Frau Präsidentin, liebe Kol legen! Wir hatten uns schon vor etwa einem halben Jahr über das Thema Pflege unterhalten, und es ist begrüßenswert, dass wir dies heute noch einmal konkret im Hinblick auf die Situ ation der Krankenhäuser tun.
Es gibt in unserem Land annähernd 38 000 motivierte Men schen, die ihren Pflegeberuf in den Kliniken gern und mit Lei denschaft ausführen, denen aber oft die Rahmenbedingungen fehlen, ohne die sie ihre Tätigkeit nicht ohne Nachteile für sich selbst, für die Patienten oder für beide ausführen können.
Wenn uns Pfleger und Krankenschwestern von ihrem Alltag berichten, kommt meist zuvorderst die mangelnde Zeit zur Sprache, mangelnde Zeit für ihre eigentliche Arbeit, nämlich die Betreuung der Patienten. Die Arbeit hingegen, die nur am Rande etwas mit Pflege zu tun hat, scheint immer mehr zu werden. Natürlich ist eine gewisse Dokumentation des Krank heitsverlaufs für den Arbeits- und den Ablaufprozess wichtig.
Aber wir sind inzwischen in einem Bereich angekommen, in dem aus einer sinnvollen Dokumentation eine überbordende Bürokratie geworden ist, die für den Patienten keinen Mehr wert bringt und die Pfleger und Krankenschwestern bei ihrer eigentlichen Arbeit behindert.
Die Pfleger und Krankenschwestern in unserem Land wollen und sollen aber Patienten nicht nur verwalten, sondern auch die Zeit haben, deren soziale und menschliche Betreuung wahrzunehmen. Das ist ihre Passion, und das haben die Pati enten auch verdient.
Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts haben wir in Ba den-Württemberg 5 % mehr Pflegepersonal als andere Bun desländer und eine um 6,9 % bessere Bezahlung. Das heißt aber nicht, dass wir deshalb zufrieden sein können. Wir soll ten einmal den Blick in andere Länder werfen, wie das auch schon von Herrn Hinderer von der SPD getan wurde. Wir soll ten einmal nach Norwegen, in die Niederlande oder in die Schweiz schauen.
Wenn das Personal psychisch und physisch überfordert ist, muss ein anderes Verhältnis von Pfleger und Patient her. Um dies zu erreichen, kommen wir um eine Erhöhung der Kran kenhausfinanzierung nicht umhin; auch das wurde von mei nem Vorredner schon angesprochen. Wir werden deshalb im Haushaltsentwurf der Landesregierung nachschauen, ob dies für die Jahre 2018 und 2019 berücksichtigt wurde.
Aber wir müssen auch prüfen, an welcher Stelle wir schon im Vorfeld, also vor einer Krankenhauseinweisung, für Alterna tiven sorgen können. Wer stationäre Betreuung braucht, muss diese selbstverständlich erhalten. Aber wer mit ambulanter Pflege gleich oder sogar besser betreut werden kann, soll da rauf zurückgreifen können: So viel ambulant wie möglich und nur so viel stationär wie unbedingt nötig.
Wer etwa auf einen Arzt zurückgreifen kann, der einen Haus besuch oder auch mehrere Hausbesuche tätigen kann, wird im Idealfall keinen Krankenhausaufenthalt benötigen, und be kanntermaßen erholt es sich zu Hause in der gewohnten Um gebung viel besser als irgendwo anders.
Positiver Nebeneffekt: Wir entlasten die Kliniken und können frei gewordene Gelder dort anderweitig investieren.
Doch wenn ein Krankenhausaufenthalt unumgänglich wird, müssen wir den Pflegekräften auch die Möglichkeit geben, sich möglichst gut um die Patienten kümmern zu können. Wer
sich für einen sozialen Beruf entscheidet, tut das meist des halb, weil er Menschen helfen und für Menschen da sein möchte. Die Realität sieht aber allzu oft ganz anders aus. Das ist ein wesentlicher Aspekt dafür, ob ein Beruf attraktiv oder eben unattraktiv erscheint.
Eine zunehmende körperliche und seelische Belastung lässt sich nicht nur durch ein wenig mehr Bezahlung ausgleichen. Grundsätzliche Ansprüche müssen deshalb eine gerechte Be zahlung und bessere Lebensbedingungen und Arbeitsbedin gungen sein.
Ich selbst habe als Studentin viele Nachtdienste in verschie denen Krankenhausbereichen geleistet, und ich weiß, wie an spruchsvoll dieser Beruf ist. Daher muss eine angemessene Entlohnung gegeben sein. Aber mit mehr Geld allein kompen siert man nicht die Einschränkungen des eigenen sozialen Le bens und beseitigt man nicht die Belastung, die viele Pfleger und Krankenschwestern auch nach Schichtende mit nach Hau se nehmen.
Wer langfristig soziale Lösungen möchte – ich denke, das wol len wir alle hier –, muss zwangsläufig gesamtgesellschaftlich denken. Es werden deshalb keine kleinen Stellschrauben aus reichen, um die Pflegesituation dauerhaft und vor allem zu kunftsorientiert zu verbessern. Wir müssen nicht nur dafür sor gen, dass Menschen bereit sind, diese Berufe gern auszuüben, sondern wir müssen auch dafür sorgen, dass es überhaupt Menschen gibt, die das tun können. Dabei müssen wir weiter denken als nur eine oder zwei Wahlperioden. Wir müssen an unsere Kinder denken, die das demografische Problem mit al ler Wucht treffen wird.
