Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Gesellschaft, unser Land stehen auf der Grundlage eines Rechtsstaats. In diesem Rechtsstaat gibt es eine Gewaltenteilung: die Legislative, die Exekutive und die Judikative. Ich bin überzeugt, dass die Sicherheitsbehörden des Landes Baden-Württemberg und die Justiz in BadenWürttemberg alles dafür tun, dass es solche Parallelstruktu ren in festen Formen nicht gibt.
Wo überall eine solche Paralleljustiz, wo Selbstjustiz stattfin den – da gibt es noch viel mehr Beispiele als die, die die Kol legen Dr. Lasotta und Filius genannt haben; neben der AfDFraktion und den Justizvollzugsanstalten ist dies beispielswei se auch bei Rockergruppen ein Problem –, das haben die Si cherheitsbehörden auf dem Schirm. Das ist ein bekanntes Phä nomen.
Wenn ich es richtig verstanden habe, wollen die Regierungs fraktionen, insbesondere die CDU-Fraktion, die präventiven Möglichkeiten durch diese Studie erforschen. Denn den Über blick darüber, was ist und was nicht ist, den haben – davon bin ich überzeugt – die Sicherheitsbehörden, und den hat die Justiz. Alles andere würde mich in diesem Land sehr wundern, Kolleginnen und Kollegen.
Wenn sich ein Abgeordneter des Landtags von Baden-Würt temberg hier hinstellt und in Bezug auf die Justiz in BadenWürttemberg von Kuscheljustiz spricht, dann, Herr Meuthen, ist das die unterste Schublade. Unsere Justiz in Baden-Würt temberg agiert nach Recht und Gesetz und muss sich von Ih nen nicht beschimpfen lassen.
Deshalb ist die Sachlage eigentlich so klar, dass mich gewun dert hat, dass wir heute eine Aktuelle Debatte zu diesem The ma führen. Die Sachlage ist klar: Es gibt hier und da ein Pro blem – das ist richtig –, und dieses Problems nehmen sich die Sicherheitsbehörden an, dieses Problems will man sich jetzt auch präventiv annehmen. Insofern ist das Thema damit für mich und auch für uns eigentlich erledigt.
Mich wundert allerdings, dass in dieser Aktuellen Debatte nur von Paralleljustizstrukturen und nicht von Parallelabgeordne ten die Rede ist. Sie stellen sich hier hin, bezichtigen wieder in der Ihnen eigenen Wortwahl alle Fraktionen hier im Land tag der Steuerverschwendung, und Sie nehmen selbst Geld von diesem Land ein. Sie sagen zwar, dass dies angerechnet wird, aber Sie erhalten auf jeden Fall 2 000 € steuerfrei, und
Sie erhalten eine zweite Altersvorsorge. Sie stellen sich hier hin und gaukeln den Menschen etwas vor. Wenn hier jemand Steuern verschwendet, dann sind Sie es und sonst keiner hier im Raum.
Wir sind gespannt, wie Sie mit den Wählerinnen und Wählern umgehen und wie Sie ca. 40 Sitzungswochen im Europapar lament mit den Plenarsitzungen und den Sitzungen der Aus schüsse in Einklang bringen wollen. Wir sind gespannt, wie oft Ihr Name hier fehlt und wie oft Ihr Name auf der Liste des Europaparlaments steht. Wir werden allerdings auch nicht durchgehen lassen, dass Sie zwischen Straßburg, Brüssel und Stuttgart nur deshalb im Zug unterwegs sind, um sich recht zeitig in die Unterschriftenlisten einzutragen, Herr Dr. Meu then.
(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der AfD: Herr Schulz hat es vorgemacht!)
