Ich muss es an dieser Stelle einfach nochmals betonen: Die baden-württembergische Justiz leistet herausragende Arbeit.
Sie tut dies seit Jahren mit einer personellen Ausstattung, die dem wirklichen Bedarf nicht gerecht wurde.
in dieser Landesregierung, indem wir bereits im Haushalt 2017 zusätzliche Stellen geschaffen haben und nach dem Ent wurf, den die Finanzministerin morgen vorstellen wird, auch im Doppelhaushalt 2018/2019 zusätzliche Stellen schaffen wollen.
Kritisieren Sie und urteilen Sie über die Justiz in Baden-Würt temberg nicht abwertend, sondern helfen Sie uns bei der not wendigen Stärkung der Justiz in diesem Land. Das wäre sinn voller, Kollege Dr. Meuthen.
Ich will auch auf das eingehen, was Kollege Dr. Lasotta ge sagt hat, und noch mal unterstreichen: Wir planen keine Angst studie; wir planen eine Erkenntnisstudie.
Wir wollen wissen, was sich an unterschiedlichen Strukturen in der Justiz in diesem Land gebildet hat, weil wir unseren
Rechtsstaat nicht infrage stellen lassen. Aber wir lassen es auch nicht zu, politisches Handeln schon im Vorfeld zu miss brauchen, um Stimmung und Panik zu verbreiten.
Meine Damen und Herren, eines hat die Ankündigung der Stu die ganz offensichtlich gezeigt: Es gibt einen erhöhten Infor mations- und Diskussionsbedarf hierüber – nicht nur in die sem Hohen Haus, sondern in der gesamten Bevölkerung.
Es beschäftigt die Fraktionen hier im Landtag, und es beschäf tigt – das klang auch in allen Wortbeiträgen an – vor allem die Menschen draußen im Land. Der Politik wird immer wieder vorgeworfen, Entwicklungen zu dulden und nicht rechtzeitig zu reagieren. Ich finde, es ist klug, zu einem frühen Zeitpunkt präventiv eine solche Studie in Auftrag zu geben.
Denn genau genommen gibt es bis zur Stunde keine empiri schen Ergebnisse zu Paralleljustizstrukturen bei uns im Süd westen. Es geht hier nicht um eine Nebensächlichkeit, es geht um eine Grundfrage unseres Rechtsstaats.
Ob sie staatliche Gerichte als Autorität akzeptieren und deren Urteile schließlich auch respektieren, das fragen wir mit Blick auf Menschen, die bei uns leben und von denen wir erwarten, dass sie auch unsere Spielregeln akzeptieren.
Ob der Rechtsstaat für alle da ist oder ob er inzwischen aus manchen Teilen der Gesellschaft verdrängt wurde – ich finde, diese Frage aufzuwerfen ist nicht nur erlaubt, das ist gerade zu geboten.
Ob es Strukturen gibt, die ihre Opfer in ein anderes Werte- und Normensystem drängen, in ein System, in dem grundle gende Rechtsprinzipien unserer Verfassung nichts mehr gel ten, in dem kulturelle Bräuche oder religiöse Regeln wichti ger sind als deutsche Gesetze, auch diese Frage muss gestellt werden.
Ich bin überzeugt, wir brauchen eine fundierte Untersuchung. Denn Paralleljustiz bedeutet Willkür statt Rechtsstaat. Das können und dürfen wir nicht dulden.
Trotzdem gibt es hier auch einen konkreten Anlass, diese Stu die in Auftrag zu geben – auch das ist angeklungen, etwa mit Blick auf die Berliner Studie. Sie wurde bereits zitiert. Auf Seite 35 dieser Studie heißt es, dass
... Paralleljustiz in Berlin nicht nur ein marginales Phä nomen darstellt. Sie belastet das Leben vieler Menschen... teilweise massiv.
Kollege Filius hat geäußert, dass es möglicherweise vor allem andere Länder sind, in denen sich solche Entwicklungen ab zeichnen. Mir fehlt ein bisschen der Glaube, dass wir in Ba
den-Württemberg auf einer Insel der Seligen leben. Ich will es aber genau wissen. Deshalb ist diese Studie auch mit Blick auf Baden-Württemberg richtig und wichtig.
