Protokoll der Sitzung vom 08.11.2017

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, Abgeordneten der Grünen, der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Anton Baron AfD – Zuruf von der CDU: Gut gemacht!)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Herre.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ge schätzte Kollegen Abgeordnete, meine Damen und Herren, liebe Jugendliche! Der gestrige Workshop mit den Jugendli chen hat gezeigt, dass zwischen der Vorstellung von einer Ge sellschaft und den realen Zuständen oft Welten liegen können. Den jungen Erwachsenen kann ich keinen Vorwurf machen. Sie können es unmöglich besser wissen. Für die meisten von ihnen sind viele Themen, mit denen wir uns gestern beschäf tigten, reine Politiktheorie aus dem Landtag.

Allerdings war auch ich irritiert – um es höflich auszudrücken –, als ich feststellte, dass unser Schulsystem einen wichtigen Punkt wohl nicht mehr fördert: die Meinungsvielfalt.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Ich warne dringend davor, Meinungen, die nicht in das Kon zept der Lehrer passen, aus den Klassenzimmern zu verban nen. Denn nur durch den Austausch können wir uns weiter entwickeln, wie der gestrige Tag gezeigt hat.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Hört, hört! – Abg. Rein hold Gall SPD: Haben die Jugendlichen was gesagt, was Ihnen nicht gefällt?)

An Unterschieden wachsen wir,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Echt?)

und – wie es so schön heißt – Gegensätze ziehen sich an.

Ein paar Gemeinsamkeiten haben wir gestern im Arbeitskreis allerdings gefunden. So ging es um die Ausstattung von Schu len. Da waren wir uns alle einig. Denn es darf nicht sein, dass Schüler zwischen defekten Schultoiletten und veralteten Com putern Wissen erlangen müssen,

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wissen, das für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg, das Land der Tüftler und Erfinder, unersetzlich ist. Denn wir sind uns doch auch darin einig, dass wir unseren Spitzenplatz im Bereich der Bildung schnellstmöglich zurückerobern wol len, einen Platz, der durch die Vorgängerregierung so achtlos aufgegeben wurde.

(Beifall bei der AfD)

Achtlos aufgegeben wurde in meinen Augen auch die Zukunft der Jugendlichen. Gestern sagte mir eine junge Dame, dass es

uns in Deutschland doch gut gehe. Wirklich? Allen? Wie kann eine 18-Jährige ahnen, wie sich der demografische Wandel auf ihr Leben auswirken wird? Nach 45 Jahren Arbeit von 650 € Rente monatlich leben zu müssen ist schon heute unwürdig.

(Beifall bei der AfD)

Aber die heutige Jugend wird, wenn sie mit 70 oder 75 Jah ren in Rente geht, neidisch an die heutigen Rentner zurück denken.

(Abg. Jürgen Keck FDP/DVP: Wie wäre es mit Mut machen?)

Wir, die jungen Menschen, sind es, die für jede Fehlentschei dung in diesem Land, die große Kosten nach sich zieht, zah len müssen – und zwar nicht nur mit Geld, sondern wir müs sen mit unserer Zukunft bezahlen.

Zukunft – für viele der jungen Leute hier im Saal ist das noch eine vage Vorstellung, ein leeres Blatt, das alle Möglichkei ten bietet, aber noch völlig unbeschrieben ist. Für einige ist die Ehe, sind eigene Kinder durchaus vorstellbar, wie ich ges tern im Gespräch erfreut festgestellt habe. Denn diese konser vativen Werte sind wichtig. Die Familie als kleinste Gemein schaft ist unendlich wertvoll. In ihr wachsen wir auf, in ihr werden wir geprägt. Sie gibt uns unsere Wertvorstellungen mit auf den Weg.

(Beifall bei der AfD)

Die Familie gibt uns Halt. Doch diese Gemeinschaft ist ge fährdet. Denn eine Familie zu gründen setzt nicht nur die Be reitschaft voraus, sich fest an jemanden zu binden. Eine Fa miliengründung kostet auch viel Geld. Aber ohne angemes senen Lohn und einen sicheren Arbeitsplatz sinkt erfahrungs gemäß die Bereitschaft zur Familiengründung. Das zeigt der demografische Wandel. Das kann unmöglich im Interesse ei nes Wirtschaftsstandorts wie Deutschland sein. Wir sind auf Nachwuchs angewiesen.

