Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

An Universitäten und Hochschulen mit Promotionsrecht müs sen nun mindestens 40 % der Mitglieder des Senats aus den übrigen Gruppen – der Verwaltung, des wissenschaftlichen Dienstes, der Studierenden und der Promovierenden – gewählt werden. Damit wird der Anteil dieser Gruppen in den Sena ten ansteigen. Es wird keine Verdrängungseffekte geben.

Nicht zuletzt: Auch die Dekane, die uns als starke, verantwort liche Akteure in ihren Ämtern wichtig sind, werden nicht aus dem Senat gedrängt, sondern bekommen die Möglichkeit, künftig als gewählte Vertreter ihrer Fakultäten dem Senat mit Stimme und Gewicht anzugehören.

Meine Damen und Herren, es gab in der Anhörung vereinzelt Kritik, dass diese Novelle über das notwendige Maß hinaus geht. Das stimmt. Die Änderungen, die wir jetzt in die Wege geleitet haben und die ich Ihnen gerade dargestellt habe, ge hen in mindestens drei Aspekten über das vom Verfassungs gerichtshof Geforderte hinaus.

Wir wollten eben ein kluges, neues Gefüge schaffen, das zum einen die Balance zwischen individueller und institutioneller Freiheit angemessen abbildet, das aber auch starke Signale in Richtung der jungen Generation sendet, die wir für gute, für mutige und zukunftweisende Forschung brauchen.

Deswegen: Ich glaube, wir haben es mit dieser Gesetzesno velle geschafft, keine Verlierer hervorzubringen, sondern ei ne neue Stärke auszuprägen. Wir haben die Strategiefähigkeit und Zukunftsfähigkeit der Hochschulen insgesamt gestärkt und den einzelnen zugesichert, dass sie eigenständig agieren können.

Wie gesagt: Das Themenfeld Wissenschaft und das Amt ste cken voller Überraschungen. Das Urteil war eine solche. Nicht überrascht hat mich aber, wie wir die Herausforderung, die damit verbunden war, gemeistert haben. Ich glaube, wir ha ben das in bewährter Weise hervorragend hinbekommen.

Deswegen möchte ich mich bei dieser Gelegenheit bei Ihnen, insbesondere den Vertretern der Regierungsfraktionen, bedan ken. Denn dass wir so weit gekommen sind, dass wir uns die Zeit genommen haben, gründlich nachzudenken, mit vielen Akteuren zu reden, viele Anregungen aufzunehmen und sie in konstruktive Lösungen umzusetzen, ist auch Ihnen und Ihrer engagierten und konstruktiven Mitarbeit zu verdanken.

Deswegen hoffe ich, dass es Ihnen wie mir geht. Ich bin stolz auf diese Hochschulgesetznovelle. Ich glaube, sie bringt das Land und unsere Hochschulen voran – wohl wissend, dass nicht alles, was sinnvoll ist und was auch im Bereich des Hochschulrechts angepackt werden muss, Eingang in diese Novelle gefunden hat. Wir haben verabredet, dass es im Lau fe dieser Legislaturperiode eine zweite Novelle geben wird. Es wird also noch Gelegenheit geben, weitere Notwendigkei ten und kreative Ideen in ein weiteres Verfahren einzuspeisen.

In diesem Sinn noch einmal vielen Dank für die Beratungen. Ich bin mir sicher: Der Applaus wird auch aufseiten der Hoch schulen zu hören sein, wenn wir dieses parlamentarische Ver fahren rechtzeitig innerhalb der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist abgeschlossen haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgesetzt.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Salomon das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Lichte betrachtet, ist es alles andere als selbst verständlich, in welchem Umfang den baden-württembergi schen Hochschulen Freiheit gewährt wird. Die im Grundge setz verankerte Freiheit von Forschung und Lehre garantiert etwas, was es sonst in fast keinem anderen Berufsstand gibt: den Raum, ohne Furcht auch Unbequemes öffentlich zu den ken und äußern zu können. Erst in diesem, im langen Lauf der Geschichte erkämpften Freiraum kann Wissenschaft aufblü hen. Vor diesem Hintergrund sprechen wir über die vom Ver fassungsgerichtshof auf die Agenda gesetzte Hochschulgover nance.

