Zweitens trägt in Baden-Württemberg die kommunale Ebene schon lange die Verantwortung für den ÖPNV auf der Straße. Die Kommunen haben dafür aber praktisch kein Geld. Das Geld war beim Land, und das Land hat es über die Regie rungspräsidien an die Unternehmen verteilt. Also waren die Kommunen zwar Aufgabenträger im Geiste, aber eben nicht in der Praxis.
Mit diesem Gesetzentwurf bekommt die kommunale Seite jetzt auch die Mittel, den ÖPNV so zu gestalten, wie die Land kreise und die kreisfreien Städte das wollen. Damit stärken wir die Kommunen, und das ist gut so.
Jetzt stehen gerade die Kommunen, die Landkreise eben auch in der Verantwortung, den ÖPNV so zu gestalten, dass er bes ser wird, dass er attraktiver wird und dass die Menschen ihn annehmen. Ich sage gleich dazu: Wir wollen ja, dass in Zu kunft nicht nur Schüler „zwangsweise“ mit dem ÖPNV fah ren, sondern dass auch andere Menschen den ÖPNV regelmä ßig nutzen können, weil es ein stabiles Grundangebot über den ganzen Tag hinweg gibt, auch am Wochenende und spät am Abend.
Meine Damen und Herren, es ist ja viel über das Verfahren gesprochen worden und darüber, warum das so lange gedau ert hat. Wahr ist: Es hat sehr lange gedauert. Das ist wahr scheinlich das längste Beteiligungsverfahren, das – jedenfalls seit ich Verantwortung trage – stattgefunden hat.
Das hat damit zu tun, dass wir von Anfang an gesagt haben: Wir machen das möglichst immer im Konsens mit den mittel ständischen Busunternehmen, weil das in der Tat die Unter nehmen sind, die den ÖPNV in Baden-Württemberg in der Fläche tragen. Deswegen: viel reden, viel Konsens suchen, Kompromisse machen.
Wir haben auch mit dem VDV, der auch größere Unterneh men, kommunale Unternehmen organisiert, den Konsens ge sucht, mit den Umweltverbänden und schließlich auch mit den kommunalen Landesverbänden, wobei ich sagen muss: Die
mussten sich am meisten bewegen, obwohl sie eigentlich am meisten bekommen. Es hat auch lange gedauert, bis sie ge merkt haben, dass das eigentlich auch in ihrem Interesse liegt, dass sie zukünftig mehr Kompetenz und mehr Geld bekom men.
Meine Damen und Herren, die Eckpunkte wurden in einem konsensualen Verfahren festgelegt. Jetzt kommen Sie und sa gen: Das hätte man alles schneller machen können.
Dazu kann ich nur sagen: Das Mittel, wie man schneller ei nen Konsens herbeiführt, haben wir nicht gefunden. Wenn man konsensorientiert ist, dann ist man am Ende auf den Langsamsten angewiesen – übrigens auch bei der Finanzie rung.
Zur Finanzierung haben Sie zu Recht gesagt, dass kofinan ziert wird. Die zusätzlichen Mittel, die wir ab 2020/2021 zur Verfügung stellen – 50 Millionen € –, werden immerhin zur Hälfte von der kommunalen Seite getragen und zur anderen Hälfte von uns, aus originären Landesmitteln.
Die kommunalen Landesverbände haben darauf bestanden, dass sie nur dann zahlen, wenn sichergestellt ist, dass auch wir, das Land, zusagen, dass wir das tun, und sie haben nicht gesagt: „Wir zahlen das gleich.“ Insofern ist es natürlich leicht, zu fordern, man hätte das schneller machen müssen. Ich kann nur sagen: In der Opposition geht irgendwie alles schneller.
In der Opposition muss man das nämlich nur fordern; umzu setzen braucht man es nicht. Übrigens spielt auch Geld keine Rolle. Man muss nur sagen: Mehr wäre nötig, und zwar schnell! Aber man muss es ja nicht umsetzen. Insofern sind das keine hilfreichen Vorschläge.
Wir haben die Reform übrigens genau aus diesem Grund in zwei Schritten gemacht. Hätten wir jetzt noch jahrelang ver handelt, bis die Kriterien alle endverhandelt gewesen wären, hätten wir jetzt nicht einmal die erste Stufe machen können.
