Das ist natürlich eine gefährliche Praxis, die einen auch dar über nachdenken lässt: Wenn hier schon viele kein Bleiberecht haben und wir dies vielleicht auch zu spät feststellen, dann muss man sich umso mehr darüber unterhalten, wann, wo, wie und vor allem wie früh wir das den Menschen, die kein Auf enthaltsrecht haben, auch klarmachen – bevor sie hier sind und wir ihnen dann irgendwann einmal versuchen klarzuma chen: Ihr habt aber gar kein Bleiberecht.
Ich muss übrigens an dieser Stelle – weil das ja auch Kritik ist, sicher auch an den Grünen – allerdings auch einmal beto nen: Lieber Herr Kollege Maier, ich war mit Ihrer Rede heu te Wort für Wort einverstanden. Ich gebe das deswegen zu Pro tokoll, weil mir das, glaube ich, seit ich im Landtag bin, noch nie passiert ist.
(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP, der Grünen und der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Er ist ja noch nicht so lange da! – Weitere Zu rufe)
Also, ich betone noch einmal: Wir wollen, dass die Spielre geln eingehalten werden. Aber wenn ich jetzt einmal den gan zen Block Rechtsstaat – über den ist viel gesagt worden –, wenn ich alles zum Rechtsstaat Gesagte jetzt einmal voraus setze, dann kann die Devise – dazu hat der Kollege Binder vorher auch schon etwas gesagt – nur heißen: Dialog. Wir müssen das Gespräch suchen, wir müssen den Kontakt su chen, wir müssen schauen, wo für uns vernünftige Gesprächs partner da sind – und die sind in großer Zahl da. Wir müssen Gesprächsfäden knüpfen. Wir dürfen sie dort, wo sie sind, nicht abreißen lassen.
Denn eines ist ganz klar, und es ist natürlich auch durch die Vorredner schon gebührend zum Ausdruck gekommen: Nur Konfrontation, wie sie teilweise von beiden Seiten gepredigt wird, wird uns weder Frieden noch Fortschritt bringen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da men und Herren Abgeordnete! „Quo vadis, Herr Minister?“, lautet die Frage der AfD. Dabei ist die Gefährdungslage durch fanatische und auch gewaltbereite Islamisten freilich in der Tat ein hochaktuelles und bedeutsames Thema für die Sicher heit in Baden-Württemberg. Aber nachdem die FDP/DVP ja erst im April bei einer Aktuellen Debatte auch „Quo vadis?“ gefragt hat, richtet sich zunächst ein Appell an die Kreativab teilung der AfD-Fraktion
(Abg. Nicole Razavi CDU: Die gibt es da nicht! – Abg. Thomas Blenke CDU: Kreativ und AfD ist ein Widerspruch in sich!)
Zum anderen aber verblüfft mich die Frage inhaltlich. „Quo vadis?“ Vielleicht wissen Sie es ja nicht, aber das heißt: Wo hin gehst du, was ist die Richtung? Als ob es irgendeinen Zweifel am Kurs des Innenministeriums oder der Landesre gierung geben könnte, als ob die Frage der Richtung nicht schon oft und intensiv durch den Landtag behandelt worden wäre.
Erstens: Die Sicherheitsbehörden in unserem Land tun mit großem Engagement und hoher Professionalität alles, um für die Menschen in Baden-Württemberg ein höchstmögliches Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Das, Herr Abg. Sänze, haben Sie heute infrage gestellt.
Das wird der Arbeit von Tausenden Polizistinnen und Polizis ten und Angehörigen unserer Sicherheitsbehörden nicht ge recht. Schämen Sie sich dafür! Sie sind eine Schande für die ses Parlament und für unser Land!
(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Anton Baron AfD: Das ist doch absurd, was Sie von sich geben!)
Zweitens: Gegenüber Extremisten jeglicher Richtung gibt es keinerlei Spielraum für irgendeine Toleranz. Gegenüber Ge waltbereiten oder gar Gewalttätigen werden alle Mittel einge setzt, die der Gesetzgeber einräumt.
Drittens: Prävention, Aufklärung, behördliche Vernetzung, Strafverfolgung und Überwachung sind die fünf Säulen einer Sicherheitsarchitektur, mit der es bislang gelungen ist, eine ganze Reihe von Attacken und Attentaten zu verhindern und ein hohes Maß an Sicherheit zu erhalten. Daran arbeiten wir auch weiter, im Übrigen mit gutem Erfolg. Kollege Blenke hat zu Recht darauf hingewiesen, welch umfangreiches Si cherheitspaket die Koalitionsfraktionen aus Grünen und CDU jetzt miteinander vereinbart haben.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in der Bundesrepu blik Deutschland eine große Vielfalt muslimischen Lebens
entwickelt, was Teil des gesamtgesellschaftlichen Alltags ge worden ist. Das gilt besonders für unser Land Baden-Würt temberg. Hier leben inzwischen ca. eine halbe Million Mus lime, die ihren Glauben in unterschiedlicher Intensität und ganz überwiegend im Einklang mit deutschen Gesetzen prak tizieren, und das ist in Ordnung so.
Eine kleine Minderheit von ihnen hat sich allerdings islamis tischen Organisationen angeschlossen, deren Wertevorstellun gen nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundord nung vereinbar sind. Das ist nicht akzeptabel, das ist integra tionsfeindlich. Auch hier gibt es gar kein Vertun: null Tole ranz. Wir haben eine klare Haltung.