Aus der grundgesetzlich verankerten Wissenschaftsfreiheit er wächst Hochschulautonomie. In Baden-Württemberg fahren wir gut damit,

(Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Hochschulen und Universitäten viel Vertrauen entgegenzu bringen und ihnen ein großes Maß an Autonomie zu gewäh ren. – Frau Rolland, wenn Sie es anders sehen, können Sie nachher ja, wenn Sie heute sprechen dürfen, etwas anderes sa gen.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD – Unruhe bei der SPD)

Grundlage dieser gelebten Freiheit ist das Landeshochschul gesetz aus dem Jahr 2005, das wir in den Jahren 2013 und 2014 noch einmal überarbeitet haben.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Erfolgreiche Hochschulgovernance ist ein Balanceakt. Auf der einen Seite finden wir viel Freiheit und Vertrauen, auf der anderen Seite steht die Maxime: Kontrolle ist besser. Das gilt im Innen- wie im Außenverhältnis der Hochschule. Jede No velle des Hochschulgesetzes greift damit in die fragile Balan ce ein.

2013/2014 haben wir uns entschieden, am Zusammenwirken von Senat, Rektorat und Hochschulrat festzuhalten, die Kom petenzen jedoch klarer abzugrenzen und den Senat durch In formationsrechte aufzuwerten. Nun sind wir durch den Be schluss des Verfassungsgerichtshofs gezwungen, erneut ein zugreifen. Ich darf festhalten: Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Nach der Anhörung im Wissenschaftsausschuss – darauf ist die Frau Ministerin auch schon eingegangen – zum jetzt vor liegenden Entwurf bin ich überzeugt, dass Vertrauen und Kon trolle, Freiheit und Steuerung auch zukünftig gut ausbalan ciert sein werden. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist auch keineswegs selbstverständlich, dass ein Gesetzentwurf durchgängig gelobt wird. Dort, wo es leise Kritik gab, wer den wir noch einmal genau hinschauen und auch nachbessern.

Mit den neu austarierten Senatszusammensetzungen, mit dem maßvoll eingesetzten Instrument der Urabwahl – – An dieser Stelle sei erwähnt, dass Herr Müller vom CHE – Centrum für Hochschulentwicklung – auch davon gesprochen hat, dass die Idee mit der Urabwahl ein Geniestreich sei. Und das will et was heißen, wenn Herr Müller das in einer solchen Anhörung sagt. Das hat er hier im Parlament noch nie zu einem Entwurf eines Gesetzes gesagt, wenn ich mich recht erinnern kann.

(Zuruf des Abg. Martin Rivoir SPD)

Daher: Das ist ein klarer Innovationsakzent, den wir setzen. Bundesweit eine Neuerung ist auch der eigenständige Status für Promovierende, den die Frau Ministerin auch bereits an gesprochen hat.

Wir bauen den Raum der Freiheit aus – gerade für jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Der Verfassungsgerichtshof hat uns enge Grenzen gesetzt hin sichtlich der Frage, wer die Trägerinnen und Träger der Wis senschaftsfreiheit sein dürfen. Sein Beschluss begrenzt diese auf Professorinnen und Professoren. Ich sage ganz offen: Dies entspricht nicht meinem Verständnis und, soweit mein Ein blick in Lehre und Forschung reicht, ebenso wenig der geleb ten Praxis an unseren Hochschulen.

Deswegen bedaure ich es sehr, dass wir hier nicht mutiger sein konnten. Hier setzt uns der Verfassungsgerichtshof leider Grenzen. Ich hoffe, dass es in Zukunft vielleicht bei neueren Entscheidungen zu diesem Bereich auch eine neue Entwick lung innerhalb des Verfassungsgerichtshofs geben wird.

Der Wunsch bezüglich der Autonomie der Hochschulen, beim Hochschulbau mehr machen zu dürfen, ist in der Anhörung mehrfach gefallen. Das ist zwar nicht Thema dieser Novelle, das Thema ist aber weiter auf der Agenda meiner Fraktion. So habe ich die Zusage des Finanzministeriums, dass wir unter gesetzlich weitere Schritte unternehmen, um die Thematik Bauherreneigenschaft voranzubringen.