Deswegen haben wir gesagt: Wir machen die erste Stufe – al le Partner haben zugestimmt –, Beginn der ersten Stufe 2018. Die Mittel werden erst einmal an die kommunale Seite ge reicht, diese reicht sie weiter an die Unternehmen. Dann ha ben diese Zeit, zu gestalten, ihre Konzepte zu entwickeln, und ab 2021 fließen dann in einem Dreijahresschritt zweimal je weils 15 Millionen € bzw. einmal 20 Millionen € mehr zu. Es ist also nicht nur mehr Geld da, sondern mit besseren Kon zepten und mit einer guten Steuerungseinheit kann die kom munale Ebene dann tatsächlich das Geld so einsetzen, dass der ÖPNV im eigenen Bereich besser wird.
Nun ist kritisiert worden, dass der neue Schlüssel noch nicht auf dem Tisch liegt. Alle sind sich einig: Wir müssen bei dem neuen Schlüssel z. B. die Fläche betrachten; denn ein großer Kreis hat einfach mehr Probleme, das ist auch teurer. Dann müssen die Nutzerzahlen irgendwie berücksichtigt werden,
weil es ja auch einen Anreiz geben soll. Als dritten Punkt gilt es das Angebot an Linien und Takten, also die Kosten des An gebots, zu berücksichtigen. Auf diese drei Grundkriterien hat man sich verständigt.
Des Weiteren hat man sich darauf verständigt, dass es keine Benachteiligung geben soll. Ein Landkreis soll also zukünf tig nicht weniger bekommen, als er heute bekommt. Das ist die Grundlage.
Was wir übrigens auch zugesagt haben, ist, dass wir diese Kri terien im Konsens entwickeln wollen, unter wirklich breiter Beteiligung, so, wie wir das bisher gemacht haben. Das wer de ich nie allein machen, da kann ich nur scheitern. Das wer de ich mit allen absprechen.
Nach Absprache mit den Beteiligten, übrigens nach Abspra che mit den anderen Ministerien; z. B. wird das Wirtschafts ministerium mitreden. Das wird mein Haus nicht allein ma chen. Das werden wir gut absprechen; das haben wir verspro chen.
Übrigens: Die kommunalen Landesverbände gingen schon so weit, dass sie ins Gesetz aufgenommen haben wollten, dass sie am Schluss mitreden. Das hätte bedeutet, dass die kom munalen Landesverbände Gesetzgeber werden. Das mussten wir abweisen. Aber wir sagen ganz klar zu: Wir beteiligen euch, wir suchen einen Konsens, und wir werden auch eine konsensuale Lösung finden.
Herr Haußmann, Sie haben die allgemeine Vorschrift einge klagt. Eine machen wir, nämlich dass man mindestens 25 % Schülerrabatt geben muss. Weitere Vorschriften haben wir bis her nicht gemacht. Denn es fällt ja auch etwas schwer, einer seits der kommunalen Seite einzuräumen, dass sie mehr zu sa gen haben soll, und andererseits bereits vorher zu klären, was sie alles nicht sagen darf. Deswegen haben wir uns da bisher sehr zurückgehalten.
In der Summe kann man aber sagen: Die kommunale Selbst verwaltung kann zukünftig alles, die Tarifangebote, die Art der Verkehre, die Linien, auch wie sie die Busse ausgestaltet, per Ausschreibung festlegen und damit den ÖPNV zukunfts fähig in ihrem Sinn gestalten.
Ich glaube, das ist eine große Chance. Es wird in den Kreis tagen neue Debatten geben, und es wird auch einmal eine De batte darüber geben, ob nicht Kreistage auch Geld dazugeben müssen, damit der ÖPNV besser wird, dass sie also nicht nur die Hand aufhalten, während die anderen zahlen, sondern selbst einen Beitrag zu neuer, nachhaltiger Mobilität im gan zen Land leisten.
Meine Damen und Herren, ich sage noch etwas zu den Anträ gen. Die SPD-Fraktion hat ja im Wesentlichen gesagt, es sei zu spät und müsste schneller kommen. Dazu habe ich etwas gesagt. Es ist dem Verfahren und den Beteiligten geschuldet, aber auch der finanziellen Knappheit in der letzten Legisla turperiode, keine Frage. Aber da bleiben wir dran.
Der Schlüssel ist in groben Zügen festgelegt, aber eben nicht im Detail. Das werden wir noch machen.
Jetzt komme ich zur AfD. Sie hat gemeint, sie könne besser ausrechnen, welche Summe die kommunale Seite für ihre Ver waltung braucht. Unsere Gewährung von 2 Millionen € ist mit der kommunalen Seite abgesprochen. Sie haben jetzt willkür lich einen neuen Betrag festgelegt. Da kann ich nur sagen: So kann man nicht partnerschaftlich mit den Unternehmen und den kommunalen Landesverbänden umgehen, dass man hin terher selbst wieder eine Zahl erfindet.
