Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Wir gehen die wichtigen Zukunftsfragen in sechs strategischen Handlungsfeldern systematisch an: vom Handlungsfeld „Pro duktion“ in Säule 1 über das Handlungsfeld „Digitalisierung“ in Säule 4 bis zum Handlungsfeld „Forschungsumfeld“ in Säule 6.

Ein kurzer Draht, schlanke Entscheidungswege, effektive Pro jektstrukturen, ein interdisziplinärer Ansatz – darum geht es beim Strategiedialog. Denn die Umbrüche vollziehen sich in einem rasend schnellen Tempo. Wir haben in allen sechs Säu len die Arbeit aufgenommen. Es herrscht Aufbruchstimmung, und die Projekte werden gerade definiert.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Selbstverständlich, Herr Kollege Rülke, müssen sie auch fi nanziell hinterlegt werden, damit man die Maßnahmen, die man dort vereinbart, auch angehen kann. Deswegen ist es eben kein Kaffeekränzchen. Nein, da wird ernsthaft zusammenge arbeitet. Es gibt mittlerweile 27 Arbeitskreise und rund 85 Sit zungen pro Jahr. Das heißt, wir verfolgen über diese Strate giedialoge ein umfassendes Arbeitsprogramm.

Wir treiben die Schlüsseltechnologie Elektromobilität und au tonomes Fahren entschlossen voran. Mit 2 000 neuen Lade säulen für Elektroautos schaffen wir ein flächendeckendes Netz im Land. Mit unserer Mittelstandsoffensive unterstützen wir Unternehmen bei der Entwicklung innovativer Mobilitäts lösungen, und mit unserem deutschlandweit einzigartigen Testfeld bringen wir das autonome Fahren voran.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Sie sehen also, meine Damen und Herren: Wir packen die Transformation am Schopf, damit der führende Automobil standort von heute zum führenden Mobilitätsstandort von morgen wird. Das nenne ich Gestaltung des Wandels.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Auch die Digitalisierung gehen wir ganz entschlossen an. Die digitale Revolution soll den Menschen dienen und ihr Leben verbessern. Mit ihrer Hilfe wollen wir durch automatisiertes Fahren Staus und Verkehrsunfälle vermeiden, Krankheiten mit digital unterstützter Medizin besser bekämpfen, die Bildungs chancen junger Menschen durch die digitalen Medien erhö hen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in unse rem Land sichern. Deswegen haben wir eine umfassende Di

gitalisierungsstrategie auf den Weg gebracht. Wir investieren dafür in dieser Legislaturperiode die Rekordsumme von rund 1 Milliarde €.

In den kommenden beiden Jahren gehen wir 67 Leuchtturm projekte an und nehmen dafür gut 265 Millionen € in die Hand. Auch das ist eine echte Teamleistung der ganzen Re gierung von Grün und Schwarz unter der Federführung von Minister Strobl.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ich denke, Sie sehen, dass wir mit dieser Offensive – auch ei ner Qualifizierungsoffensive etwa durch digitale Lernfabriken an den Berufsschulen, eine neue digitale Bildungsplattform, Informatikunterricht an allen weiterführenden Schulen – die Menschen fit machen für die Welt von morgen. Auch dafür in vestieren wir im Doppelhaushalt 60 Millionen € in Bildung und Weiterbildung.

Meine Damen und Herren, Robert Bosch, Gottlieb Daimler oder Dietmar Hopp prägen unseren Wirtschaftsstandort bis heute. Sie stehen für den landestypischen Tüftlergeist. Auch heute brauchen wir Gründerinnen und Gründer, die mit ihrem Mut und ihren Ideen die Wirtschaft in unserem Land voran bringen. Darum stoßen wir die Tore auf für eine neue Grün derzeit. Wir lassen neun Start-up-Ökosysteme wachsen von Mannheim bis zum Bodensee, von der Biotechnologie bis zur Kreativwirtschaft. Mit unserem neuen Seed-Programm unter stützen wir innovative Start-ups in der schwierigen Frühpha se. Dafür nehmen wir 14 Millionen € in die Hand. Das ergän zen wir durch unseren Wagniskapitalfonds. Den Landesanteil stocken wir auf 20 Millionen € auf. Wir stärken außerdem den Gründergeist an den Hochschulen in unserem Land.