Jetzt geht es gerade auch um die Motivlage. Sie sagen, Sie sei en sehr selbstlos unterwegs, und schieben das Geld zusätzlich ein; damit wollen Sie Ihrer Fraktion noch etwas Erfahrung mit auf den Weg geben. Vielleicht können Sie auch noch die fol gende Frage aufklären: Verfahren Sie nicht deshalb so, weil Sie Ihr Landtagsmandat behalten wollen, um den Sitz zu hal ten? Nicht dass Ihr Nachrücker, bei dem Sie vielleicht davon ausgehen, dass er aus der Partei austritt, Ihre Fraktion noch weiter minimiert.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Zu Beginn einer jeden sachlichen De batte bietet sich ein Blick in das beste Grundgesetz, nämlich das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, an.
Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.
Die Rechtsordnung lässt bewusst den Bürgerinnen und Bür gern, wo immer vertretbar und möglich, Freiraum und Gestal tungsmöglichkeiten zur außergerichtlichen Konfliktlösung. Die Bürger werden geradezu animiert und ermutigt, von die sen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Insofern
Gemeinhin – das ist den vorgenannten Beispielen zu eigen – basieren diese Regelungen auf dem deutschen Recht. Proble matisch wird es dann, wenn die Regulierung von Konflikten unter Einsatz von Zwang erfolgt, um den Zugang zu ordent lichen Gerichten bzw. den Fortgang von Gerichtsprozessen zu unterdrücken – also die Verhinderung oder Behinderung der Justiz. Problematisch wird es auch dann, wenn das Ergebnis der Regulierung den Rahmen des rechtlich Vertretbaren, Ak zeptablen verlässt, also sittenwidrig ist.
Insoweit erscheint der Begriff „Paralleljustiz“ als Grundlage für die Lösung sozialer Konflikte irreführend. Treffender wä re der Begriff „Gegenjustiz“. Durch eine solche droht ein is lamisch fundiertes System der Streitschlichtung Fälle an sich zu ziehen und zu entscheiden, die nach rechtsstaatlichen Grund sätzen originär und ausschließlich der deutschen Justiz vor zubehalten sind.
Es gibt eine Studie des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz aus dem Jahr 2011 und eine Studie der Se natsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin aus dem Jahr 2015, die tatsächlich zeigen, dass es in bestimmten Milieus Fälle von Paralleljustiz gibt. In der Re gel sind das hermetisch lebende arabisch-kurdische Großfa milien und Klans und auf der anderen Seite islamistisch-reli giöse Milieus, die durch informelle Streitschlichtungsmecha nismen des Klanältesten oder von Respektspersonen unser System ablehnen.
Dies ist in der Tat ein realistisches Problem, dessen wir uns annehmen müssen. Denn bedenklich und allgemein proble matisch sind insbesondere die strafrechtlichen und die fami lienrechtlichen Konstellationen: die strafrechtlichen Konstel lationen wegen der fundamentalen Bedeutung der staatlichen Strafrechtspflege als Garant einer zivilen und gewaltfreien Ge sellschaft und die familienrechtlichen Konstellationen deswe gen, weil die traditionelle islamische Vorstellung von der Rol le der Frau als nicht oder nur schwer vereinbar mit der Grund vorstellung des Grundgesetzes über die Gleichordnung der Geschlechter zu sehen ist.
Bevor wir jedoch eine neue Studie erstellen, schauen wir uns bereits bestehende Studien an, auf die ich schon hingewiesen habe. Dort wird festgehalten, dass sich die allermeisten der auch von Ihnen angesprochenen Gruppen ganz normal der Strukturen der deutschen Gerichtsbarkeit und des deutschen Rechtsstaats annehmen. Insofern, lieber Herr Professor Meu then, rate ich hier zu Gelassenheit, um dieses Thema nicht hö her zu zonen, als es ist.
Die Studie des Landes Berlin zeigt aber auch, dass die Paral leljustiz nichts mit Religion, sondern etwas mit kulturellen Prägungen, mit archaischen Strukturen in Großfamilien zu tun hat. Gleichwohl – auch das gehört dazu – ist das Problem be kannt, es ist da, und es weitet sich aus. Es besteht die Furcht vor institutionell verfestigten Strukturen, die mit dem deut schen Justizsystem in Konkurrenz, ja geradezu in Konflikt ste
Dies kann uns als Rechtsstaatspartei nicht gleichgültig sein. Wir müssen hier vielmehr alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten in Betracht ziehen, um dies zu unterbinden.