Es kann doch nur eine kurzfristige, ja eine Notlösung sein, sich Fachkräfte aus dem Ausland einzukaufen, wie es gerade wieder von der CDU erwähnt wurde. Aber genau das wird von Ihnen allen gepredigt und als Allheilmittel angesehen.
Wir, die AfD-Fraktion, sind der Meinung, dass dieser Fach kräfteabzug aus dem Ausland keine nachhaltige Lösung für Deutschland darstellt und schon gar nicht gegenüber den Län dern fair ist, denen wir die leistungsfähigen Menschen abwer ben.
Im Gegenteil, diese Vorgehensweise ist in höchstem Maß ego istisch, unsozial und unverantwortlich. Die Pflegesituation in Krankenhäusern, die Pflege von älteren Menschen generell und die ärztliche Versorgung sind wichtige soziale Themen, die in den nächsten Jahren für Konflikte sorgen werden. Die demografische Situation lässt keinen anderen Schluss zu. Um so unverständlicher ist, dass hier nicht schon längst gehandelt wurde.
Genau das hätte die Partei, deren Fraktion die heutige Aktu elle Debatte beantragt hat, längst tun können. Denn Sie wa ren in Regierungsverantwortung. Doch Sie scheinen leider nur von Wahlkampf zu Wahlkampf zu denken. Nachhaltige Lö sungen in diesem Bereich hatten und haben Sie anscheinend nicht parat.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Daniel Born SPD: Jetzt sind wir gespannt auf Ihre Lösun gen!)
Wir brauchen endlich eine umfassende und wirksame Entlas tung von Familien, um dafür zu sorgen, dass es überhaupt ei ne nächste Generation als Voraussetzung dafür gibt, unseren gewohnten Sozialstaat aufrechtzuerhalten. Denn nur über ge lebte Generationenverantwortung wird das möglich sein.
Wir müssen wieder ein Bewusstsein dafür schaffen, dass ei ne solidarische Gemeinschaft nur dann funktionieren kann, wenn jeder seinen Beitrag dazu leistet. Wir müssen endlich die Jugend in unserem Land ermutigen, sich wieder für mehr Kinder zu entscheiden. Nur dann – und auch nur dann – kön nen unsere sozialen Sicherungssysteme eine Zukunft haben, nur dann werden sich auch zukünftig kranke und pflegebe dürftige Patienten durch menschliche Wärme und Nähe bei ihrer Betreuung wohlfühlen und genesen können, anstatt ge fühllosen Computern ausgeliefert zu sein.
Jeder möge selbst einmal darüber nachdenken, was er für sich in einer solchen Situation wünscht. Wir alle hier sollten des halb gemeinsam an wegweisenden Entscheidungen für unse re Gesellschaft arbeiten.
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den Krankenhäusern in Baden-Württemberg schon eine paradoxe Situation: Einerseits haben die Kliniken in Baden-Württem berg bundesweit die geringsten Kosten je Einwohner, die nied rigsten durchschnittlichen Krankenhaustage und die gerings ten Fallzahlen aufzuweisen. Trotzdem haben die Kliniken in Baden-Württemberg auf der anderen Seite bundesweit die höchsten Verlustquoten. Das ist eine paradoxe Situation. Denn wir zahlen gleichzeitig pro Einwohner mit den höchsten An teil an den Gesundheitsfonds für die gesetzliche Krankenver sicherung.
Darüber habe ich in der heutigen Diskussion noch gar nichts gehört. Wir sind nicht in der Situation, dass die Kliniken schlecht wirtschaften würden. Ich habe einen guten Eindruck,
wenn ich die Krankenhäuser in Baden-Württemberg besuche. Die Situation der Kliniken im Land liegt vielmehr daran, dass wir im Land ein deutlich höheres Lohnniveau haben als in an deren Bundesländern.
Es konnte mir noch keiner von den Bundespolitikern erklä ren, warum der Landesbasisfallwert, auf dem die Finanzie rung der Betriebskosten beruht, in Baden-Württemberg auf dem gleichen Niveau ist wie beispielsweise in MecklenburgVorpommern, wo das Pflegepersonal zum Teil einen fünfstel ligen Betrag pro Jahr weniger verdient. Bei dieser Finanzie rung läuft etwas schief, meine sehr geehrten Damen und Her ren.
Es ist nicht so, dass die Kliniken in Baden-Württemberg nicht mehr Pflegepersonal beschäftigen wollten. Trotz der schwie rigen Situation ist in Baden-Württemberg mehr Pflegeperso nal beschäftigt als im Bundesdurchschnitt. Das zeigt, dass die Kliniken in Baden-Württemberg trotz dieser finanziell schwie rigen Lage bereit sind, mehr zu tun.
Ich komme noch einmal auf den Landesbasisfallwert zu spre chen. Hier zeigt sich, wo die Herausforderung in den Sondie rungsgesprächen liegt, wo das Land, wo auch der baden-würt tembergische Sozialminister auf den Bund einwirken muss.