Wir wollen den Menschen Mut machen, etwas zu wagen. Das heißt auch, wegzukommen von einer überholten Fehlerver meidungskultur hin zur Kultur der zweiten Chance. Denn wir können es uns nicht leisten, dass Gründer und kreative Köp fe schief angeschaut werden, weil sie im ersten Anlauf nicht erfolgreich waren. Nein, wir müssen ihnen Mut zum zweiten Versuch machen. Nur dann kann es zu einer zweiten Gründer zeit kommen.

Sie sehen, meine Damen und Herren, auch auf diesem wich tigen Zukunftsfeld sind wir aktiv, und zwar angepasst für un ser Land, dezentral mit diesen neuen lokalen Ökosystemen. Das genau entspricht der Wirtschaftsstruktur unseres Landes. Auch da gilt wieder: Wir haben nicht ein Valley, sondern vie le.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, vor wenigen Wochen hat hier in diesem Hohen Haus der Gouverneur von Kalifornien Jerry Brown ein flammendes Plädoyer für den Klimaschutz gehal ten. Er hob dabei die führende Rolle Baden-Württembergs im Kampf gegen die globale Erwärmung hervor. Es war schließ lich Baden-Württemberg, das gemeinsam mit Kalifornien die Under-2-Coalition aus der Taufe gehoben hat. Aus dieser Idee ist inzwischen ein weltumspannendes Bündnis geworden, ein „scharfes Schwert“, wie die FAZ schreibt. Über 200 Regio nen weltweit machen mit, und es werden laufend mehr. Es steht für eine Milliarde Menschen und ein Drittel der Welt wirtschaftsleistung. Diese Klimaallianz brauchen wir heute

dringender denn je; denn der Kampf gegen den Klimawandel ist die Menschheitsfrage unserer Zeit. Deshalb tut meine Lan desregierung alles dafür, unserer Verantwortung als führende Industrieregion gerecht zu werden.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Wir wollen zeigen: Wirtschaftlicher Erfolg und ökologische Verantwortung gehen Hand in Hand.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Fahrverbote?)

Beide, Ökonomie und Ökologie, entfalten gemeinsam eine gewaltige Innovationskraft. Weil an diesem Bündnis mit Ka lifornien und Baden-Württemberg auf beiden Kontinenten je weils eine der innovativsten Regionen beteiligt ist, liegt dar in auch ein Wohlstandsversprechen, das international aus strahlt. Dass wir auf dem richtigen Weg sind, zeigt eine aktu elle Studie. Sie sieht Baden-Württemberg bei der Energiewen de bundesweit auf Platz 1.

Aber wir ruhen uns auf diesen Lorbeeren nicht aus. Auch das zeigt unser Haushaltsentwurf. Noch nie zuvor hat eine Lan desregierung so viel für ökologische Modernisierung, den Kli maschutz und den Naturschutz getan. Wir stecken fast 25 Mil lionen € zusätzlich in den Ausbau erneuerbarer Energien, in Klimaschutz und Energieeffizienz. Wir treiben unsere Solar offensive konsequent voran, und wir stärken unsere Umwelt verwaltung mit gut 200 Stellen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zurufe von der AfD)

Unternehmen aus dem Südwesten sind bei grünen Technolo gien und Ressourceneffizienz weltweit führend. Wir sorgen dafür, dass sie ihre Spitzenposition auf diesem Gebiet weiter ausbauen, etwa mit dem neuen Thinktank „Industrielle Res sourcenstrategien“ im KIT – hier entwickeln Wissenschaft und Unternehmen Hand in Hand die Technologien und Produkti onsverfahren von morgen – oder mit der Ultraeffizienzfabrik an der Universität Stuttgart oder mit dem von uns geförder ten Ressourceneffizienzprogramm der L-Bank. Das ist ein echter Renner. Damit hat das Land bisher Effizienzmaßnah men von Mittelständlern mit Darlehen in Höhe von knapp 3 Milliarden € unterstützt. Wir haben in diesem Bereich ein weltweit einmaliges Netzwerk etabliert.