Aufgrund der Studien ist auch schon bekannt, dass hier eine Aufklärung, eine Beratungshilfe notwendig ist. Denn oftmals wird das deutsche System nicht in der Form als bekannt an gesehen, wie es notwendig ist. Hier denke ich z. B. an die Be ratungshilfe, an die Prozesskostenhilfe. Hier müssen wir eine stärkere Aufklärung haben, auch in den Jugendämtern, die oft mals als Feind der Familie anstatt als Beratungs- und Unter stützungsleistung gesehen werden.
Wir brauchen Anlaufstellen, wir brauchen einen niederschwel ligen Zugang mit einem entsprechenden Beratungsangebot. Wir brauchen auch – das ist an dieser Stelle auch ganz deut lich zu sagen – ein effektives und effizientes Rechtssystem. Wir brauchen Gerichte, die funktionieren, und eben keine langwierigen Verfahren, die zu Verzögerungen führen.
Wir brauchen natürlich insbesondere auch in der Strafjustiz eine schnelle Verhandlung und eine schnelle Verurteilung der Täter.
Voraussetzung hierfür ist insbesondere angesichts der zuneh menden Bedeutung der Gruppe der Menschen mit Migrati onshintergrund allein schon aufgrund der Zunahme des pro zentualen Anteils dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung eine Untersuchung, die im Wesentlichen auch die Frage der Integration und die Frage der Ursächlichkeit der Paralleljus tiz umfasst. Ich halte hierzu eine aktuelle Studie, insbesonde re bezogen auf Baden-Württemberg, für sinnvoll und gerade zu notwendig. Dort, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Fiechtner, könnte man dann auch über die Paralleljustiz in der AfD-Frak tion berichten.
Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist, finde ich, schon ein bemerkenswerter Vorgang, wenn allein die Ankün digung einer für das nächste Jahr geplanten Studie für eine Fraktion dieses Hauses den Anlass zur Beantragung einer Ak tuellen Debatte darstellt. Wer das tut, Kollege Dr. Meuthen, und damit auch – das haben Sie durchaus versucht – den Ein druck der Unterstützung vermittelt, der läuft Gefahr, durch schaut zu werden, indem erkannt wird, dass diese vermeintli che Unterstützung auch eine vergiftete sein könnte.
Nun will ich genau differenzieren. Was aber auch ich an die ser Stelle nicht zulasse – das haben bereits Redner vor mir
zum Ausdruck gebracht –, ist Folgendes: Der Plan, eine sol che Studie auf den Weg zu bringen, hat nichts mit Vorverur teilung zu tun. Im Gegenteil, wir nehmen uns einer Entwick lung an, bei der man peinlich darauf achten muss, dass man in den Diskussionen nicht im Nebel stochert. Wir wollen der Sache auf den Grund gehen, um Gerüchte, um Angst und Pa nikmache zu verhindern. Das ist unser Motiv.
Zum Zweiten, Kollege Dr. Meuthen, will ich an das anknüp fen, was Kollege Binder gesagt hat. Natürlich sollte man sich gut überlegen, was man an dieser Stelle z. B. über die dritte Gewalt in diesem Land zum Ausdruck bringt. Dass man am Stammtisch geneigt ist, sich auch mal etwas flapsig auszudrü cken, sei Ihnen zugestanden. Wer aber am Pult dieses Hohen Hauses die dritte Gewalt in Baden-Württemberg als Kuschel justiz bezeichnet und wer dies aus einer Partei tut, aus der ich schon Stimmen gehört habe, die die politischen Führungen anderer Länder, welche die Neutralität und Objektivität der Justiz bewusst infrage gestellt haben, euphorisch bejubeln, der hat jedes Recht, über die baden-württembergische Justiz der art abschätzig zu urteilen, verspielt, Kollege Dr. Meuthen.
Ich muss es an dieser Stelle einfach nochmals betonen: Die baden-württembergische Justiz leistet herausragende Arbeit.