Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Der Umbruch, der uns heute herausfordert, Bibliothek neu zu denken, ist radikaler. Es ist auch effizienter, einfacher und fun dierter, seine Informationen digital – global, zu jeder Tages- und Nachtzeit – zu suchen, statt dafür in eine Bibliothek zu gehen.

Wir müssen daher Bibliothek neu denken. Wir müssen Bib liotheken neu gestalten, neu definieren.

Was kann Bibliothek leisten als Ort der Begegnung, als Ort des Wissens und als Ort des Lernens? Für mich soll eine Bi bliothek eine Stätte des Austauschs, eine Stätte des Wissens sein, wo Lernen zum Erlebnis wird,

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

wo Menschen gern sind. Ausgeweitet auf unsere Gesellschaft kommt hier eine soziale Komponente zum Tragen: Die Bib

liothek des 21. Jahrhunderts soll generationenübergreifend Raum bereitstellen,

(Beifall bei der SPD)

Raum zum Lesen, zum Suchen, zum Arbeiten, zum Austausch. Es geht an dieser Stelle um die Frage der Daseinsvorsorge im Bereich lebenslangen Lernens und um die Bereitstellung von modern ausgestatteten Räumen. Es geht auch um Impulse für Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe an der Digitalisierung.

Ich frage Sie daher: Inwieweit sind Sie bereit, die Kommunen bei der Neuausrichtung der Bibliotheken auch finanziell zu unterstützen? Dies betrifft sowohl die Infrastruktur, die Fort bildungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als eben auch die Architektur. Dieser Umbruch kann uns nur gelingen, wenn wir in Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen Bib liothek neu denken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Für die FDP/DVP-Frakti on erteile ich das Wort Herrn Kollegen Weinmann.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Johann Wolfgang von Goethe wuss te die Wertigkeit der Bibliotheken bestens zu beschreiben. Er sagte zu Bibliotheken:

... man fühlt sich wie in der Gegenwart eines großen Ka pitals, das geräuschlos unberechenbare Zinsen spendet.

In der Tat sind die Bibliotheken die stärkste Bildungs- und Kultureinrichtung. 24 Millionen Bibliotheksbesucherinnen und -besucher zeigen dies jährlich mit den Füßen, und die ele mentare Aufgabe, nämlich Zugang zu Information und Wis sen für alle zu ermöglichen, gewinnt eben in der digitalen Ge sellschaft eine neue Dimension. Dr. Frank Mentrup sagte am Tag der Bibliothek hier im Landtag am 25. Oktober 2017, dass wir durchaus stolz sein können auf das in vielen Landesteilen gut ausgebaute und vielfältige Bibliothekswesen. Und er hat recht. 553 Kommunen von 1 102 Städten und Gemeinden hal ten 796 öffentliche Bibliotheksstandorte bereit – eine durch aus bemerkenswerte Zahl –, und gleichzeitig haben 20 % der Bevölkerung keinen Zugang zu Bibliotheken in ihrem nähe ren Umfeld. Das ist eine Herausforderung, wie wir eine dich tere Bibliotheksversorgung schaffen können.

Da ist zum einen die Kulturstiftung des Bundes, die in einem Förderprogramm die Kommunen durchaus auch mit finan ziellen Mitteln unterstützen will, diesen Ort der Begegnung zu gestalten. Ich greife das Beispiel aus meiner Heimatstadt Heilbronn heraus: Wir haben eine Fahrbibliothek, eine „robi“, eine rollende Bibliothek, die den ländlichen Raum, insbeson dere die abseits gelegenen Stadtteile anfährt und so die Mög lichkeit zum Zugang zur Bibliothek eröffnet. Nicht verschwei gen möchte ich natürlich auch die Unterstützung des Landes; ich nenne die Landesinitiative „Digitale Wege ins Museum“, die darauf zielt, das für manche angestaubte Image der Lan desmuseen aufzupolieren. Eine ähnliche Initiative würden wir uns für die Landesbibliotheken wünschen, eben um die digi tale Transformation zu ermöglichen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die Bibliotheken müssen in vielen tatsächlichen und rechtli chen Bereichen mit Herausforderungen und mit Problemen kämpfen.

Ein wesentliches Problem ist schon angesprochen worden, das ist das Raum- und Platzproblem. Es geht nicht nur um diesen Platz der Begegnung, sondern es geht noch vielfältiger wei ter. Nehmen Sie den Artikel „Historische Zeitungen kommen in die Tonne“, der die Gratwanderung aufzeigt, die wir schaf fen müssen zwischen der Pflicht zum Bewahren des Histori schen – ich möchte jetzt keine Archivromantik heraufbe schwören – und der Raumnot, der wir mit der Digitalisierung eigentlich begegnen wollen.

Auch hinsichtlich der Pflichtexemplare, wovon jetzt auch die digitalen Publikationen umfasst sind, stehen wir vor erhebli chen Herausforderungen; denn der Archivierungsspagat zwi schen Printexemplaren einerseits und Netzpublikationen an dererseits will noch nicht gelingen. Hier besteht in der Tat noch Handlungsbedarf.

