Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Hermann Hesse lässt den Brahmanen Siddhartha im 1922 erschienenen gleichnamigen Werk „Sid dhartha: Eine indische Dichtung“ erklären – Frau Olschows ki, Sie hatten gestern das 14. Indische Filmfestival eröffnet; insofern ist der Bezug vielleicht noch eher gegeben als beim Beitrag des Herrn Kollegen Dr. Balzer –:
Die Welt zu durchschauen, sie zu erklären, sie zu verach ten, mag großer Denker Sache sein. Mir aber liegt einzig daran, die Welt lieben zu können,...
Auch wenn für andere die Liebe zur Welt, die Liebe zum Le ben bedingt, sie zu verstehen, zu erklären und zu durchschau en, so setzt dies doch immer eines voraus: dass die Welt, die Kultur, ja, das Erbe erhalten und erlebbar bleiben.
Mit dem Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Natur erbes der Menschheit wurde am 16. November 1972 die
Grundlage geschaffen, Stätten, die aufgrund ihrer Einzigar tigkeit, Authentizität und Integrität weltbedeutend sind, als Schutzgut zu kennzeichnen.
Das im Abkommen festgelegte Konzept zielt auf die ganzheit liche Betrachtung sowohl des Kultur- als auch des Naturerbes ab, wobei dessen Schutz und Übermittlung an die nächste Ge neration als Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft gesehen werden.
Natürlich war und ist die Freude über die am 9. Juli erfolgte Aufnahme der Höhlen, der ältesten Eiszeitkunst auf der Schwäbischen Alb, in das Weltkulturerbe auch in der FDP/ DVP-Fraktion riesig, gelten die sechs Höhlen doch als eines der wichtigsten Ausgrabungsgebiete für Archäologen und wa ren Fundstätten einiger der ältesten Kunstwerke der Mensch heit, wie die 2008 bei Ausgrabungen gefundene Venus vom Hohlen Fels in Schelklingen, die ein einmaliges urgeschicht liches Relikt darstellt, das exemplarisch für die Entwicklung der Menschheit in der Epoche des Aurignaciens vor 43 000 bis 34 000 Jahren steht.
Die Freude ist vor Ort verständlicherweise auch deshalb groß, weil aus der Aufnahme ein erheblicher touristischer Nutzen gezogen werden kann und soll. Allgemein ist nicht unbekannt, dass eine Aufnahme in die Liste der UNESCO-Weltkultur erbestätten so etwas wie die Aufnahme in die Champions League darstellt. Auch wenn ein gefühlt inflationärer Gebrauch des UNESCO-Weltkulturerbetitels grundsätzlich einer sorgfäl tigen Abwägung bedarf, ist die Aufnahme der 40 000-jährigen Eiszeitkunst in die Liste sinniger, trefflicher und, ja, auch über fälliger denn je.
Die Eiszeitkunst ist nach Auffassung unserer Fraktion und nach meiner persönlichen Auffassung geradezu prädestiniert als Weltkulturerbe. Tradition, Gegenwart und Zukunft werden durch die Weltkulturerbestätten in Einklang gebracht; aber auch dafür müssen sich die UNESCO-Stätten in Baden-Würt temberg und insgesamt in Deutschland besser vernetzen.
Unser Dank – dies wurde bereits im Vorfeld angesprochen – und unsere Anerkennung gelten dem Landesamt für Denkmal pflege sowie allen Beteiligten, die mit der Erstellung des 900 Seiten umfassenden Antrags wesentlich zum Gelingen der Aufnahme in die Weltkulturerbeliste – im ersten Anlauf über dies! – beigetragen haben. Dieser ausgezeichnete Antrag um fasst auch ein weitreichendes Konzept zur Präsentation und Pflege der Stätten, womit das Land nun in Zugzwang kommt. Denn die heutige Präsentation verteilt sich auf fünf Museen und die großflächige Ausdehnung der Höhlen.
Ein umfassendes und verbindendes Konzept zu stemmen darf jetzt nicht allein an der Region hängen bleiben. Eine aus kömmliche finanzielle Unterstützung ist nach unserer Auffas sung geboten und erst recht mit der Aufnahme angezeigt. Aber ich denke, darüber herrscht fraktionsübergreifend Konsens.
Bleibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frage, warum wir diese Diskussion nicht im Rahmen der Haushaltsberatungen, sondern im Rahmen einer Aktuellen Debatte führen. Von 42 Weltkulturerbestätten in Deutschland – das erfüllt uns natür lich schon auch ein bisschen mit Stolz – sind sechs in BadenWürttemberg. Das erklärt wohl auch den tieferen Sinn und die Gegenwärtigkeit der Aktuellen Debatte. Jetzt, so kurz vor den Sommerferien, soll so auf interessante und kulturhistorische Ausflugsziele für die ganze Familie in unserem schönen Land Baden-Württemberg hingewiesen werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Höhlen und Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura – am 9. Juli wurden in Krakau zwei Talabschnitte von Ach und Lone mit ihren eiszeitlichen Höh lenfundstellen in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufge nommen.
An dieser Stelle möchte ich mich auch noch einmal ausdrück lich bei allen Beteiligten für ihr Engagement und für ihren En thusiasmus sowie die Zeit bedanken, die sie in dieses Projekt erfolgreich investiert haben.
Ich war erst vor zwei Wochen bei der Übergabe der Urkun den für die Le-Corbusier-Häuser, und da wurde mir noch deut licher bewusst, was Weltkulturerbe bedeutet: Wir haben hier Funde, die für die gesamte Menschheit von großer Bedeutung sind. Ich glaube, das wurde jetzt auch in der heutigen Debat te klar. Es ist wirklich etwas Besonderes. Ich schätze es auch sehr, dass wir heute darüber diskutieren und dieses Thema, das uns alle sehr stolz macht, adressieren und auch stärker in die Öffentlichkeit tragen und für Baden-Württemberg als Kul turstätte werben.
Die Landschaft, die Höhlen und die Funde repräsentieren wirklich ein einzigartiges Zeugnis einer früheren Kultur, die die bislang ältesten Kunstwerke und Musikinstrumente der Menschheit hervorgebracht hat. Das ist ein wunderbarer Er folg. Fünf Jahre waren erforderlich, um diesen 900-seitigen Antrag zu entwickeln, vorzubereiten. Frau Staatsministerin Böhmer vom Auswärtigen Amt hat gesagt: „Es gibt wenige Anträge, die in 15 Minuten von der Kommission positiv be schieden werden.“ Das war wirklich außergewöhnlich und ist ein Ausdruck dafür, wie sich die Region, das Land und alle Beteiligten gemeinsam für dieses Projekt starkgemacht haben.
Mit der Annahme des Welterbetitels haben wir aber natürlich auch Verpflichtungen gegenüber der internationalen Staaten gemeinschaft auf uns genommen. Das haben wir gern getan; das möchte ich hier an dieser Stelle noch einmal ganz aus drücklich betonen. Unsere wesentliche Pflicht besteht darin, dass wir diese Stätte, unser Erbe der Menschheit, für die kom menden Generationen schützen, pflegen und erhalten. Das Mi nisterium als oberste Denkmalschutzbehörde und ich persön lich legen darauf unser ganz besonderes Augenmerk.
Das heißt, dass zukünftig sämtliche in der Welterbestätte ge planten Maßnahmen zunächst auf deren Welterbeverträglich keit hin zu prüfen sind. Ansonsten können wir den Welterbe titel auch wieder verlieren. Das konnten wir ja am Beispiel Dresden – Stichwort Waldschlösschenbrücke – vor ein paar Jahren miterleben.
Um den Schutz unseres Welterbes gewährleisten zu können und die verschiedenen Interessen rund um die neue Welterbe stätte zu koordinieren, haben wir im Landesamt für Denkmal pflege die Stelle eines Koordinators geschaffen, der sich aus schließlich dieser Welterbestätte der Eiszeithöhlen annehmen wird.
Er wird die vielfältigen Belange rund um die Stätte, den Schutz, die Pflege koordinieren. Er wird Ansprechpartner auch für die regionalen Partner sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben dem Schutz der Stätte hat sich das Land auch dazu verpflichtet, die Ein zigartigkeit der Stätte und die Ziele der Welterbekonvention in der Öffentlichkeit inhaltlich und qualitativ auf hohem Ni veau zu vermitteln. Dies kann aus Sicht der UNESCO zum Schutz der Stätte bei den Höhlenlandschaften nur auf der Ba sis eines behutsamen und auch nachhaltigen Besucherange bots gewährleistet werden.
