Protokoll der Sitzung vom 20.07.2017

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Das hat für unsere Regierungsarbeit großes Gewicht. Das se hen Sie erstens daran, dass die Digitalisierung und die Breit bandförderung erstmals in einem Ministerium gebündelt wur den, und zweitens daran, dass Baden-Württemberg eines der wenigen Bundesländer ist, die mit eigenen Haushaltsmitteln ein Förderprogramm für den kommunalen Breitbandausbau finanzieren.

Mehr als drei Viertel aller baden-württembergischen Haushal te, nämlich mehr als 77 %, haben die Möglichkeit, Hochge schwindigkeitsnetze mit 50 MBits oder mehr zu nutzen. Das ist gut, aber auf Dauer nicht gut genug. In erster Linie ist der Breitbandausbau Aufgabe des Marktes und des Wettbewerbs. So sieht es das Recht der Europäischen Union vor. Das funk tioniert so weit auch ganz gut – dort, wo der Markt funktio niert, also insbesondere in den Städten und Ballungsräumen. Im ländlichen Raum sieht es teilweise anders aus.

Breitbandausbau ist für mich in einem politischen Sinn Da seinsvorsorge im 21. Jahrhundert.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Das ist von der Bedeutung her praktisch mit der Telefon- oder der Stromleitung vergleichbar. Daher handeln wir dort, wo der Markt versagt, und wir handeln dann entschlossen.

Im letzten Jahr haben wir mehr als 113 Millionen € in den Breitbandausbau investiert. Damit nicht genug: In diesem Jahr, im Jahr 2017, verstärkt die Landesregierung die Breit bandförderung und erhöht allein die Landesmittel auf 125 Mil lionen €. Und für die folgenden Jahre wollen wir das verste tigen – natürlich vorbehaltlich der Zustimmung dieses Hohen Hauses.

Denn eines ist klar: Zukunftsfeste Breitbandnetze werden die Unternehmen wettbewerbsfähig halten, die Chancengleich heit zwischen Stadt und Land voranbringen und die Gemein den beim demografischen Wandel begleiten.

Wir setzen deshalb auch auf einen engen Austausch mit den Telekommunikationsunternehmen. Erst am vergangenen Mon tag hatte ich alle wesentlichen Betreiber zu einem ersten Breit bandgipfel eingeladen, um den Stellenwert des flächendecken den Ausbaus für das Land zu untermauern und an dem Ver ständnis zu arbeiten, dass wir gemeinsam an einem Strang zie hen und gemeinsam schnell weitere Erfolge erzielen müssen.

Die Kabel im Boden sind bei der digitalen Infrastruktur das eine. Das andere ist der Mobilfunk, und auch hier haben wir hierzulande großen Handlungsbedarf. Ich frage Sie: Wann sind Sie zum letzten Mal mit dem Auto durch Baden-Würt temberg gefahren und haben 30 Minuten telefonieren können – natürlich mit einer entsprechenden Freisprecheinrichtung –, ohne unterbrochen zu werden?

(Abg. Nicole Razavi CDU: Wenn man im Stau steht! – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Auf der A 8 am Stutt garter Kreuz!)

Während wir heute noch damit beschäftigt sind, Funklöcher zu stopfen, steht die nächste technische Revolution vor der Tür: 5G. 5G, meine Damen und Herren, ist eine technische Revolution und keine Weiterentwicklung wie von 3G auf 4G und 4G auf 5G. 5G ist eine ganz andere Norm.

(Abg. Anton Baron AfD: Steht da schon ein Mast?)

Aber für 5G brauchen wir eine heftige Infrastruktur. Wir brau chen ungefähr doppelt so viele Sendemasten, und jeder Sen demast braucht unmittelbar einen Glasfaseranschluss. Im Grunde genommen ist jeder Sendemast eine eigene Rechen zentrale, ein eigenes Rechenzentrum. Jeder einzelne Mast braucht daher zwingend einen Glasfaseranschluss.

Auch daran können Sie erkennen: Wenn wir in das mobile di gitale Zeitalter gehen wollen, wenn wir 5G nach Baden-Würt temberg bringen wollen, dann brauchen wir zunächst einmal überall das Breitbandkabel. Deswegen ist diese digitale In frastruktur unter dem Boden auch eine Voraussetzung für den Mobilfunk der Zukunft. Auch deswegen ist es richtig, dass wir so hartnäckig und mit so viel Geld dafür arbeiten, dass der Glasfaserausbau in Baden-Württemberg vorankommt.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Meine Damen und Herren, die Digitalisierung kann nur er folgreich sein, wenn wir die schnellen Leitungen haben, wenn wir die digitale Infrastruktur im ganzen Land aufbauen. Ja, das ist eine Conditio sine qua non. Ohne das schnelle Internet werden wir die Digitalisierung nicht packen.

