Protokoll der Sitzung vom 08.11.2017

Die Realität, meine Damen und Herren, schaut etwas anders aus. Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozi alforschung bestätigt das. In sechs westeuropäischen Staaten, darunter auch Deutschland, wurde der Wertekompass musli mischer Einwanderer untersucht. Die Ergebnisse: Etwa zwei Drittel der muslimischen Einwanderer erachten religiöse Re geln für wichtiger als säkulare Gesetze. Über 70 % von ihnen erkennen nur eine wahre Auslegung ihrer Religion als bin dend an, und fast 60 % von ihnen sehnen sich nach einer Rückkehr zu den archaischen Wurzeln des Islams – all dies gepaart übrigens mit weit verbreiteter Homophobie und ei nem archaischen Frauenbild.

Meine Damen und Herren, das ist mit unserem Rechtsstaats verständnis – um das deutlich zu sagen –, das ist mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und mit unseren Werten nicht vereinbar. So schafft man Paralleljustiz.

(Beifall bei der AfD)

Dass die türkische Gemeinde die besagte Studie, die diese Pa ralleljustiz im Südwesten untersuchen soll, als unnötig und die hierfür benötigten Mittel in Höhe von lediglich 20 000 €, die Minister Wolf dafür vorsieht, als rausgeschmissenes Geld erachtet, spricht Bände. Man hat den Eindruck: Getroffene Hunde bellen. Wir hingegen halten die für diese Studie ein geplanten 20 000 € nicht für rausgeschmissenes Geld; ja, wir meinen, mit 20 000 € wird man hier auch nicht hinkommen.

Die in diesem Haus so populäre Steuergeldverschwendung ist anderswo auszumachen. Ich denke da etwa an die Selbstbe reicherungsorgien der Kartellparteienpolitiker.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Doppelmandat! – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Reinhold Gall: Abzocker! – Abg. Hans-Ul rich Sckerl GRÜNE: Wer im Glashaus sitzt! Mein Gott! Meine Güte! – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, ich weiß ja, dass Sozialdemokraten große Schwierigkeiten mit dem Rechnen haben. Aber versuchen Sie

es weiter. Vielleicht schaffen Sie das irgendwann noch. Es reicht die Kenntnis der Grundrechenarten, Herr Kollege – und dann hören Sie einfach auf.

Ich denke bei Steuergeldverschwendung etwa

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: An Leute, die zweimal Aufwandspauschale kassieren!)

an die Anschaffung eines landesregierungseigenen Elektro mopeds. Das ist nichts anderes als steuerverschwendende Symbolpolitik.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Fraktionsvorsitzen der, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Erikli?

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: „Wer ist das?“)

Nein, darauf habe ich jetzt kei ne Lust.

(Abg. Winfried Mack CDU: Lust ist keine Kategorie dieses Hauses! – Lebhafte Unruhe)

Ich ahne, was da kommt. – Frau Erikli, das können wir gern nachher bilateral klären.

Ich denke da etwa an die millionenschwere Linksideologisie rung unserer Bildungs- und Wissenschaftslandschaft, die mehr und mehr zum Experimentierfeld linksgepolter Gesellschafts klempner verkommt. Wer Millionenbeträge für pseudowis senschaftlichen Gender-Voodoo ausgibt, der wird doch hof fentlich auch noch 20 000 € für wahre Wissenschaft bereit stellen können –

(Beifall bei der AfD)

wahre Wissenschaft, die Missstände aufdeckt, die unseren Rechtsstaat gefährden, wahre Wissenschaft, die Erkenntnisse liefert, aus denen wir die richtigen Konsequenzen ziehen kön nen, um Rechtsstaatlichkeit wieder in jedem Winkel unseres Landes durchsetzen zu können. Dazu wird es nämlich Zeit.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Genau das ist auch die Kernaufgabe eines starken, zugleich aber schlanken Staates: der Erhalt der Ordnung und der Schutz der Freiheit. Darum geht es hier. Ein schwacher und zugleich fetter Staat hingegen weitet sein Gewaltmonopol zu einem Monopol auf alles Mögliche aus – eine Spezialität der Grü nen – und mischt sich volkserzieherisch immer mehr ins Pri vatleben der Bürger ein – ebenfalls eine Spezialität nicht nur der Grünen. Ein solcher Staat vernachlässigt seine eigentliche Aufgabe, für Recht und Ordnung zu sorgen, und befasst sich irgendwann nur noch mit Problemen, die er selbst geschaffen hat, wie z. B. das Entstehen einer Paralleljustiz, über die wir hier heute sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Auch der Merkel-Staat ist ein solcher Staat, und es erfreut, dass man nun selbst in den Reihen der Union sich des Prob lems der Paralleljustiz – das man selbst geschaffen hat – an nehmen möchte. Das ist immer noch besser als ein utopie

besoffenes „Weiter so!“ oder das realitätsfremde – wir ken nen das alle – „Wir schaffen das“.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was sagt denn der Abgeordnete Fiechtner zum Thema Paralleljustiz?)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort dem Kollegen Filius.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Wir sprechen heute auf Antrag der AfDFraktion über das Thema Paralleljustiz. Zuallererst ist für mich wichtig, zu definieren, was unter Paralleljustiz überhaupt zu verstehen ist. Paralleljustiz unterscheidet sich zunächst ein mal von der rechtlich und gesellschaftlich erwünschten und neutralen Form der außergerichtlichen Streitbeilegung. Diese Formen der Streitbeilegung sind nach deutschem Recht grund sätzlich zulässig bzw. teils sogar erwünscht. Ich nenne bei spielsweise Mediation, außergerichtliche Streitbeilegung und Täter-Opfer-Ausgleich.