(Beifall bei der AfD)

Wie verheerend es für Unternehmen ist, wenn Nachwuchs nicht mehr zu finden ist, sehen wir aktuell im Handwerk. Si chere Arbeitsplätze brauchen wir. Wir brauchen aber auch jun ge Leute, die schnell ins Berufsleben finden, und zwar nicht nur als preiswerte Praktikanten, sondern als ernst zu nehmen de Fachkräfte, die sich Stück für Stück eine Perspektive erar beiten.

(Beifall bei der AfD)

Mit prekären Arbeitsverhältnissen erreicht man so gut wie nichts. Es rächt sich spätestens dann, wenn man von einem Praktikum ins nächste stolpert. Denn die mittelständischen Unternehmen und die Handwerksbetriebe wollen keine sprung haften Angestellten. Auch ihnen geht es um die sichtbare Be reitschaft, sich voll und ganz auf etwas einzulassen.

Wir müssen wieder dahin kommen, dass man aufeinander zäh len kann und gemeinsam einen Teil des Weges geht – in pri vater wie in beruflicher Hinsicht.

Mit diesen Worten schließe ich auch schon fast die Rede.

Sie müssen sie auch schließen.

Nur eines möchte ich noch sagen: Auch wenn wir gestern nicht immer einer Meinung waren, ha be ich Hoffnung für diese Jugend.

(Beifall bei der AfD – Lachen bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Meine Güte! Welche Anmaßung! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Die Jugendlichen haben sich die Zeit genommen, hierherzu kommen. Sie hatten auch keine Scheu, ihre Meinung laut zu sagen. An Mut fehlt es jedenfalls nicht.

Ich danke allen, die diesen Jugendlandtag möglich gemacht haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Kenner das Wort. Es ist seine erste Rede. Da her bitte ich Sie, von Zwischenfragen abzusehen. Ich bitte auch insgesamt um Ruhe. Vielen Dank.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich dachte, er redet zur Pflege! Redet der zur Jugend?)

Genau. – Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es steht zwar nicht auf meinem Blatt, aber ich finde es etwas befremdlich, dass alle Jugendlichen, die gerade begrüßt wur den, nicht mehr im Saal sind. Ich hätte es schon ganz gut ge funden, wenn sie die jugendpolitische Debatte in diesem Ple num live bis zum Ende hätten verfolgen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der AfD)

Die gestrige Veranstaltung – das haben alle Kolleginnen und Kollegen schon erwähnt – war sehr lebendig. Es ist auch wich tig, solche Veranstaltungen durchzuführen, damit wir live er fahren, was junge Menschen denken. Das Thema heißt ja Ju gendbeteiligung.

Wenn wir mal die Geschichte betrachten, so stellen wir fest: Die Beteiligungskultur in Deutschland gibt es noch nicht sehr lange. Jahrhundertelang haben Despoten und Herrscher über Leben und Tod, über Sein oder Nichtsein entschieden. Erst seit 1919 haben die Deutschen das freie, gleiche und allge meine Wahlrecht.

Es war die SPD, die damals zum Entsetzen vieler dafür ge sorgt hat, dass auch Frauen wählen dürfen. Es war die SPD, die in den Siebzigerjahren dafür gesorgt hat, dass das Volljäh rigkeits- und Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt wurde.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Mit wem zusam men?)

Mit der FDP zusammen. Das hätte ich schon noch gesagt.

Und es war die SPD – zusammen mit den Grünen –, die in Baden-Württemberg dafür gesorgt hat, dass Jugendliche bei Kommunalwahlen ab 16 aktiv wählen dürfen und so über die Geschicke ihrer Kommunen mitbestimmen dürfen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das haben aber die Wähler am 24. September nicht gewusst!)

Willy Brandt hat das Thema mit einem ganz einfachen Satz auf den Punkt gebracht: „Mehr Demokratie wagen.“ Mehr De mokratie wagen müssen wir auch, wenn es darum geht, die Jugend zu beteiligen. Wer sicherstellen möchte, dass diese De mokratie in 100 Jahren noch besteht, muss die Jugend aktiv beteiligen. Das ist keine Kürveranstaltung, das ist eine abso lute Pflicht.

Ich sage zu dieser Seite hier: Wer vor der eigenen Jugend Angst hat, hat schon seine eigene Zukunft verloren. So ist es, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)