Protokoll der Sitzung vom 19.07.2017

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

ohne den Fußabdruck der technischen Kultur, von der wir alle leben und die unseren Wohlstand – auch Ihren Wohlstand –

(Abg. Nicole Razavi CDU: Ihren auch!)

begründet. Sie wollen Natur unter einer Käseglocke verehren. Wenn Sie sich der Technik erinnern, wollen Sie Wunderma schinen, die nur leise summend ihre Arbeit tun und sich dem Primat Ihrer Ideologie unterordnen sollen. Die technischen Grundlagen unserer entwickelten Industriegesellschaft wer den bei Ihnen durch das ideologisch-magische Fahrrad und die Windmühle ersetzt.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Was für ein ideeller Bankrott, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Würde James Watt heute die Dampfmaschine erfinden, wür den Sie das Grubenpferd und die Pferdetram loben. Würde

Heinrich Lanz das Straßenlokomobil bauen, müssten zur War nung Fahnenträger vorausgehen. Würden Edison den Gleich strom und Tesla den Wechselstrom nutzbar machen, Sie wür den das Gaslicht vorschreiben. Werner von Siemens wäre aus gewandert. Würde Hugo Junkers das Metallflugzeug erfinden, wären Sie Advokaten der Fledermäuse.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Würde Nicolaus Otto den Verbrennungsmotor erfinden, es wä re Teufelswerk, und Bertha Benz hätte in Ihrer Welt nie ein Auto zu sehen, geschweige denn zu fahren bekommen.

(Abg. Alexander Maier GRÜNE: Auch nicht! Dann wäre es verboten!)

Rudolf Diesel, dessen Motor vor 120 Jahren erstmals lief und den die Anhänger der Primitivität nicht durch eine Staatsfei er geadelt haben, wäre in Ihrem Land in fatale Depression ver sunken.

(Beifall bei der AfD)

Es hätte keines Robert Boschs bedurft, der die Zündappara tur erfand, und keine mächtige Einspritzpumpe aus seinen Werken hätte je einen Dieselmotor befeuert. Ferdinand Por sche wäre besser im Sudentenland geblieben, und eine Mas senmobilität hätte unser Land nie erlebt.

So viel zu Ihrem Anspruch, die Speerspitze der Innovation zu sein. Mehr muss man über die Aktuelle Debatte zum Laufrad nicht sagen. Sie wird als eine kuriose Fußnote in die Geschich te eines bizarren Landes eingehen, das seine wirklichen Pro bleme ignoriert.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: So wie die AfD-Fraktion! – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Kurios sind eher Sie!)

Wir werden Glück haben, wenn wir Deutschen diese Ge schichte in unserem eigenen Land noch selbst schreiben dür fen.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Rivoir das Wort.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Jetzt bin ich gespannt!)

Frau Präsidentin, vielen Dank! – Kolleginnen und Kollegen! Ich bin wirklich froh, dass wir heute hier zusammen sind und uns über das Fahrrad, dieses wunderbare Verkehrsmittel, unterhalten.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Ich bin andererseits schon etwas erstaunt, wie diese Debatte es dann doch ermöglicht hat, uns geradezu in ideologische Ab gründe schauen zu lassen. Dass es in manchen Köpfen hier so wirr zugeht, hat mich nun doch etwas überrascht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie der Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch)

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg – das wurde hier schon mehrfach erwähnt – ist das Land der Tüftler und der Erfinder. Baden-Württemberg ist der Ort vieler Erfindun gen, eben gerade aus dem Bereich der Mobilität. Das Auto wurde hier erfunden, dazu passend die Zündkerze. In BadenWürttemberg wurde sogar das Motorboot erfunden, und vor 200 Jahren hat Karl Drais – ich lasse die ganzen Adelstitel weg – in Mannheim das Fahrrad erfunden.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Schöne Vergan genheit! Damals!)

Mein Kollege aus Mannheim legt Wert darauf, dass ich dies hier erwähne.

(Abg. Stefan Herre AfD: Wo sind die Erfindungen von heute?)

Die Menschen – zunächst im Großherzogtum Baden – waren durch diese Erfindung nicht mehr auf die Karren und Kutschen angewiesen, um von A nach B zu kommen, und sie waren auch nicht mehr nur auf Schusters Rappen unterwegs.

Baden-Württemberg ist also, wie wir sehen, seit Langem Vor reiter bei der Entwicklung einer bezahlbaren individuellen Mobilität.

Die Frage ist für uns nun: Wie gehen wir heute mit diesem Er be um? Ist Baden-Württemberg nach wie vor das Innovations land, wenn es um bezahlbare individuelle Mobilität geht? Oder hat diese Landesregierung längst einen anderen Weg ein geschlagen, nämlich einen, bei dem die Mobilität zwangsläu fig wieder zur sozialen Frage wird?