Was ist bisher diesbezüglich passiert? Das Land hat – das wur de jetzt schon mehrfach genannt – in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren u. a. den Bau des Archäoparks Vogelherd im Lonetal und den Umbau des Urgeschichtlichen Museums in Blaubeuren im Achtal inhaltlich und finanziell unterstützt. Auf diese Weise sind beide Täler bereits mit hochwertigen Anlaufstellen für regionale, nationale und internationale Be sucher ausgestattet. Die beiden Einrichtungen informieren über eiszeitliches Leben, Kunst und Kultur und präsentieren unweit der Welterbestätte auch Originalfunde aus den Höhlen und deren Umgebung.
Weiter stehen noch Investitionsmittel des Landes in Höhe von 500 000 € für den weiteren Ausbau des bestehenden Informa tionssystems für die neue Welterbestätte bereit. Wir befinden uns ja gerade in den Haushaltsberatungen. Herr Grath, es hat mich ganz besonders gefreut, dass Sie sich mit so großem En thusiasmus für die Welterbestätte, für die Eiszeithöhlen ein
setzen. Ich glaube, wir bräuchten da auch noch ein bisschen Rückenwind. Wir müssen uns beide gemeinsam dafür einset zen,
dass uns hier auch noch zusätzliche Mittel zur Verfügung ge stellt werden, um auch unserer Verantwortung gerecht zu wer den. Angemeldet sind sie.
(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP – Abg. Winfried Mack CDU: Bravo!)
Das Landesamt für Denkmalpflege prüft gerade denkmalrecht lich und förderrechtlich die vorliegenden kommunalen Inves titionsanträge, soweit im jetzigen Grobplanstadium möglich. Beantragt sind zum einen die Einrichtung von Themenwegen im Ach- und im Lonetal, zum Zweiten Wegesicherungsmaß nahmen und ein weiteres Informationszentrum bei Schelklin gen. Sämtliche Maßnahmen müssen auf ihre Welterbeverträg lichkeit geprüft werden. Die UNESCO und der Internationa le Rat für Denkmalpflege, ICOMOS, unterscheiden an diesem Punkt nicht zwischen Baumaßnahmen, die zur Vermittlung und zur Verbesserung der Besucherinfrastruktur dienen, und sonstigen Maßnahmen, die mit dem Weltkulturerbe gar nichts zu tun haben.
Aus diesem Grund ist es auch notwendig, größere Baumaß nahmen zur Vermittlung und zur Zugänglichmachung der Stät te mit ICOMOS abzustimmen – ein Punkt, über den die An rainerkommunen informiert sind.
Außerdem wurde der Ausbau des Infosystems schon mit Mit teln der Tourismusinfrastrukturförderung gefördert. Die Land kreise und Gemeinden werden darüber hinaus bei der Bewer bung und Vermarktung der Stätte durch die Tourismus Mar keting GmbH Baden-Württemberg unterstützt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir ab schließend noch ein paar Worte zur Frage der zentralen oder dezentralen Präsentation der eiszeitlichen Kunstwerke.
Die wunderbaren Funde wie der Löwenmensch aus dem Hoh lenstein-Stadel im Lonetal oder die Venus vom Hohlen Fels im Achtal sind zwar direkt kein Weltkulturerbe, aber sie stel len eine wesentliche Argumentationshilfe für die Bedeutung der Landschaft im Welterbeantrag dar.
Nach Einschätzung der UNESCO trägt die dezentrale Präsen tation der eiszeitlichen Kunstwerke und Musikinstrumente an fünf verschiedenen Standorten im Land dazu bei, die Besu cher in die Fläche zu lenken und damit einer Überlastung der Stätte vorzubeugen. Außerdem ermöglicht die dezentrale Prä sentation der Funde Besucherinnen und Besuchern unter schiedlicher Regionen unseres Landes Einblicke in die ältes te Kunst und Musik der Menschheit, u. a. auch hier in Stutt gart.
Aus unserer Sicht gibt es deshalb keinen Grund, am bestehen den Antrag zu rütteln, zu dem es bekanntlich 2009 – so weit geht das zurück – auch einen Ministerratsbeschluss gab. Da