Oder nehmen Sie die Frage der Onlinebeschaffung und -be reitstellung, vornehmlich im wissenschaftlichen Bereich. 62 % – Frau Kurtz hat es angesprochen – der Informations angebote an Universitäten stehen heute digital zur Verfügung. Ich persönlich bevorzuge im Freizeitbereich – damit bin ich sicherlich stellvertretend für die meisten Leser in Deutschland – ein haptisches Buch und freue mich darüber. Auch dieser Bereich sollte also noch bedient werden.

Der EuGH hat 2016 festgestellt, dass klassische Bücher dem E-Book gleichgestellt werden. Das heißt, Bibliotheken dür fen digitale Bücher verleihen, ohne mit Verlagen und Autoren marktgerechte Lizenzvereinbarungen abzuschließen. Dass ei ne solche Entscheidung beim Buchhandel, bei Verlagen und Autoren keine Begeisterungsstürme auslöst, ist dabei selbst verständlich. Denn anders als ein klassisches, ein haptisches Buch nutzt sich das E-Book nicht ab.

Um diesen Ausgleich herzustellen, appellieren wir an Sie, an der Anwendung bestehender Lizenzmodelle festzuhalten, auf deren Grundlage die Bibliotheken zu angemessenen Konditi onen in Kooperation mit den Verlagen attraktive E-LendingAngebote für ihre Nutzer schaffen können. Allein dieses Bei spiel zeigt, wie kompliziert und vielschichtig die rechtlichen Fragen im digitalen Raum sind.

Insoweit ist die Forderung des Bibliotheksverbands BadenWürttemberg gut und richtig, eine landesweite spartenüber greifende Entwicklungsstrategie für die Bibliotheken zu erar beiten. Wir unterstützen Sie hierbei gern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Andreas Ken ner SPD)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Bauer.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Die Herausforderungen, vor die wir durch die Digita lisierung gestellt sind, sind gleichzeitig auch die Chancen, die wir ergreifen können. Deswegen bin ich froh über die Initia tive der Fraktion der CDU, die uns durch den vorliegenden

Antrag und unsere Stellungnahme hierzu Gelegenheit gibt, auch hier im Plenum einmal über die Digitalisierung im Bib liothekswesen im Land Baden-Württemberg zu sprechen.

Bibliotheken sind – das wurde eben in der Debatte bereits zu Recht unterstrichen – zentrale Orte unserer Informationsge sellschaft. Sie gehen mit dem Puls der Zeit. Deswegen müs sen sie sich – das tun sie auch – dem digitalen Wandel stellen, mit ihm umgehen und auf ihn reagieren.

Ich möchte heute zwei Aspekte besonders herausgreifen, für die ich als Wissenschaftsministerin auch in besonderer Weise zuständig bin, und möchte mich darauf beschränken, diese As pekte hier im Plenum ein wenig zu vertiefen.

Erstens geht es um die Gedächtnisfunktion, um die Gedächt nisinstitution Bibliothek. Bibliotheken sind unser kulturelles Gedächtnis; sie sind das kulturelle Gedächtnis für die Vergan genheit wie für die Gegenwart. Die Digitalisierung der bereits im bibliothekarischen Bestand vorhandenen wertvollen Bü cher und des Bibliotheksguts insgesamt sichert nicht nur das, was da ist, sondern eröffnet völlig neue, vielfältige Nutzungs möglichkeiten und neue Horizonte.

Alte Dokumente und Zeitschriften – um ein Beispiel zu nen nen –, die im Original aufgrund ihres schlechten Zustands heute für eine direkte Betrachtung zumeist nicht mehr zugäng lich sind, können in digitaler Form wieder zugänglich gemacht werden, und sie können ortsunabhängig auch weiteren Krei sen zugänglich gemacht werden.

Deswegen – auch als Reaktion auf den Artikel, der heute in der Zeitung steht – sollte man schauen, welche neuen Optio nen und Möglichkeiten sich durch die Digitalisierung erge ben, und nicht glauben, Digitalisierung bedeute, dass es mit den Instrumenten, die wir vielleicht alle noch aus unserer Stu dienzeit kennen, getan wäre.

Die zweite Funktion ist die des Informationsdienstleisters. Die Verfügbarmachung digitaler Informationen ist nach meiner Auffassung eine infrastrukturelle Grundversorgungsaufgabe. Die Bibliotheken, in besonderer Weise die Hochschulbiblio theken und die beiden Landesbibliotheken in unserem Land, müssen deswegen sicherstellen, dass ein effektiver und schnel ler Zugriff sowohl auf wissenschaftliche Publikationen aus Baden-Württemberg als auch auf nationale wie internationa le wissenschaftliche Zeitschriftenportfolios gewährleistet ist.

