Protokoll der Sitzung vom 20.07.2017

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts, meine Damen und Herren, steht und fällt natürlich auch mit dem Nachwuchs in unserem Land. Wir brauchen top ausgebildete junge Men schen. Dazu müssen wir die „Kreidezeit“ in den Schulen be enden. Die Kinder kommen heute mit den Smartphones in die Schule. Manchmal habe ich den Eindruck, dass in einer Schul klasse 20 ganz gut mit der Digitalisierung zurechtkommen,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Nur einer nicht!)

nur einer steht vorn mit einer Haarfarbe wie ich; der hat ein Problem damit.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Schließen Sie nicht von sich auf andere!)

Der Lehrer steht immer noch vorn mit einem Stück Kreide und einem nassen Schwamm, so wie das bei meinem Papa und bei meinem Großpapa gewesen ist. Wir müssen die „Krei dezeit“ an den Schulen beenden.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Wir werden deshalb das Lernumfeld mithilfe der Digitalisie rung modernisieren, und wir richten eine digitale Bildungs plattform ein. Darüber können dann Bildungsinhalte abgeru fen und bearbeitet werden.

Die Lehrerausbildung und die Lerninhalte werden wir stärker auf die Bedürfnisse der Digitalisierung trimmen. Sie wissen ja: Hochdeutsch muss uns niemand mehr beibringen. Jetzt geht es darum, die Sprache der Computer zu lernen. Wir be absichtigen daher, einen verbindlichen Aufbaukurs Informa tik in Klasse 7 für alle Schülerinnen und Schüler sowie dar auf aufbauende weitere Unterrichtsangebote einzuführen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Die Schüler von heute sind die Forscher von morgen. BadenWürttemberg – das ist eine der großen Stärken dieses Landes – investiert mit rund 5 % des Bruttoinlandsprodukts in For schung und Entwicklung deutlich mehr als der Bundesschnitt. Die Europäische Union hat sich als Ziel vorgegeben: 3 % für FuE. Wir in Baden-Württemberg sind inzwischen bei knapp 5 %.

Gerade die Digitalisierung bietet hier enorme Forschungspo tenziale. Computer spielen inzwischen selbstverständlich Schach, und sie spielen besser Schach

(Zuruf von der SPD: Schon lange!)

als die Menschen. Computer können schon heute Krankhei ten wie Krebs zielgenauer und treffsicherer diagnostizieren, als es das menschliche Auge eines Arztes jemals können wird. Möglich macht das die künstliche Intelligenz. Sie ist ein we sentlicher Treiber der Digitalisierung.

Bei künstlicher Intelligenz geht es darum, Computer lernfä hig zu machen, es geht um Computer, die sich selbstständig ständig verbessern – ob beim autonomen Fahren oder als Haushaltshilfe im Alltag. Künstliche Intelligenz erschließt sich Tag für Tag neue Anwendungsfelder.

Daher investiert die Landesregierung rund 40 Millionen € in das Leuchtturmprojekt Cyber Valley.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Dort werden in einer der größten Forschungskooperationen Europas die Forschungsaktivitäten von internationalen Schlüs selakteuren aus Wissenschaft und Industrie auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz gebündelt. Es werden neue For schungsgruppen und Lehrstühle auf den Gebieten Maschinel les Lernen, Robotik und Computer-Vision geschaffen und in

einem neuen Zentrum in der Region Stuttgart/Tübingen zu sammengeführt.

(Zuruf: Genau!)

Die Start-up-Förderung spielt dort auch eine entscheidende Rolle. Das Cyber Valley bildet durch eine enge Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft die ideale Umgebung zur Förderung von Start-ups und soll den Technologietransfer vo rantreiben. Forscher sollen ausdrücklich unterstützt werden, mit ihren Ideen nicht nur die Wissenschaft zu bereichern, son dern damit auch Unternehmen zu gründen und Geld zu ver dienen.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Unglaublich! Sagenhaft!)

Wir wollen – das ist der Unterschied zu Berlin – dies auch in die reale und praktische Wirtschaft bringen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Diese Grundidee des Cyber Valley werden wir auch auf an dere Zukunftsfelder ausweiten. Wir werden den Aufbau von „Science Data Centers“, also Kompetenzzentren für die digi tale datengetriebene Forschung, fördern, um neue wissen schaftliche Ansätze zu ermöglichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, erst neulich wurde im Bundesrat mit der Zustimmung BadenWürttembergs eine Anpassung des Straßenverkehrsgesetzes beschlossen. Das hört sich ganz unschuldig und trivial an, be deutet in Wahrheit aber eine Zeitenwende.

(Abg. Anton Baron AfD: Das war schon längst über fällig!)

