Protokoll der Sitzung vom 09.11.2017

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aussprache findet nächste Woche statt. Jetzt hö ren wir erst einmal der Finanzministerin zu.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Das fällt aber schwer!)

Bitte, Frau Ministerin.

... – herzlichen Dank –,

(Vereinzelt Beifall – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ein bisschen mehr Feuer!)

Nullrunde im öffentlichen Dienst und erste schwarze Null im Haushalt unter Ministerpräsident Oettinger, Sparrunden, Er höhung der Grunderwerbsteuer, klare Priorisierung der Mit tel nach dem Prinzip „Erhalt vor Neubau“, beispielsweise im Straßenbau, in der letzten Legislaturperiode – all das waren wichtige Bausteine für die Konsolidierung. All diese Maßnah men waren meist nicht populär, aber sie waren notwendig. Mut zu Reformen, dranbleiben – das zahlt sich aus, meine Da men und Herren.

Wo stehen wir heute bei der Nachhaltigkeit des Landeshaus halts? Wir haben gemeinsam in den letzten Jahren das An wachsen des Schuldenbergs gestoppt und damit ein wichtiges Etappenziel erreicht. Entscheidend für die Nachhaltigkeit öf fentlicher Haushalte ist ja nicht nur die absolute Höhe der Schulden, sondern das Verhältnis der Schulden zur Wirt schaftskraft. Wenn wir die Entwicklung dieser Kennziffer be trachten, dann wird noch deutlicher, wie erfolgreich die Kon solidierung der vergangenen Jahre war.

Im Jahr 2005 war das Land noch mit 11,8 % seiner jährlichen Wirtschaftsleistung verschuldet. Die Nullverschuldung der vergangenen Jahre und die geplante Schuldentilgung bei gleichzeitig wachsender Wirtschaft werden dazu führen, dass Baden-Württemberg im Jahr 2019 nur noch mit 8,6 % seiner Wirtschaftskraft verschuldet sein wird – also eine Verbesse rung der Schuldentragfähigkeit um über ein Drittel.

Das gleiche Bild ergibt sich, wenn man den Schuldenstand ins Verhältnis zu den Nettosteuereinnahmen setzt. Das ist für den Landeshaushalt eine noch aussagefähigere Kennziffer für die Schuldentragfähigkeit. 2005 betrug der Schuldenstand noch das 2,6-Fache der Nettosteuereinnahmen. 2019 sinkt dieses Verhältnis auf das 1,6-Fache – eine Verbesserung der Schul dentragfähigkeit um deutlich über ein Drittel, meine Damen und Herren.

Veranschaulichen wir den Sachverhalt am Beispiel eines Ehe paars, wobei beide Partner arbeiten und gut verdienen. Im Jahr 2005 betrug ihr gemeinsames Nettoeinkommen pro Monat 7 000 €, also 84 000 € im Jahr. Um ein Häusle zu kaufen, neh men sie einen Kredit in Höhe von 220 000 € auf.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Der war gut!)

2005 sind ihre Schulden also 2,6-mal so hoch wie ihr Jahres nettoeinkommen. Um ihre Schuldenlast auf das 1,6-Fache ih res Jahresnettoeinkommens zu reduzieren, müsste das Ehe paar bis 2019 entweder 85 000 € Schulden tilgen, also jedes Jahr 6 000 €, oder ihr monatliches Einkommen auf fast 11 500 € erhöhen.

Daran sieht man, das ist nicht selbstverständlich und nicht ein fach. Aber genau das haben wir für den Haushalt in BadenWürttemberg geschafft – das heißt eine gewaltige Verbesse rung der finanziellen Lage, eine Verbesserung der Schulden tragfähigkeit um über ein Drittel, meine Damen und Herren.

Das Verhältnis von Schulden zur Wirtschaftskraft ist also wichtig. Aber der Blick allein auf die Kreditmarktverschul dung greift zu kurz. Noch wichtiger für die langfristige Nach haltigkeit ist die Höhe der impliziten Schulden des Landes. Hierzu zählen u. a. der Sanierungsstau bei Landesgebäuden und Straßen und die Pensionsverpflichtungen. Diese implizi ten Schulden übersteigen in ihrer Höhe bei Weitem die Ver schuldung am Kreditmarkt des Landes.

Die Pensionsausgaben betragen heute schon 4,9 Milliarden € pro Jahr. Bis 2050 werden sie voraussichtlich auf rund 8,8 Milliarden € pro Jahr anwachsen. Das ist eine enorme Zah lungsverpflichtung für die Zukunft; das sind enorme implizi te Schulden.

Was wir jetzt für Pensionen zurücklegen, hilft den kommen den Generationen und erhält ihnen einen Handlungsspielraum im Haushalt für die Zukunft. Im derzeitigen Niedrigzinsum feld lohnt sich das auch wirtschaftlich. Die Verzinsung der Rücklage für die Pensionen der Beamten liegt derzeit deut lich über dem Zinssatz, den wir für Kreditmarktschulden be zahlen.

Aufgeschobene Sanierungen verursachen hohe Kosten in der Zukunft. Diese Folgekosten sind wesentlich höher als das, was wir an Zinszahlungen sparen, wenn wir heute Kreditmarkt schulden tilgen. Heute mehr für Sanierung auszugeben ist al so wirtschaftlich sinnvoll, und es zahlt sich langfristig auch im Haushalt aus.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, gilt in diesem Doppel haushalt: Priorität für den Abbau impliziter Schulden. Je nied riger die impliziten Schulden in der Zukunft ausfallen, je mehr wir heute dafür vorsorgen, desto solider und nachhaltiger ist der Landeshaushalt langfristig aufgestellt.