(Beifall des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜ NE)

Es ist nicht nur die Frage, ob wir darüber die Qualität des Stu diums sicherstellen; es geht auch um die Sicherstellung einer leistungsfähigen und innovativen Informationsinfrastruktur als Voraussetzung dafür, dass die wissenschaftlichen Einrich tungen in unserem Land im nationalen wie im internationalen Kontext in einem Wettbewerb um Spitzenergebnisse gut auf gestellt sind und konkurrieren können. Der Zugriff auf Wis sen ist so wichtig wie eine ordentliche finanzielle Basis für die Informationsinfrastruktur.

Was sind die Herausforderungen, vor denen unser wissen schaftliches Bibliothekswesen steht? Zunächst einmal geht es darum, überhaupt die technischen Voraussetzungen für den Erwerb und für die Langzeitarchivierung der Quellen zu

schaffen. Darüber hinaus geht es darum, die rechtlichen Rah menbedingungen so zu gestalten, dass Sammlung, Verteilung und Nutzung von digitalen Erzeugnissen ermöglicht werden und gleichzeitig ein fairer Ausgleich zwischen den Urhebern und den Nutzern organisiert wird.

Es ist klar: So etwas kostet auch Geld. Es geht – wie meist – auch ums Geld, aber es geht eben nicht nur um Fragen des Geldes, sondern auch um Fragen einer Verbreiterung der Nut zungs- und Zugangsmöglichkeiten.

Bei der Sammlung, Nutzung und Langzeitarchivierung von Netzpublikationen hatten wir bis vor Kurzem keine belastba re rechtliche Grundlage für die öffentliche Zugänglichma chung von elektronischen Medien. Ich habe mich, seitdem ich im Amt bin, dafür eingesetzt, dass wir eine solche bekommen, dass wir eine Novellierung des Urheberrechtsgesetzes auf Bundesebene bekommen. Es geht ja hier um ein Bundesge setz. Wir bekommen deswegen eine gesetzliche Grundlage, um das kulturelle Gedächtnis der Gegenwart besser aufzubau en.

Die Landesregierung fordert in diesem Zusammenhang auch ein wissenschaftsfreundliches Urheberrecht, um Zugang zu und Nutzung von digitalen Werken zu erleichtern.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der Abg. Marion Gentges CDU)

Endlich können wir dem entgegensehen. In einem Monat tritt endlich das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz – Sie haben es heute bereits mehrfach erwähnt – in Kraft. Auf Bun desebene war das wirklich eine schwere Geburt.

Die Informationsinfrastruktur der großen Hochschulbibliothe ken und anderer wissenschaftlicher Bibliotheken wird dadurch gestärkt. Dadurch werden die neue Gestaltung und verschie dene Verbesserungen für die digitale Forschung und Lehre hervor- und endlich auf den Weg gebracht.

Das gesetzliche sozusagen Update des Urheberrechts war ein wirklich überfälliger Schritt und verhindert im allerletzten Moment so etwas wie einen Analogvirus, dem sich insbeson dere die Studierenden schon ausgesetzt gesehen haben. Hät te man dieses Gesetz nicht ganz am Ende der letzten Legisla turperiode verabschiedet, hätten die Studierenden in den Bi bliotheken wieder – so wie damals vor 20 Jahren – an den Ko pierern Schlange stehen können, um sich ihre Semesterlitera tur zu kopieren.

Wenngleich in dieser Novelle nicht allen Forderungen der Länder im Urheberrecht Rechnung getragen wurde und wenn gleich das Gesetz, das jetzt in einem Monat in Kraft tritt, mit einer zeitlichen Befristung an den Start geht – nämlich mit ei ner Befristung von fünf Jahren –, ist das Ergebnis dennoch zu nächst einmal positiv. Es ist ein Schritt in die richtige Rich tung. Wir hoffen sehr, dass die nächste Bundesregierung auf diesem Kompromiss aufbaut und den Weg mutig weitergeht.

Genauso müssen wir den europäischen Rahmen im Blick be halten. Wir müssen das Urheberrecht nicht nur auf nationaler Ebene voranbringen, sondern auch geeignete Regelungen auf EU-Ebene hervorbringen. Ich hoffe sehr, dass der europäische Gesetzgeber nicht hinter den Status des deutschen Urheber rechts zurückfallen wird. Auch darüber werden wir im Bun

desrat zu reden haben. Wir werden, wenn es nötig ist, unse ren Einfluss erneut wahrnehmen, damit auch in den europa rechtlichen Vorgaben für die Bibliotheken die relevanten und wichtigen Themenfelder in der Richtlinie entsprechend ver ankert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich habe bereits in der Stellungnahme zum Antrag dargestellt, inwieweit sich das Wissenschaftsministerium in Sachen „Di gitaler Wandel“ in den Bibliotheken mit eigenen Landesmit teln engagiert. Wir unterstützen mit aller Kraft unsere Hoch schulen und Bibliotheken beim Aufbau einer gemeinsamen und zukunftsfähigen E-Science-Infrastruktur. Wir wissen, dass wir damit Voraussetzungen schaffen, damit die Forschung heutzutage überhaupt ihre methodischen Kapazitäten und Po tenziale ausschöpfen kann.