Dass sich auch Baden-Württemberg, wie im Übrigen die ge samte westliche Welt – ganz Europa, Amerika –, im Zielspek trum islamistischer Terroristen befindet, wissen wir seit Lan gem. Seit 9/11 im Jahr 2001 – Herr Abg. Sänze, das mögen Sie nicht mitbekommen haben – haben wir diese Terrorlage. Seither!
(Abg. Emil Sänze AfD: Deshalb lassen Sie noch mehr her! – Gegenruf des Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist Ihr plattes Erklärungsmuster, das eigentlich völlig daneben ist!)
Dass sich Baden-Württemberg im Zielspektrum islamistischer Terroristen befindet, belegen nicht zuletzt auch die deutlich gestiegenen Fallzahlen
im Themenbereich „Islamismus, Fundamentalismus“. Auch stuft die Polizei derzeit im Bereich „Politisch motivierte Kri minalität – Religiöse Ideologie“ eine hohe zweistellige Zahl von Personen als sogenannte Gefährder ein. Diese Anzahl hat sich seit Januar 2014 mehr als vervierfacht.
Unter dem Eindruck der Anschläge in Deutschland und in ganz Europa hat sich die Sicherheitslage verschärft. Die bis her abstrakt hohe Gefährdung ist konkreter geworden. Neben komplexen Anschlagsvorhaben durch gut ausgerüstete Atten täter ist mit Einzelgängern zu rechnen, die mit einfach zu be schaffenden Tatmitteln – beispielsweise Fahrzeugen, Äxten, Messern – agieren.
Diesen gesamten Entwicklungen begegnet die Landesregie rung durch eine Vielzahl von Maßnahmen. So werden seit Ju li 2016 im Rahmen des Antiterrorpakets III zur Bekämpfung des islamistischen Terrors bei der Polizei insgesamt über 90 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Spezialbereiche ver lagert und 30 neue Stellen geschaffen. Begleitet wird dies von Sachmitteln in Höhe von etwa 2,5 Millionen €.
Beim Landeskriminalamt wurde eine Fahndungs- und Obser vationseinheit Staatsschutz geschaffen. Der Bereich Staats schutz sowie der Bereich Cybercrime bei den regionalen Prä sidien wurden um 36 Beamte verstärkt. Zudem werden Stel len für dringend benötigte IT-Experten geschaffen.
Beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg wurden im Zuge der Antiterrorpakete insgesamt 61 zusätzli che Stellen geschaffen. Daneben wurden dem Landesamt zu sätzliche Investitions- und Sachmittel in Höhe von insgesamt über 1 Million € für das Jahr 2016 bewilligt.
Auch wurde beim Innenministerium das Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks gegen (islamis tischen) Extremismus, KPEBW, eingerichtet, das bereits im Herbst 2015 seine Arbeit aufgenommen hat; Abg. Thomas Blenke hat darauf hingewiesen.
Wir werden aber auch nicht müde, uns den neuen Herausfor derungen in unserem Land stetig weiter entschlossen entge genzustellen. Wir werden die Sicherheitsbehörden durch die nötigen rechtlichen und technischen Instrumente weiter in die Lage versetzen, den ernst zu nehmenden Bedrohungslagen mit gleichsam rechtsstaatlichen und wirksamen Mitteln zu be gegnen.
Daher schaffen wir im Polizeigesetz und im Landesverfas sungsschutzgesetz neue präventivpolizeiliche Befugnisse, et wa zur inhaltlichen Telekommunikationsüberwachung sowie zur Quellen-TKÜ. Auch darauf wurde vom Kollegen Blenke und anderen bereits hingewiesen.
Auch die elektronische Fußfessel für die Überwachung von Gefährdern und die intelligente Videoüberwachung, algorith mengestütze Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunk ten
Gerade in diesen Tagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bringen wir das Gesetzgebungsverfahren hierzu in Gang, um Schritt halten zu können mit denen, die uns und unsere Sicher heit bedrohen. Ich habe die aktuellen Koalitionsvereinbarun gen aus Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gele sen, ich kenne die Gesetzeslage im Bund und in den anderen Bundesländern. Wir bringen im Augenblick hier in BadenWürttemberg das modernste Polizeigesetz auf den Weg. Wir werden noch vor der Sommerpause einen entsprechenden Ka binettsbeschluss fassen. Baden-Württemberg ist vorn. Wir ha ben eines der besten Polizeigesetze, wir haben eines der bes ten Verfassungsschutzgesetze; wir machen es jeden Tag bes ser.
Ich bin der Koalition außerordentlich dankbar, dass in dieser Woche diese wichtige Einigung hergestellt werden konnte. Das ist für die Sicherheit in diesem Land von größter Bedeu tung. Das ist ein sicherheitspolitischer Quantensprung, der un seren Ermittlern die Möglichkeiten gibt, die sie brauchen, um uns vor den Gefahren zu bewahren.
Wissen Sie was? Es gibt eine Fraktion hier im Landtag, die in diesen Fragen inhaltlich und sachlich null Komma null dazu beigetragen hat. Sie sind eine absolute sicherheitspolitische Nullnummer in diesem Landtag. Das will ich Ihnen auch ein mal mit auf den Weg geben.
(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Das ist eine ab solute Frechheit! Sehr demokratisch, Herr Minister! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Nullnummer! Treffend beschrieben! – Glocke der Präsidentin)