Klimaschutz, meine Damen und Herren, funktioniert nicht oh ne Verkehrswende. Wir machen Baden-Württemberg deshalb zum Vorreiter einer neuen, einer nachhaltigen Mobilität. Ein wichtiger Schritt ist dabei die Neuvergabe der Nahverkehrs netze. Mein Verkehrsminister ist dafür am Anfang ja belächelt worden. Aber es braucht eben vorausschauendes Denken und einen langen Atem. Heute lächelt niemand mehr; denn wir be kommen einen besseren Nahverkehr – und dies für weniger Geld –,

(Zuruf des Abg. Bernd Gögel AfD)

einen dichteren Takt, moderne Züge statt der alten Silberlin ge – barrierefrei, klimatisiert und mit kostenlosem WLAN. Mit der Neuausschreibung hat also ein neues Zeitalter im Nah verkehr in Baden-Württemberg begonnen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

So wird Fahren für die Menschen noch attraktiver.

Außerdem machen wir den ÖPNV mit dem Baden-Württem berg-Tarif unkomplizierter. Künftig kann jeder mit einem Ti cket durch alle 22 Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg fahren. Auch das ist ein echter Fortschritt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, der Klimawandel ist aber nicht die einzige ökologische Krise, die uns herausfordert. Weitgehend unbemerkt vollzieht sich gerade das größte globale Artenster ben seit dem Ende der Dinosaurier.

(Vereinzelt Lachen bei der AfD)

Auch unsere schöne Natur im Land ist bedroht. Zwei von fünf Arten sind gefährdet. Der Artenrückgang hat dramatische Fol gen. Die biologische Vielfalt ist wie ein eng gespanntes Netz: Mit jeder Pflanze, mit jedem Tier, das verschwindet, wird die Stabilität dieses Netzes geschwächt. Wir wollen aber, dass auch unsere Enkel und Urenkel eine schöne Heimat haben und die gleiche Vielfalt von Bienen, Schmetterlingen oder Pilzen erleben können. Auch dafür übernimmt das Land Verantwor tung.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Wir nehmen richtig Geld in die Hand und bringen ein bundes weit einmaliges Sonderprogramm zum Erhalt der biologischen Vielfalt auf den Weg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Was mich besonders freut: Dieses Programm ist eine echte Gemeinschaftsleistung zwischen dem Umweltministerium und dem Landwirtschaftsministerium.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Auch das Verkehrsministerium, das ja 27 000 ha Straßenbe gleitgrün verwaltet, ist noch mit dabei.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Großgrundbesit zer!)

Das ist eine echte Gemeinschaftsleistung. Da haben sich eben die beiden Ministerien zusammengetan und ein wegweisen des Paket geschnürt. Ich habe die Hoffnung, dass auf diese Weise der Gegensatz zwischen Landwirtschaft und Natur- und Umweltschutz Schritt für Schritt aufgehoben wird und das Ganze allmählich in dieselbe Richtung marschiert: Qualitäts produkte einerseits, aber auch naturschonend erzeugt, sodass unsere schöne Natur erhalten bleibt. Auch darauf sind wir stolz.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, wir investieren in den großen Drei klang aus Zusammenhalt, Innovation und Nachhaltigkeit. Wir gestalten so den Wandel und machen das Land fit für die He rausforderungen der Zukunft. Ich finde, dass dieser Doppel haushalt dafür wegweisend ist. Ja, er ist sogar historisch: Zum einen legen wir einen Haushalt vor, mit dem wir im fünften Haushaltsjahr in Folge keine neuen Schulden aufnehmen. Das gab es in der Geschichte Baden-Württembergs noch nie.

Zum anderen kommen wir nicht nur auf die schwarze Null, nein, wir werden sogar eine halbe Milliarde Euro an direkten Schulden abbauen. So eine hohe Schuldentilgung gab es noch nie. Von wegen Homöopathie! Die letzte nennenswerte Til gung in Höhe von umgerechnet 65 Millionen € gab es im Jahr 1969, also unter Ministerpräsident Filbinger. Über 40 Jahre lang gab es bei der Staatsverschuldung nur eine Richtung: Steil bergauf.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Seit 2011 musste Baden-Württemberg nur zwei Mal neue Schulden aufnehmen, nämlich in den Jahren 2013 und 2014. Man kann jetzt einwenden, das sei ja kein Wunder, wenn die Wirtschaft so hervorragend läuft, die Steuereinnahmen stei gen und die Zinsen niedrig sind.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Richtig! Ge nau! Das ist keine Kunst! – Abg. Anton Baron AfD: Richtig! Wenn der Haushalt zehn Mal gestiegen ist!)

Richtig, die Rahmenbedingungen sind top. Aber es gab auch in der Vergangenheit nicht nur schlechte Konjunktur, Herr Rülke. So ist es ja gerade nicht.