Neben der Erwartung gilt der Dank meiner Fraktion vor al lem der Staatssekretärin im Finanzministerium, Frau Splett, die das Thema intensiv und fachlich sehr versiert angenom men und aufgegriffen hat. Ich glaube, das wird dann auch zu sammen mit den Hochschulen eine gute Lösung geben. Vie len Dank, Frau Splett.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Zum Schluss: Mir ist wichtig, Studierende als vollwertige Hochschulmitglieder zu betrachten. Wir haben die Verfasste Studierendenschaft eingeführt. Inzwischen hat sie sich be währt und eingespielt. Studierende werden gehört.

Stichwort „Politisches Mandat“: Hier gilt: Die Rechtspre chung macht eine Präzisierung notwendig; sonst werden fal sche Erwartungen geweckt. Das heißt aber nicht – das will ich deutlich sagen –, dass Kompetenzen und Aufgaben der Stu dierendenschaft verloren gehen würden. Nein, diese bleiben in vollem Umfang erhalten. Dafür stehen wir Grünen.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Sabine Kurtz CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich auf die wei tere Debatte. Manchmal ist der Anlass dafür, ein Gesetz wei terzuentwickeln, ärgerlich. Das Ergebnis kann sich jedoch aus unserer Sicht sehen lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion er teile ich Frau Abg. Kurtz das Wort.

(Abg. Sabine Kurtz CDU trinkt aus dem am Redner pult bereitgestellten Wasserglas.)

Frau Kollegin, das ist das Glas von Ihrem Vorredner. Sie be kommen gleich ein neues.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Der Vorgänger hat es übrig gelassen!)

Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir es mit einem guten Beispiel für die konstruktive und zielführen de Zusammenarbeit der grün-schwarzen Regierungskoalition zu tun. Das haben Sie ja eben schon zweimal gehört. Dafür gab es auch viel Lob bei der öffentlichen Anhörung, die der Wissenschaftsausschuss schon im Januar durchgeführt hat.

Fast alle haben sich ähnlich geäußert wie der Landesvorsit zende des RCDS. Er bezeichnete das Vorhaben als einen in novativen Gesetzentwurf, welcher die Zukunftsfähigkeit der Hochschulen und langfristig auch des Wirtschaftsstandorts

Baden-Württemberg stärke, und dies unter Wahrung der de mokratischen Grundsätze und der Hochschulautonomie. Die ser Würdigung, meine Damen und Herren, lieber Herr Bin der, schließe ich mich jedenfalls in vollem Umfang an.

(Beifall bei der CDU – Abg. Sascha Binder SPD: Das muss ja eine super Anhörung gewesen sein!)

Für die CDU darf ich sagen, dass wir besonders zufrieden da mit sind, dass es uns gelungen ist, das sogenannte allgemein politische Mandat der Verfassten Studierendenschaft aus dem bisherigen Gesetz zu streichen. Sie erinnern sich: 2012 hatte die grün-rote Landesregierung eine eigenständige Studieren denvertretung an allen Hochschulen eingeführt.

Ich will hier ausdrücklich betonen: Die CDU ist ganz und gar dafür, dass es eine Mitbestimmungsorganisation der Studie renden an den Hochschulen gibt, aber es handelt sich bei dem grün-roten Modell um eine Pflichtmitgliedschaft. Alle Studie renden sind gezwungen, dafür auch Gebühren zu zahlen. Be sonders stört uns, dass es in der Praxis durchaus vorkam, dass der Gesetzestext so ausgelegt wurde, als hätten die Vertreter der Verfassten Studierendenschaft ein sogenanntes allgemein politisches Mandat, also das Recht, sich im Namen ihrer Mit glieder zu jeglichem politischen Thema zu äußern und das ein genommene Geld entsprechend beliebig einzusetzen.

In der Anhörung – das will ich schon erwähnen – bestand der Vertreter der LandesAStenKonferenz darauf, dass das so bleibt. Antirassismus, Feminismus, Antisexismus und andere Bewegungen und Bestrebungen – damit müsse weiterhin ei ne Solidarisierung möglich sein, forderte er. Keinesfalls wol le man sich auf hochschulnahe Themen beschränken lassen.

Genau das aber, meine Damen und Herren, hält die CDU für erforderlich. Nach unserer Auffassung sollen sich Studieren de im besten Sinne von Max Frisch in ihre eigenen Angele genheiten einmischen. Im Übrigen – das will ich hier auch einmal erwähnen – haben nicht einmal die Rektoren ein Man dat, das es ihnen erlauben würde, sich kraft Amtes über Gott und die Welt zu äußern.