Wahr ist aber auch: Die zweite Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche digitale Welt ist Datensicherheit. Das ist meine feste Überzeugung. Stetig heftigere Cyberattacken zeigen schmerzhaft, wie verwundbar und angreifbar wir in einer ver netzten, IT-gestützten Welt sind und zunehmend werden. Auch unsere öffentliche Infrastruktur wie die Stromversorgung, der Verkehr oder Geldautomaten ist IT-gestützt. Wir werden da durch zwar immer besser, aber auch immer verwundbarer.

Die Landesregierung hat das erkannt. Im Land haben wir ei ne IT-Sicherheitsstrategie erarbeitet. Sicherheit wird in Ba den-Württemberg jetzt über ein von uns eingerichtetes Infor mationssicherheits-Managementsystem gewährleistet. Das be deutet: Wir ergreifen präventive Maßnahmen, um potenziel le Risiken durch Cyberangriffe so weit wie möglich zu redu zieren, und wir ergreifen Maßnahmen, um Cyberangriffe ein zudämmen, abzuwehren, zu analysieren und auch zurückzu verfolgen.

Wir wollen uns aber nicht nur um die Sicherheit der landes eigenen IT kümmern. Denn viele Unternehmen im Land, hauptsächlich kleine und mittlere Unternehmen, sind auf den Umgang mit IT-Sicherheitsvorfällen dieser Art nicht vorbe reitet, haben oftmals keinen qualifizierten IT-Sicherheitsmit arbeiter und können einen solchen auch nicht bezahlen.

Deswegen, meine Damen und Herren, haben wir die Idee der Cyberwehr Baden-Württemberg ins Leben gerufen. Mit der Cyberwehr wollen wir qualifizierte Anbieter für Notfallsitua tionen zertifizieren und an betroffene Institutionen des priva ten Sektors vermitteln. Die Cyberwehr vermittelt über eine Notfallrufnummer den Kontakt zwischen der Organisation und den zertifizierten Notfallteams.

Heute ist es selbstverständlich, dass wir die Feuerwehr rufen, wenn es brennt. Unser Ziel ist es, dass es in Baden-Württem berg schon bald genauso selbstverständlich ist, die Cyberwehr anzurufen, wenn man Opfer eines Cyberangriffs wird, und dass man dann schnell Hilfe erhält.

Dem bestehenden Fachkräftemangel bei der Cybersicherheit begegnen wir mit einem IT Security Lab, das wir einrichten werden. Damit verhelfen wir Start-ups aus dem Bereich IT- und Cybersicherheit zu einer schnelleren Unternehmensent wicklung.

IT-Sicherheit ist im Übrigen kein dauerhafter Zustand, der durch die einmalige Umsetzung bestimmter Maßnahmen er reicht werden kann. Informationssicherheit braucht vielmehr ständige Wachsamkeit und Beschäftigung mit diesem Thema. Wir müssen IT-Sicherheit by Design denken. Im Grunde ge nommen muss das Thema Datensicherheit bei allen digitalen Aktivitäten von Beginn an integraler Bestandteil aller Über legungen sein.

Mit der Cyberwehr Baden-Württemberg, die wir mit der Ex pertise, die in Karlsruhe und in vielen kleineren baden-würt tembergischen Unternehmen vorhanden ist, vernetzen wollen, geben wir, glaube ich, den Menschen auch etwas ganz Prak tisches mit, das ihnen hilft, wenn sie einem Cyberangriff aus gesetzt sind.

Es sind inzwischen nicht nur Großunternehmen, die Cyber angriffe zu gewärtigen haben. Das geht hinunter bis zum prak tischen Arzt, bis zum Handwerker. Im Grunde genommen kann jeder morgen betroffen sein. Deswegen ist es so wich tig, dass wir der Datensicherheit Aufmerksamkeit geben. Ich glaube, dass das für Baden-Württemberg ein entscheidender Punkt ist, auch ein Punkt ist, in dem wir uns von anderen Län dern unterscheiden können, in dem wir bei dem Thema „Cy berwehr und Cybersicherheit“ voranschreiten sollten.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregie rung ist fest entschlossen, die Digitalisierung anzupacken.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wann?)

Hatte ich eingangs noch fünf Worte gebraucht, um die Dimen sion der Digitalisierung zu beschreiben, so brauche ich für un seren Handlungsauftrag nur noch drei Worte: Digitalisierung einfach machen! Wir wollen Baden-Württemberg zur digita len Leitregion machen. Die vorgelegte Strategie bildet dabei die Richtschnur, an der wir künftig alle Aktivitäten ausrich ten.

