Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte der grü nen Fraktion danken, dass sie das Thema „Biodiversität und Naturschutz“ in diesem Haus immer wieder auf die Tagesord nung bringt. Denn es ist in der Tat ein Problem, das wir aner kennen und angehen müssen. Aktuelle Debatten sind dazu ge eignet, dies auch einer breiten Öffentlichkeit kundzutun.

Das erste Buch Mose, das Buch Genesis, beginnt mit den Wor ten: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Damals ha ben die Menschen gedacht, dass man all das, was man sieht, in sechs Tagen erschaffen kann; denn am siebten Tag ist ja Sonntag – da hat man damals noch nicht eingekauft. Aber in sechs Tagen ist das alles nicht entstanden; das wissen wir spä testens seit Charles Darwin mit seiner Evolutionstheorie, der uns gezeigt hat, dass sich die Arten deswegen entwickelt ha ben, weil sie sich ihrem Lebensumfeld angepasst haben.

Dann gab es einen Gregor Mendel, der ein bisschen getrickst hat. Er hat die Natur ein bisschen überlistet, indem er Erbsen und später auch andere Früchte ganz intelligent miteinander verknüpft hat. Er hat gezeigt, dass wir bestimmte Eigenschaf ten erzüchten können. Beispielsweise können wir dafür sor gen, dass Weizen nicht nur in bestem Klima wächst, sondern auch dann, wenn es etwas zu feucht, etwas zu trocken oder et was zu kalt ist.

Das ist letztlich die Grundlage dessen, was wir heute sehr er folgreich an unserem Standort an der Universität Hohenheim immer noch tun. Machen wir uns nichts vor: Dieser kleine Trick, den uns Herr Mendel gezeigt hat, hat dafür gesorgt, dass wir zumindest in Europa den Hunger besiegen konnten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD und Reinhold Gall SPD)

Wir können heute mehr Menschen ernähren als jemals zuvor, und wenn es in Ostafrika eine Hungersnot gibt, dann gibt es sie nicht deshalb, weil der Boden die Menschen nicht ernährt, sondern weil die Politik verhindert, dass Lebensmittel dort an kommen, wo sie benötigt werden. Wir haben den Hunger be siegt, aber wir bezahlen dafür einen hohen Preis.

Da sind wir beim Thema Biodiversität. Im ersten Buch Mose – Genesis – steht auch, dass wir uns die Welt untertan machen sollen und sie beherrschen sollen. Wir wissen alle, dass der gute Herrscher dafür sorgen muss, dass auch der Kleinste in seinem Reich etwas zum Leben hat. Und mit dem Kleinsten meinen wir nicht nur den kleinsten und „geringsten“ Men schen, sondern wir meinen auch das kleinste und geringste Lebewesen. Deswegen ist es unser Auftrag – Herr Schwarz hat schon darauf hingewiesen; egal, von welcher Seite man kommt, es ist wichtig –, die Schöpfung zu bewahren.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Aber für die CDU-Fraktion besteht eben der Naturschutz nicht darin – das ist an diesem Punkt sehr wichtig –, die Probleme zu benennen und sie zu beklagen. Es ist keine Lösung, auf die Straße zu gehen und zu skandieren, dass irgendwelche Pesti zide verschwinden müssen, wenn am Schluss nichts erreicht wird. Die Frage ist: Was tun wir, um die Lebensmittelsicher heit zu einem Preis zu gewährleisten, den die Bevölkerung zu bezahlen bereit ist, und zugleich das Ziel der Biodiversität zu erreichen?

Diesem Thema widmen wir uns nicht erst seit gestern. Seit Rio 1992 ist das Thema „Nachhaltigkeit und Biodiversität“ auch international gesetzt. Schon Minister Weiser hat den Hobbygärtnern verboten, Pestizide zu verwenden. Die Nach haltigkeitsstrategie des Landes Baden-Württemberg geht auf Tanja Gönner 2007 zurück, das Biosphärengebiet Schwäbi sche Alb geht auf Günther Oettinger zurück, und die Öko punkteverordnung, die wir gerade evaluieren, geht ebenfalls auf Tanja Gönner zurück. Sie ist z. B. ein sehr wichtiges Ins trument in dieser Zeit, um genau das zu tun, was wir unter Landwirtschaft und Landschaftsschutz verstehen.

Wir müssen auf der einen Seite die Agrarflächen erhalten und sie effektiv gestalten. Aber wir müssen auf der anderen Seite einen Ausgleich schaffen. Deswegen ärgert es mich, wenn in dem gestern vom Bundesamt für Naturschutz vorgelegten Ag

rar-Report, der pünktlich zur heutigen Debatte hier und zur morgigen Debatte im Bundestag kommt, eine Kehrtwende in der Agrarpolitik gefordert wird, und zwar mit dem Argument, die Biodiversität auf agrarisch genutzten Flächen gehe zurück. Es ist kein Wunder, dass auf agrarisch genutzten Flächen die Biodiversität zurückgeht. Die Frage ist aber: Wenn die Biodi versität zurückgeht, was tun wir, um die Biodiversität an ei ner anderen Stelle zu schützen?

Da sind wir bei der Frage, was wir tun können. Wenn wir, lie ber Herr Schwarz, schon über das Geld reden und uns auch der NABU gestern mit einer aktuellen Pressemitteilung hier zu versorgt hat, müssen wir dafür sorgen, dass das Geld dort ankommt, wo die Landschaft gepflegt wird.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig!)