Ausgehen müssen wir jedoch vom Schutzauftrag der staatli chen Rechtsordnung. Denn dort, wo der Staat zwingende Rechtsvorschriften erlässt, muss die private Handlungs- und Gestaltungsfreiheit enden. Wer die Grenzen der staatlichen Ordnung überschreitet, muss mit allen dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mitteln in die Schranken gewiesen wer den. So sieht es auch Professor Mathias Rohe in seiner Stu die zur Paralleljustiz aus dem Jahr 2015, die er damals im Auf trag des Berliner Senats verfasst hat.

Wichtig ist mir aber festzuhalten, dass sich das Phänomen der Paralleljustiz, ja der Parallelgesellschaften typischerweise in nerhalb von fast geschlossenen Strukturen zeigt, das heißt dort, wo wenig sozialer Zugang zum Staat und zur Zivilge sellschaft vorliegt. Paralleljustiz ist keiner ethnisch, kulturell und religiös definierten Bevölkerungsgruppe typischerweise zuzuweisen. Paralleljustiz findet ihre Anwendung in ganz un terschiedlichen Milieus, nicht nur in islamisch geprägten, son dern beispielsweise auch in Syndikaten, im Rotlichtmilieu, bedauerlicherweise auch im Gefangenenbereich. Für uns Grü ne ist Paralleljustiz ausdrücklich kein rein religiöses Problem.

Ich möchte an dieser Stelle das hohe Gut der Religionsfrei heit betonen, das im Grundgesetz verankert ist, und gleichzei tig klar herausstellen, dass dieses hohe Gut auch im Grund gesetz seine Grenze findet. Unser Grundgesetz steht über al lem.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur angedachten Studie der CDU möchte ich sagen: Zusätzliches Wissen schadet nie. Des halb stehen wir einer Studie entsprechend offen gegenüber. Nach unseren bisherigen Informationen ist aber hier in Ba den-Württemberg kein akuter Anlass für dieses Thema gege ben. Nach den uns vorliegenden Erkenntnissen liegen Schwer punkte vielmehr in anderen Bundesländern, jedoch nicht hier in Baden-Württemberg.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Wir lehnen jede Form von illegaler Paralleljustiz ab. Das haben wir auch im Koalitionsvertrag zwischen Grün und Schwarz entsprechend verankert.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU)

Dort, wo wir geschlossene Systeme erkennen, muss der Staat, wie bereits erwähnt, entsprechend handeln und entsprechen de Angebote bereithalten. Für uns steht die Frage im Zentrum: Was können wir gegen Formen der Paralleljustiz, ja der Par allelgesellschaften tun? Wie bereits eingangs angesprochen, findet Paralleljustiz vor allem in Milieus statt, die wenig so zialen Zugang zum Staat und zur Zivilgesellschaft haben. Dort müssen wir ansetzen. Denn kein Mensch darf sich in Deutsch land gesellschaftlich ausgegrenzt fühlen.

Geschlossene Zirkel müssen aufgebrochen werden. Das heißt: im Gefangenenbereich kein Verwahrvollzug, sondern das Gan ze mit mehr Mitarbeitern qualifiziert angehen, im Rotlichtmi lieu Streetworker, persönliche Meldepflichten, und in den Be reichen, in denen jetzt tatsächlich soziale Brennpunkte vorlie gen, Polizei auf die Straße, damit ein Abrutschen in Parallel strukturen vermieden wird.

Wir setzen auf gesellschaftliche Maßnahmen wie den Pakt für Integration und setzen uns dafür ein, dass Zugänge zu staatli cher und zivilgesellschaftlicher Hilfe effizient für Opfer von Paralleljustiz, ja Parallelgesellschaften geöffnet werden. So unterstützen wir beispielsweise die Beratungsstelle YASE MIN, an die sich Frauen, die von Zwangsverheiratung betrof fen sind, wenden können.

Wir wissen auch, dass ein Teil der Menschen sogenannte Frie densrichter zurate ziehen, weil sie in ihren Herkunftsländern häufig schlechte Erfahrungen mit Justiz und Polizei gemacht haben. Es gilt daher, bei diesen Menschen Vertrauen in die Behörden und Institutionen unseres Landes zu schaffen.

Für uns Grüne spielen also Prävention, Integration und die Unterstützung von Betroffenen eine zentrale Rolle, wenn es um das Thema Paralleljustiz geht. Es darf in Deutschland kei ne abgeschotteten Gesellschaften geben. Eine offene Gesell schaft ist dafür der beste Garant.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Die grün-schwarze Koalition setzt auf Integration statt auf Ausgrenzung und Abschottung – ganz im Gegensatz zur AfD, Herr Meuthen. Sie können sich vielleicht noch an die Haus haltsberatungen 2017 erinnern, als es einen Änderungsantrag der AfD-Fraktion gab, wonach die Zahlungen des Landes an die Kommunen zugunsten von Integrationsleistungen kom plett gestrichen werden sollten

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! – Zuruf von den Grünen: Aha!)

mit der Begründung, Integration sei einzig und allein die Auf gabe derer, die zu uns nach Deutschland kommen.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Eine Bringschuld! – Ge genruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist aber fachlich unsinnig!)

Solche Ansichten sind nicht nur stigmatisierend,

(Abg. Anton Baron AfD: Ach, kommen Sie!)

sondern sind geradezu geeignet, Parallelstrukturen, nämlich geschlossene Systeme, zu schaffen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Wolfgang Drexler SPD)