sich in die innerstaatlichen Belange eines anderen Landes ein zumischen? Das bedarf einer sorgfältigen Abwägung. Frau Kollegin Kurtz hat auf die Enge der Beziehungen zu Russland schon hingewiesen.
Unsere Aufgabe ist die Gewährleistung der intellektuellen Freiheit, der Meinungsfreiheit und der Unverletzlichkeit der Personen in unserem Land.
Meine Damen und Herren, auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse kam es zu Zerstörung und zu körperlichen Über griffen auf Menschen, auf Aussteller und Besucher, aufgrund ihrer politischen Überzeugung.
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Da gab es massive körperliche Angriffe von rechtsextremer Sei te!)
Einschüchterungen und tätliche Übergriffe funktionierten frü her wie heute. Das Buch „Mit Linken leben“ vom Verlag An taios war das Corpus Delicti.
(Abg. Anton Baron AfD: Grüne Jugend! – Abg. Da niel Andreas Lede Abal GRÜNE: Da sind Besucher, die die Rechtsextremen kritisiert haben, körperlich angegriffen worden!)
Und es gibt noch schmerzhaftere Kapitel: Arbeitsplatzverlust aus politischen Gründen, arglistige Täuschung, wenn der Mie ter dem Vermieter eine bestimmte Parteizugehörigkeit nicht meldet. Statt Opferschutz wird also der materielle Schaden
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde, obwohl es von den Vereinten Nationen als menschenrechtswidrig eingestuft wur de, trotzdem verabschiedet.
Es widerspricht der Meinungsfreiheit und dem Recht auf Pri vatsphäre. Wir sehen: Wir haben hier viel zu tun.
Ich habe den Eindruck, Serebrennikov wird für seine politi schen Aussagen auf einen Sockel gehoben. Bezüglich des schönen Titels dieser Debatte – „Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ – kann ich in diesem Fall zu Ihnen allerdings nur sa gen: Thema verfehlt! Setzen, Sechs!
Frau Präsidentin, meine Kollegin nen und Kollegen! Es ist gut und richtig, dass diese Debatte unter dem Leitsatz steht, den uns der größte Theaterdichter dieses Landes, Friedrich Schiller, ins kollektive Gedächtnis geschrieben hat: Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Leitsatz gehört zur DNA unserer politischen und gesellschaftlichen Kultur, näm lich Artikel 5 unseres Grundgesetzes:
Das, was wir hier machen, ist eben nicht religiöse Verehrung der Kunst, sondern es geht um ein Grundrecht, das in unserer Verfassung steht,
(Beifall bei der SPD, Abgeordneten der Grünen und der CDU sowie des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Politisch missbraucht!)
einen unabänderlichen Bestandteil unserer Verfassung, über den wir hier heute diskutieren, weil dies in anderen Ländern nicht so ist.
Dieser Artikel in der Verfassung der Bundesrepublik Deutsch land ist vor dem Hintergrund der unseligen deutschen Vergan genheit entstanden. Die Einschränkung der Freiheit, die Un terdrückung aller Andersdenkenden, die Verfolgung der Frei geister hat sich immer zuerst gegen Kunst und Kultur gerich tet. Diese Verfolgung läutete in unserem Land umfassende Despotie und Vernichtung ein. Denken wir an die Bücherver brennung, heute schon mehrfach angesprochen, den 9. No vember – all dies endete zuletzt in Auschwitz.
Europa und seine Grundwerte, meine Kolleginnen und Kol legen, müssen heute, in Zeiten des Rechtspopulismus und des Erstarkens autokratischer Machtstrukturen,
Wir haben es gerade schon so ein bisschen gehört: Bei den Künstlern fängt man an, wenn man Demokratie und Rechts staatlichkeit zerstören will. Das ist eine der zentralen Lehren unserer Geschichte.
Deshalb, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kolle gen, ist es absolut notwendig, auf alle Anzeichen von Unter drückung künstlerischer und kultureller Freiheit entschieden zu reagieren.
Unfreiheit und Unterdrückung in anderen Ländern sind zu nächst scheinbar weit weg. Aber am Fall Serebrennikov, über den wir hier heute diskutieren, wird deutlich, dass dem eben nicht so ist. Die Folgen dieser Unfreiheit und Unterdrückung in anderen Ländern sind hier, genau gegenüber in der von uns doch so geschätzten Staatsoper, spürbar.
Mein Fraktionsvorsitzender Andreas Stoch und ich haben vor einigen Wochen einen Brief an Bundespräsident Frank-Wal ter Steinmeier vor dessen Besuch bei Wladimir Putin geschrie ben und ihn gebeten, den Fall Serebrennikov anzusprechen. Wir konnten ja dann lesen und sehen oder hören, dass er dies auch getan hat. Er hat sich gekümmert. Er hat darüber gespro chen. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch die Hoffnung, dass der Hausarrest aufgehoben oder nicht verlängert wird. Diese Hoffnung hat sich nun zerschlagen. Deswegen ist nun auch, denken wir, die Zeit der stillen Diplomatie vorbei. Wir müs sen uns hier laut für Herrn Serebrennikov aussprechen. Es ist Zeit für laute Töne.
Deswegen, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kol legen, ist es wirklich gut, dass wir heute hier über dieses The ma sprechen. Ich bin den Kollegen der Fraktion GRÜNE aus drücklich dankbar, dass sie das hier zur Aktuellen Debatte er hoben haben.
Diese Debatte – das wurde schon erwähnt – ist wirklich ein wichtiges Zeichen der Solidarität und des öffentlichen Wach
haltens dieses skandalösen Vorgangs in Russland. Denn die Machthaber in Russland werden auf das allmähliche Verges sen, auf das Abebben der Empörung und schließlich darauf setzen, dass in Feuilletons sowie im Politik- und im Kultur betrieb Gras über die Sache wächst. Das darf nicht sein, mei ne Kolleginnen und Kollegen.