Es gilt, durchaus gewünschte Formen der außergerichtlichen Streitbeilegung, die unserer Rechtsordnung immanent sind und nach den Regeln unseres Rechtsstaats ablaufen, vom Be griff der Paralleljustiz zu unterscheiden. Auch darüber wurde bereits gesprochen. Es gilt, zwischen zivilrechtlichen Fragen, die vielleicht mehr Spielraum für Schlichtungsverfahren las sen, und strafrechtlichen Prozessen zu trennen. Aber Strafen zu verhängen und zu vollziehen ist bei uns eindeutig und al lein Sache des Rechtsstaats. Dabei muss es auch bleiben.
Bei der Wahrheitsfindung darf es keinen Platz für Zwang oder Drohung geben, keine Rücksichtnahme auf Fragen der Ehre oder der Zugehörigkeit zu einem Familienklan. Genau in die sem Punkt gibt die erwähnte Berliner Studie Anlass zur Sor ge. Dort werden Fallbeispiele erwähnt, die eine andere Spra che sprechen. Auf Seite 82 dieser Studie ist zu lesen von ei nem plötzlichen Gedächtnisverlust eines Opfers in der Haupt verhandlung, nachdem die Familie des mutmaßlichen Täters 10 000 € angeboten hatte, oder von einem versuchten Mord, in dessen Folge sich dann 60 bis 70 Familienangehörige im privaten Rahmen trafen, um über eine Ausgleichszahlung zu sprechen.
Sollten solche Fälle auch bei uns möglich sein, wäre der Rechtsstaat nicht nur herausgefordert, nein, es bestünde die Gefahr der Erosion. Deshalb müssen wir hier frühzeitig an setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist zu früh, um für Ba den-Württemberg Alarm zu schlagen. Aber es ist nicht zu früh, um die richtigen Fragen zu stellen und die Besorgnis in der Öffentlichkeit ernst zu nehmen. Deshalb war ich auch etwas überrascht über manche Rückmeldung der letzten Tage auf die Ankündigung, dass wir eine solche Studie planen. Da wurde z. B. vom Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutsch land davon gesprochen, es wäre hinausgeschmissenes Geld, die Studie drohe die Vielfalt der Kulturen infrage zu stellen und die Polarisierung der Gesellschaft zu verschärfen.
Meine Damen und Herren, Vielfalt der Kulturen hat mit Par allelstrukturen in der Justiz nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Wer das nicht verstanden hat, der muss auf die Erkenntnisse einer solchen Studie wirklich gespannt sein.
Dann hat auch Stuttgarts Sozialbürgermeister Werner Wölfle – ich habe jetzt gerade vergessen, welcher politischen Partei er angehört –
gesagt, unser Rechtsstaat funktioniere, die Polizei habe keine Hinweise auf solche Strukturen, und wenn Großfamilien ihre
Da würde ich mir nochmals erlauben, ein gewisses Fragezei chen zu setzen. Wenn Opfer zur Wahrung des Familienzusam menhalts oder zum Schutz der angeblichen Familienehre ge zwungen werden, auf die legale Durchsetzung ihrer Rechte oder die Einschaltung von Strafverfolgungsbehörden zu ver zichten, dann hat das nichts mit familieninterner Streitschlich tung zu tun, dann ist das der Rückzug des Rechtsstaats. Auch darum muss es in dieser Studie gehen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns mit Entschlossen heit, mit Engagement, aber nicht mit unnötiger Emotion und schon gar nicht mit Panikmache an dieses Projekt herange hen.
Herr Dr. Meuthen, ich sage auch dazu: Wenn sich auf der Stre cke herausstellt, dass die 20 000 € nicht reichen, um umfas send belastbares Material zu bekommen, dann darf die auch 30 000 € kosten.
Ich lasse das am Ende des Tages nicht an einer bestimmten Summe scheitern. Wir wollen fundiertes Datenmaterial,