Die kalten Enteignungen durch Fahrverbote sind dabei für uns ein klarer Fingerzeig, wohin die Reise gehen soll. Grüne Ver botsideologien sind offensichtlich die Grundlage der Verkehrs politik.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Wir von der SPD, meine Damen und Herren, stehen jedenfalls für solche Politikexperimente, die den Ast absägen, auf dem die Maschinenbauer und die Automobilindustrie in unserem Land und damit unser aller Wohlstand ruhen, nicht zur Verfü gung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Es wurde von den Vertretern der Regierungskoalition ja gera de in schillernden Farben geschildert, wie toll angeblich die Fahrradpolitik in diesem Land ist. Ich sage dazu nur: Man kann Fahrradpolitik gut meinen, oder man kann sie gut ma chen. Wir meinen, dass das, was hier geredet wird, lediglich gut gemeint ist.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Man kann sinnlos Geld zum Fenster hinausschmeißen – für RadCOUTURE-Veranstaltungen, für Helmgutachten –, man kann im Gegensatz dazu aber auch eine wirklich gute Politik für das Fahrrad betreiben, nämlich indem man beispielswei se die zahlreichen Lücken in den Radwegenetzen von Städ ten und Gemeinden und entlang der Landesstraßen schließt.

(Vereinzelt Beifall von der FDP/DVP – Zuruf von der AfD: Eine Lückenpolitik! – Zuruf der Staatssekretä rin Friedlinde Gurr-Hirsch)

Ich gehe einmal davon aus, dass Sie vorhergesehen haben, dass ich darauf eingehe, und ich gehe davon aus, dass Sie kei ne Spyware auf meinem Computer installiert haben,

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Wir passen halt auf! – Weitere Zurufe, u. a.: Meine Güte!)

sondern dass Sie gemerkt haben, dass wir ständig in dieser Wunde bohren, die hier vorhanden ist.

Die Lücken im baden-württembergischen Radwegenetz sind neben den geografischen Besonderheiten einer der Hauptgrün de, warum es entgegen aller Bemühungen und Ankündigun gen unseres Verkehrsministers immer noch nicht gelungen ist, den Anteil des Radverkehrs am Modal-Split zu steigern. Die 16 %, die für 2020 in den Raum gestellt worden sind, liegen in weiter Ferne.

Es ist nämlich weder attraktiv noch sicher – gerade auch für Kinder –, wenn Radfahrer am Ende eines ausgewiesenen Rad wegs auf die Straße wechseln müssen, um dann nach weite ren 100 oder 500 m wieder einen Radweg vorzufinden. Wir verstehen deswegen nicht, warum die grün-schwarze Koali tion das Lückenschlussprogramm, das wir, die damalige grünrote Koalition, die Vorgängerregierung, auf den Weg gebracht haben, so sang- und klanglos beendet hat und nun stattdessen hauptsächlich auf Radschnellwege setzt.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Nein, nein! Radwegenetz, das ist der Schwerpunkt!)

Meine Damen und Herren, Radschnellwege, das ist alles gut und recht. Aber Sie machen den zweiten Schritt vor dem ers ten. Erst geht es um das Schwarzbrot, und danach kann man auf den Luxus von Radschnellwegen setzen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Sie sind ja nun – wir konnten Sie nach vielen Debatten hier endlich dazu bewegen, dies endlich anzupacken – in den Ver handlungen über das neue LGVFG. Dies sollte eigentlich der Anlass für Sie sein, auf die Kommunen zuzugehen und ge zielt ein spezielles kommunales Radwegeprogramm zu för dern – ein kommunales Lückenschlussprogramm für die Kom munen, einen Pakt für das Fahrradfahren in den Kommunen, ein Sonderprogramm für kommunale Investitionen in das Rad wegenetz. Das ist ein ganz konkreter und praktischer Vor schlag; es ist eine konkrete und praktische Maßnahme, um die Kommunen in den Zustand zu versetzen, ihre Radwege und ihr Radwegenetz auszubauen. Denn gerade auf der kommu nalen Ebene gibt es unbestreitbar die größten Probleme. Hier kann und muss das Land eingreifen, hier muss es finanzielle Unterstützung leisten, um die Attraktivität des Fahrrads als Verkehrsmittel wirklich zu steigern.

Ich will noch einen Satz zum Thema Freizeitradverkehr sa gen: Die Grünen sind ja immer – man hat das auch heute wie der gehört – so etwas wie die selbst ernannte Schutzmacht der Radfahrerinnen und Radfahrer.