Deshalb war es völlig richtig, klug und weitsichtig, dass wir im vergangenen Jahr die Landeshaushaltsordnung geändert haben, also die Tilgungsverpflichtung gemäß § 18 LHO auf die implizite Verschuldung erweitert haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Hätten wir das nicht gemacht, wie die Opposition es gefordert hatte, wäre das zum wirtschaftlichen Schaden des Landes ge wesen.

(Lachen des Abg. Emil Sänze AfD)

Wir hingegen wollen das Vermögen der Bürgerinnen und Bür ger bestmöglich erhalten und mehren.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP deutet auf Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU. – Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: Da wird sogar der Wolfgang rot!)

Deshalb haben wir gehandelt, und das zahlt sich aus, meine Damen und Herren.

In diesem Jahr haben wir bereits 411 Millionen € für die Til gung impliziter Schulden vorgesehen. Aufgrund der guten Einnahmeentwicklung und des fortgesetzten Konsolidierungs kurses können wir in den kommenden beiden Jahren rund 1,9 Milliarden € implizite Schulden tilgen und zusätzlich auch noch in die Rückzahlung von Schulden am Kreditmarkt in Hö he von 0,5 Milliarden € einsteigen. Insgesamt tilgen wir da mit also mindestens 2,4 Milliarden €. Das ist eine historische Trendwende.

Lassen Sie mich zum Thema Versorgungsrücklage und Ver sorgungsfonds die beiden wichtigsten Maßnahmen kurz er läutern. In der Amtszeit von Ministerpräsident Teufel wurden die bundesgesetzlichen Vorgaben zur Versorgungsrücklage im Land umgesetzt. Zusätzlich wurde in der Amtszeit von Minis terpräsident Oettinger ein Versorgungsfonds geschaffen. Ziel ist, eine Rücklage für die Pensionsverpflichtungen zu bilden. Das war weitsichtig, das war klug, und es war ein wichtiger Beitrag für mehr Nachhaltigkeit im Haushalt. Diesen Kurs set zen wir fort.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Allein im letzten und in diesem Jahr haben wir 1,1 Milliar den € zusätzlich zurückgelegt. Derzeit betragen unsere beiden Sondervermögen 6,6 Milliarden €. Wir tasten dieses Sonder vermögen nicht an,

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD – Zuruf von den Grünen: Sehr gut!)

sondern wir erhöhen es noch einmal deutlich.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Im Jahr 2018 führen wir noch einmal zusätzlich 120 Millio nen € aus den Mitteln von § 18 LHO dem Versorgungsfonds zu. Insgesamt steigt damit die Zuführung an den Versorgungs fonds im Jahr 2018 auf 560 Millionen €, so viel wie noch nie, meine Damen und Herren. Hinzu kommt: Ab dem 1. Januar 2020 werden wir statt monatlich 500 € dann 750 € pro neu eingestelltem Beamten in diesen Versorgungsfonds einzahlen und pro neu geschaffener Stelle monatlich sogar 1 000 € ein zahlen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Damit folgen wir einer Empfehlung des Rechnungshofs, und wir sorgen dafür, dass die Zuführungen für die Pensionsver pflichtungen zukünftig dynamisch weiter ansteigen werden.

(Abg. Anton Baron AfD: Was hat der Bürger davon?)

Es erfolgen also einmalige Sonderzuführungen und dauerhaft erhöhte Einzahlungen. Unser Ziel ist es, bis Ende 2019 die Rücklagen auf über 7,8 Milliarden € zu erhöhen. Das ist nach haltig, das ist vorausschauend, das ist vernünftig, und es ist auch verlässlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Der größte Schwerpunkt – ich hatte es bereits gesagt – in die sem Doppelhaushalt liegt auf dem Abbau des Sanierungsstaus. Wir nehmen 1,25 Milliarden € zusätzlich für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen in die Hand. Dies ist ein absoluter Re kord und absolut notwendig.

In den vergangenen Jahren haben wir die Mittel für die Sanie rung der Landesstraßen massiv erhöht. Das zahlt sich nun all mählich aus. Im Jahr 2016 hat sich der Zustand der Landes straßen erstmals seit Langem verbessert.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Der Abbau des Sanierungsstaus ist eingeläutet, aber der Sa nierungsstau ist noch nicht aufgelöst. Die Sanierung der Lan desstraßen führen wir mit beschleunigtem Tempo fort.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD)

Wir stellen jährlich 100 Millionen € zusätzlich bereit,

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Tempolimit!)

sodass insgesamt 180 Millionen € pro Jahr zur Verfügung ste hen. Der Löwenanteil der Sanierungsmittel fließt in unsere landeseigenen Gebäude, in Hochschulen, Polizeigebäude, Ge richte, Finanzämter. Überall gibt es einen erheblichen Sanie rungsstau. Die Instandhaltung wurde leider jahrzehntelang vernachlässigt. Wir wollen auch bei den Landesgebäuden in den kommenden Jahren den Sanierungsstau sukzessive auflö sen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Um den Bestand zu erhalten, benötigen wir jährlich rund 850 Millionen €. In den Jahren 2018 und 2019 planen wir mit Bau ausgaben von jeweils über 1 Milliarde €. Mit diesem Doppel haushalt beginnen wir die Trendwende. Wir leiten ein Jahr zehnt der Sanierung unserer Gebäude ein.

Auch den Kommunen in Baden-Württemberg helfen wir beim Abbau des Sanierungsstaus, beispielsweise an Schulen. Durch den von uns im letzten Jahr neu geschaffenen kommunalen Sanierungsfonds erhalten die Kommunen nach dem Regie rungsentwurf im Jahr 2018 108 Millionen € und im Jahr 2019 sogar 136 Millionen € für Sanierungen.