Denn wir haben dafür gesorgt, dass das automatisierte Fahren auch auf deutschen Straßen möglich wird. Hätten wir das nicht getan, wären die Entwicklungen des automatisierten Fahrens an Deutschland vorbeigegangen. Gerade für Baden-Württem berg als Wiege des Automobils ist dieser Entwicklungsschritt von besonderer Bedeutung.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Wir arbeiten mit Autobauern und einer breit aufgestellten Zu lieferindustrie mit Hochdruck an den Mobilitätslösungen der digitalen Zukunft. Dabei leisten wir selbst mit der eingerich teten Teststrecke „autonomes Fahren“ in der Technologiere gion Karlsruhe Pionierarbeit. Dort werden Fahrzeugsysteme für ein automatisiertes und vernetztes Fahren im realen Stra ßenverkehr getestet und entwickelt – in einer deutschlandweit einmaligen Kombination der Testszenarien Autobahn, Über landfahrt und Fahrt in der Innenstadt.

Der baden-württembergische Autopionier Gottlieb Wilhelm Daimler hat einmal eine gewagte Prognose abgegeben. Gott lieb Daimler hat gesagt – ich zitiere –:

Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird ei ne Million nicht überschreiten – allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.

Wir wollen jetzt – ich denke, ganz im Sinne Daimlers –, dass Kraftfahrzeug und Chauffeur in naher Zukunft ein und das selbe sein können und das Automobil im wahrsten Sinn des

Wortes ein richtiges Automobil, nämlich ein „Auto-Mobil“ wird.

Das autonome und vernetzte Fahren kommt mit voller Wucht. Es wird unsere Mobilität grundlegend ändern, und es wird Menschen individuelle Mobilität ermöglichen, die bisher auf andere angewiesen sind: ältere Menschen, behinderte Men schen, kranke Menschen.

Durch digitale Verkehrssteuerung werden wir Staus minimie ren und Emissionen reduzieren. Darüber hinaus werden wir jetzt eine weitere Erprobungsumgebung für automatisiertes Fahren im ÖPNV einrichten. Das soll sowohl in einer Groß stadt als auch in einem ländlichen Gebiet durchgeführt wer den. Unsere Vision dabei: Autonome Kleinbusse ermöglichen völlig neue ÖPNV-Angebote inklusive der Abholung vor der eigenen Haustür.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Dieses Modell wird Mobilität bis ins hohe Alter ermöglichen und bedeutet auch eine echte Chance für den ländlichen Raum. Das ist entscheidend für ein Technologie- und Flächenland wie Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU sowie des Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP)

Freilich ist auch die Elektromobilität dabei ein Megathema. Das größte Problem bei ihrer Marktdurchsetzung sind immer noch fehlende Speicherkapazitäten. Deshalb wollen wir hier einen Forschungsschwerpunkt setzen und ein Zentrum für die Großserienproduktion von individualisierbaren Hochleis tungszellen im Land etablieren und die digitalisierte Batterie zellenproduktion fördern.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Digitalisierung wird freilich nur gelingen, wenn wir die Menschen dafür be geistern und ihnen einen echten Mehrwert aufzeigen können: Was habe ich persönlich von der Digitalisierung? Wo wäre die Digitalisierung nicht besser greifbar als vor Ort in den Kom munen, da, wo die Menschen leben und arbeiten und Verän derungen sehr schnell und sehr hautnah und sehr praktisch mitbekommen? Deshalb müssen wir auch in der Verwaltung beim digitalen Wandel mitziehen und als gutes Beispiel vor angehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Die Digitalisierung ist für viele Menschen Alltag. Im Internet werden Socken, Reifen oder Kühlschränke bestellt. Da fehlt den Menschen, insbesondere den jungen Menschen, dann je des Verständnis, wenn sie, um einen Anwohnerparkausweis zu erhalten, einen halben Tag Urlaub nehmen müssen, um erst ins Rathaus zu gehen, dort eine Nummer zu ziehen und ein paar Stunden zu warten, bis sie an der Reihe sind. Unser Ziel ist die Verwaltung 4.0 – –

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das gibt es nirgends!)

„Das gibt es nirgends“, Herr Kollege Gall.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das gibt es nirgends!)

Es tut mir leid, da sind Sie halt ein bisschen von der realen Welt weg. Das muss ich Ihnen wirklich sagen.

(Lachen bei der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Das gibt es nirgends, was Sie gerade beschreiben! Stun denlanges Warten auf dem Rathaus gibt es nicht!)

In der Stadt, in der ich selbst ein Vierteljahrhundert lang kommunalpolitische Verantwortung getragen habe. Insofern ist es eine Selbstanklage.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das ist lange her!)