Meine Damen und Herren, der letzte Punkt ist das Bündnis für den Mittelstand. Der württembergische Omnibusunterneh merverband war lange Zeit skeptisch, und zwar weil er große Sorge hatte, dass, wenn die Ausschreibung kommt – die wir aufgrund EU-rechtlicher Gesichtspunkte prinzipiell gar nicht verhindern können –, die örtlichen Unternehmen alle unter gehen. Diese Sorge haben wir ernst genommen und haben ge sagt: Weil wir wissen, ihr könnt es, wollen wir euch daran be teiligen, und wir wollen dafür sorgen, dass die Kommunen das zukünftig so ausschreiben, dass die kleinen und mittleren Unternehmen eine reale Chance haben. Dort, wo das sorgfäl tig gemacht worden ist, ist es übrigens auch gut gelungen. Nur weil es in Pforzheim schlecht gemacht worden ist, muss es nicht überall so gemacht werden, dass es schiefgeht. Die kom munale Seite kann es also so gestalten, dass es mittelstands freundlich ist.
Deswegen unsere Resolution, in der wir uns verpflichten. Da sind nicht einfach ein paar Sätze niedergeschrieben, sondern man hat sich das genau überlegt, und daran werden sich die Unternehmen erinnern. Wenn wir weitermachen, werden auch wir uns bewusst daran erinnern. Wir lassen uns auch gern da ran messen, ob wir das „mittelstandsfreundlich“ schaffen. Denn – das sage ich klipp und klar – mit großen Unterneh men, die von außen kommen, werden wir die kleinteiligen Strukturen in Baden-Württemberg nicht gut bearbeiten kön nen. Deswegen sind die Unternehmen, die wir haben, die bes ten, die das machen. Aber Wettbewerb schadet auch denen nicht.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich am Ende herz lich bedanken bei den vielen Beteiligten: bei den kommuna len Landesverbänden, bei den Unternehmen, beim VDV, beim WBO, bei allen in den Behörden, die mitgewirkt haben, und auch bei allen hier im Parlament, in den Ausschüssen, die be reit waren, bis zum Schluss noch Korrekturen nachzureichen.
An dieser Stelle will ich noch etwas sagen: Manche haben ge fragt: Wie kann man eigentlich kurz vor Schluss noch mit ei nem Änderungsantrag kommen, der so detailliert ist? Dazu will ich nur so viel sagen: Die kommunale Seite hat bis vor über einem Jahr Zeit gehabt, die Zahlen zu liefern, und dann war Schluss. Erst vor wenigen Tagen haben wir von einer Sei te eine Korrektur der Zahlen bekommen, wonach ungefähr 800 000 € falsch berechnet worden sind. Da hätten wir uns stur auf den Standpunkt stellen und sagen können: „Zu spät, da habt ihr Pech gehabt, ihr kriegt nichts.“ Das haben wir nicht gemacht, sondern wir haben das um den Preis einer späten
Korrektur nachgerechnet und umgerechnet. 800 000 € jähr lich wären schon für einige Landkreise ein Schaden gewesen, insbesondere für einen. Das haben wir korrigiert. Das war ei ne Kulanzregelung. Ich will das nur sagen, weil manche ge meint haben, das Ministerium habe nicht richtig rechnen kön nen. Nein, man hat uns die falschen Zahlen geliefert, und wir haben sie nachträglich korrigiert.
Ich glaube, das ist insgesamt eine gute Sache. Man kann jetzt eigentlich diesem Gesetzentwurf und allen Anträgen – außer dem Antrag der AfD – zustimmen, und dann wird es eine gu te Reform.
Wir kommen dann in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 16/2231. Ab stimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Aus schusses für Verkehr, Drucksache 16/2738. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen unter Abschnitt A der Beschlussempfehlung, dem Gesetzentwurf mit Änderungen in Artikel 1 zuzustim men.
Zu Artikel 1 Nummer 4 liegen zwei Änderungsanträge vor. Der Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU, Drucksache 16/2785-2, betrifft § 15 – Finanzierung der kommunalen Aufgabenträger. Der Änderungsantrag der Fraktion der AfD, Drucksache 16/2785-1, betrifft § 18 – Ver waltungskosten, Verwaltungsvorschrift.