Wir verlieren zu viel Geld für Juristerei, wir verlieren zu viel Geld für Gutachten, zu viel Geld in der Naturschutzverwal tung. Das ist nicht die Schuld von Herrn Untersteller, sondern das ist letztlich auch die Schuld des Regelwerks. Wenn wir hier mehr Effizienz erzielen würden, würde auch mehr Geld beim Bauern ankommen, der im Moment teilweise die Wie sen mäht, die er mähen muss und mähen soll, aber am Schluss fehlt das Geld, um ihm die Prämie dafür zu bezahlen.

Wenn 97,5 % unseres Landes Kulturlandschaft sind und 50 % des Landes von Bauern bewirtschaftet werden, müssen wir aufhören, die Bauern ständig an den Pranger zu stellen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der AfD)

Denn jemanden, mit dem ich versuche, einen Vertrag zu schließen, jemanden, den ich bitten möchte, seinen Beitrag zu leisten, den kann ich nicht ständig von vorn anschießen.

Ich kann auch nicht ständig alle Bauern in diesem Land – mit „diesem Land“ meine ich jetzt nicht Baden-Württemberg, son dern die Bundesrepublik und erst recht die EU – über einen Kamm scheren. Wir können die Agrarstruktur Baden-Würt tembergs nicht mit der von Holland, Dänemark, Niedersach sen oder Mecklenburg-Vorpommern vergleichen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der AfD)

Unser Land hat eine andere Struktur. Nirgendwo gibt es mehr Ökolandbau als bei uns. Bei uns funktioniert die Landwirt schaft auch noch in ganz großen Teilen in den bäuerlichen Fa milienbetrieben.

(Zuruf von der AfD: So ist es!)

Sie sind unsere Partner, wenn es um den Naturschutz geht, und nicht die großen internationalen Agrarbetriebe.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie des Abg. Andreas Kenner SPD – Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: So ist es! Genau!)

Seien wir aber einmal ehrlich: Die Signale, die wir an die Bau ernschaft aussenden, sind schizophren. Wir diskutieren über die Biodiversität. Wir sagen, dass wir den Ökolandbau för dern wollen. Wir sagen, dass die Menschen bereit sind, mehr Geld zu bezahlen. Nehmen Sie sich aber einmal einen Stuhl,

setzen Sie sich an einem Samstag eine Stunde lang in dem Su permarkt Ihres Vertrauens an die Kühltheke, und schauen Sie, nach welchen Kriterien dort eingekauft wird.

Das neue I-Phone Plus kostet 1 007 €. Dafür bekomme ich 800 Liter biologisch erzeugte Milch aus der Region. Wenn ich die Milch kaufe, bei der es völlig egal ist, woher sie kommt, wie die Kühe aufgewachsen sind, ob das Tierwohl eingehal ten worden ist oder nicht, bekomme ich 1 600 Liter Milch für dieses Geld – 1 600 Liter Milch für den Wert eines Handys.

Solange die Leute lieber viermal als dreimal in den Urlaub fahren und das Geld an der Kühltheke einsparen, können wir nicht gleichzeitig den Bauern vorwerfen, sie würden zu we nig für den Naturschutz tun.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der AfD – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Einen Aspekt möchte ich noch erwähnen: Naturschutz ist nicht nur Aufgabe der Bauern und der Waldbesitzer. Vielmehr kann jeder von uns etwas tun. Ich frage jetzt nicht, wer einen Mähroboter hat. Haben Sie sich aber schon einmal überlegt, was ein Mähroboter,

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Eine Sense habe ich!)

der jeden Tag auf Jagd geht, mit den Blümchen in Ihrem Gar ten anstellt? Früher haben wir alle zwei Wochen unsere Wie sen gemäht. Das hat auch gereicht.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Und heute braucht jeder einen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Der Herr Präsident hat drei! – Weitere Zurufe)

Ich habe eine Pferdekoppel. Die wird mit dem Traktor ge mäht.

Tut es im Garten nicht auch einmal ein Blumenbeet?

Und wenn mir die Bemerkung erlaubt ist: Wozu brauchen wir im Schlossgarten zu Zeiten des Brexits einen englischen Ra sen?

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen sowie des Abg. Andreas Glück FDP/ DVP)

Es gibt gute Beispiele, gerade in den Kommunen, die Blumen päckchen verschenken. Der Landkreis Biberach zahlt 300 €, wenn ein Bauer ein Blumenbeet anlegt und einsät. Jeder Bür ger kann beim Landratsamt vorbeigehen und sich ein Blumen päckchen holen.

Die Grünen – da muss ich sie loben – haben im Wahlkampf anstatt Luftballons Blumensaat verschenkt. Das fand ich eine sehr gute Idee.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Da fängt Naturschutz eben an: bei jedem Einzelnen von uns. Wir dürfen es aber auch nicht übertreiben und die Menschen und vor allem auch die Landwirtschaft nicht überfordern.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Ich komme zum Schluss.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Das ist gut!)

Die Politik kann einen Weg gehen. Ich möchte nicht mit Ge nesis schließen, wie ich begonnen habe, sondern mit dem Tal mud. Im Talmud gibt es eine Geschichte,

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Die Apokalypse!)

die damit endet, dass der Vater zu seinem Sohn sagt: „Geh du den Weg, soweit du kannst, und den Rest des Weges komme ich dir entgegen.“ Wir müssen die Rahmenbedingungen schaf fen, dass die Menschen uns entgegenkommen. Dann werden wir es auch gemeinsam hinbekommen, die Biodiversität in diesem Land weiter voranzubringen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Mit Blumentütchen schaf fen wir es nicht!)

Vielen Dank.