen. Doch noch gibt es erhebliche Widerstände vonseiten des Bundes. Als überzeugter Landespolitiker sage ich: Ich er warte von unserer Bundesregierung, dass sie in einem solchen Prozess die berechtigten Belange und Interessen der Länder nicht ausblendet, sondern sie mit an den Tisch nimmt, wenn es darum geht, über die Folgen des Brexits zu befinden. Auch das hat etwas mit funktionierenden föderalen Strukturen zu tun.
Wir treffen uns noch an diesem Freitag mit Staatsminister Roth vom Auswärtigen Amt in Berlin, und wir werden auch dort aus dem Kreis der Europaminister nochmals klar auf die zwingende Beteiligung der Länder hinweisen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich einen letz ten Aspekt ansprechen. Es geht mehr denn je darum, dass wir – neben all der rationalen Positionierung zu Europa – aus Eu ropa auch wieder eine Herzenssache, eine Herzensangelegen heit werden lassen. Ich glaube, da gibt es auch im eigenen Land viel zu tun. Wir müssen den Menschen die Errungen schaften der europäischen Einigung verdeutlichen. Das sind im Großen Frieden, Freiheit und Wohlstand. Aber noch spür barer ist Europa im Kleinen: Offene Grenzen, kommunale Partnerschaften, Austauschprogramme für Schüler und Stu denten machen aus der Idee von Europa ganz konkrete All tagserfahrungen. Diese Stärken Europas müssen wir kommu nizieren.
Das Staatsministerium und das Europaministerium werden ei nen flächendeckenden Prozess anstoßen, der Europa wieder positiv ins Gespräch bringen soll. Mit Bürgerdialogen, Exper tenforen wollen wir über die Zukunft Europas diskutieren, den Menschen verdeutlichen: Nie war es wertvoller als heute, sich über die Zukunft Europas Gedanken zu machen.
Wie gut die Kommunikation der schönen Seiten Europas funk tioniert, haben wir Anfang Mai anlässlich der Europawoche gesehen. Es gab zahlreiche Aktionen mit kleineren und größe ren Partnern, mit den Kommunen, den anderen Ressorts und vielen Akteuren. Es freut mich auch als Europaminister, Herr Präsident, dass der Landtag von Baden-Württemberg in Eu ropathemen so aktiv ist, beispielsweise mit Veranstaltungen und Debatten in der Europawoche. Wir müssen Europa im mer wieder ganz bewusst zum Thema machen.
Was mich in besonderer Weise freut, ist das aktuelle Interes se von Schulen, von Schülerinnen und Schülern an Europa. So wollten auch an der Europa-Jugendveranstaltung des Land tags weit mehr Schulen teilnehmen, als letztlich möglich war.
Ich bin der festen Überzeugung: Viele junge Menschen mer ken zunehmend, dass zahlreiche Annehmlichkeiten ihres All tags unmittelbar mit Europa und der europäischen Einigung zusammenhängen. Sie spüren, dass die Angriffe der Populis ten auf Europa nicht nur anonyme Institutionen, sondern ganz direkt ihre Art zu leben bedrohen. Die Europäerinnen und Eu ropäer wehren sich – an der Wahlurne, in der Öffentlichkeit. Ich bin überzeugt, die Krisen der vergangenen Jahre bilden inzwischen ein europäisches Bewusstsein heraus, das klar sagt: Wir lassen uns Europa, wir lassen uns dieses Projekt für Frieden, Freiheit und Wohlstand nicht kaputt machen. Gut so!