Das Ziel der Strategie ist nicht, möglichst viele neue Projek te in der Breite anzustoßen; sie ist nicht die Summe von mög lichst vielen Einzelprojekten. Das Ziel der Strategie ist, unser Know-how, unsere Fähigkeiten und unsere Stärken zu multi plizieren, zu bündeln und in eine Richtung zu bringen. Das können Sie sich vorstellen wie viele kleine Schnüre, die für sich genommen schön anzusehen, aber nicht belastbar sind. Wir wollen diese Schnüre zusammennehmen und daraus ein Seil knüpfen, das dann große Lasten bewegen kann.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir – auch daran führt kein Weg vorbei – Geld in die Hand nehmen. Hier zeigen wir noch einmal, dass es uns mit diesem Thema sehr ernst ist: Wir werden in dieser Legislaturperiode 1 Milliarde € in die Digi talisierung investieren. Das ist die Zukunftsinvestition, die das Land Baden-Württemberg für künftige Generationen in die ser Legislaturperiode vornimmt.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Das ist eine Investition in das Land und seine Menschen. Das zeigt, dass es in diesem Land politisch Verantwortliche gibt, die nicht nur an diese Generation denken, sondern auch an künftige Generationen, an deren Chancen auf dem Weltmarkt und auf dem Arbeitsmarkt. Das ist eine Investition, damit Ba den-Württemberg auch weiterhin international an der Spitze des Fortschritts steht.

Schon heute möchte ich hier im Landtag für eine breite Un terstützung werben und Sie einladen, den Weg in die digitale Zukunft gemeinsam mit uns zu gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Anlehnung an den Kunsthistoriker Heinrich Klotz hat der große Soziologe Ul rich Beck unsere Zeit einmal die „Zweite Moderne“ getauft. In der ersten Moderne ging es demnach darum, die Muskel kraft des Menschen durch die Maschine zu ersetzen. In der zweiten Moderne ist es jetzt die Denkleistung des Menschen, die durch die Maschine ersetzt werden soll.

Viele Menschen fragen sich: Wo ist eigentlich künftig mein Platz? Die Landesregierung nimmt diese Zukunftssorgen auf. Wir wollen keine blinde Technikgläubigkeit, sondern wollen Chancen und Risiken genau abwägen. Wir werden deshalb unsere Digitalisierungsstrategie öffentlich zur Diskussion stel len und etwa mit einem Digitalisierungsgipfel Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und andere gesellschaftliche Ak teure einladen, über unsere, über ihre Ziele und die geplanten Vorhaben zu diskutieren. Wir brauchen auch einen breiten De batten- und Diskussionsprozess in diesem Land zu diesem Thema.

Auch werden wir die Wissenschaft als kritischen Begleiter der Digitalisierung fördern. Ein Forschungsverbund „Digitaler Wandel“ soll die sozialen und gesellschaftlichen Dimensio nen moderner Technologien in den Blick nehmen und unter suchen.

Klar ist: Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Wir vergöt tern auch die digitale Welt nicht. Die Digitalisierung hat, wie Technik insgesamt, nur eine dienende Funktion. Die Digitali sierung kann uns Wohlstand bringen und unser Leben beque mer machen, und das ist schon mal nicht schlecht. Sinn bringt sie uns nicht. Diesen müssen wir auch in der Zukunft anders wo suchen.

Der aus Brackenheim stammende erste deutsche Bundesprä sident Theodor Heuss hat einmal gesagt – ich zitiere –:

Eines Tages werden Maschinen vielleicht nicht nur rech nen, sondern auch denken. Mit Sicherheit aber werden sie niemals Fantasie haben.

(Abg. Winfried Mack CDU: Gutes Zitat! Sehr gut! Avantgardist!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns fantasievoll sein. Lassen Sie uns in Baden-Württemberg digitale Ideen und In novationen fantasievoll befördern. Lassen Sie uns die digita le Zukunft anpacken. Das ist unsere Chance in der digitalen Welt.

Ich sichere Ihnen zu: Die Landesregierung arbeitet stets im Bewusstsein daran, dass nicht die Menschen für die Technik da sind, sondern die Technik für die Menschen da ist.

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Hört, hört!)

Doch wir wollen die Chancen der Digitalisierung für dieses Land nutzen. Dafür steht unsere Strategie „digital@bw“. Ich freue mich, wenn Sie das unterstützen können.

Gern, meine sehr verehrten Damen und Herren, hätte ich die Meinungen und Ideen des Hohen Hauses heute in die Arbeit mitgenommen. Den Koalitionsfraktionen, sehr geehrte Kol legen Andreas Schwarz und Professor Dr. Wolfgang Reinhart, danke ich, dass sie sich in unsere Digitalisierungsstrategie be reits aktiv, konstruktiv und mit Fantasie eingebracht haben.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Leider war es den Fraktionen von SPD und FDP/DVP wich tiger, auf eine Formalie in der Geschäftsordnung zu pochen,

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Nein, nein!)