Protokoll der Sitzung vom 28.02.2018

Dennoch sind die Stellenstreichungen ein Problem. Das zeigt sich am Beispiel der Gymnasien, wo Anfang des Schuljahrs noch alle Stellen besetzt werden konnten und sogar über 2 250 Bewerber leer ausgingen. Auf dem Papier geht es dieser Schul art also so gut wie keiner anderen, und trotzdem verzeichnet sie laut neuester Stichprobenerhebung nun den größten Un terrichtsausfall. Das ist angesichts der hervorragenden Bewer bersituation absolut nicht nachvollziehbar.

Wir haben die Landesregierung gefragt, warum sie vor die sem Hintergrund eine derartige Verschlechterung der Unter richtsversorgung an den Gymnasien zulässt. Die Antwort: Die Unterrichtsversorgung habe sich gar nicht verschlechtert; der Versorgungsgrad sei an allen Gymnasien im Land etwa gleich und insgesamt günstiger als an anderen Schularten. Frau Mi nisterin, ist das Ihr Ernst?

Wenn 20 % mehr Unterricht ausfällt als im Vorjahr, ist „über all gleich und günstiger als anderswo“ offensichtlich nicht ge nug. Wo bleibt Ihr Qualitätsanspruch, den Sie so oft formu liert haben?

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU, die gern Zif fernnoten haben: Eine solche politische Steuerung ist absolut mangelhaft. Das ist nicht eine Vier, sondern das ist eine glat te Fünf.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich hätte gern eine Verbalbeurteilung!)

Deshalb müssen die Stellenstreichungen zurückgenommen werden, und die Krankheitsreserve muss ausgebaut werden. Ziel muss sein, dass alle Schulen mittelfristig einen Versor gungsgrad von 105 % zum Schuljahresbeginn haben, damit sie nicht bei jedem Virus sofort in den Krisenmodus fallen. Baden-Württemberg braucht eine Unterrichtsversorgung, die nicht schon zum Schuljahresbeginn auf Kante geplant und da mit zum Scheitern verurteilt ist.

Grundlage einer auskömmlichen Unterrichtsversorgung ist die Personalplanung. Damit sind wir bei der nächsten Großbau stelle. Fakt ist, dass das Kultusministerium gar nicht genau weiß, was in den Schulen eigentlich los ist. Treffend titelte der „Mannheimer Morgen“ am 21. Februar dieses Jahres bezogen auf das Kultusministerium auf Grundlage einer SPD-Anfra ge: „Ministerium kennt keine Zahlen“. Aussagen in der Stel lungnahme: Unterrichtsausfall wird nur stichprobenartig ein mal pro Jahr erfasst und auch nur für den Pflichtunterricht. Mehrarbeit wird nicht erhoben. Vertretungsstunden werden nicht erfasst. Fachfremd erteilter Unterricht wird ebenfalls nicht erhoben.

Ihre Ausrede, Frau Ministerin: Die Erfassung solcher Daten sei mit zu viel Aufwand für die Schulleitungen verbunden. Die Aussage, dass hier keine EDV-gestützten Lösungen ge funden werden können, ist wenig glaubwürdig. Andere Bun desländer können das ja schließlich auch.

Zu den Personalplanungen gehört eben auch, dass fast ein Drittel der Referendarinnen und Referendare nach dem Vor bereitungsdienst sowieso erst einmal auf der Straße sitzt, wäh rend in den Schulen immer mehr Unterricht ausfällt. Für Sie ist es einfach, zu behaupten, die Ortspräferenzen und Fächer kombinationen der Bewerber ließen keine Zuteilung zu. Er fasst werden diese Daten jedoch nicht, und so müssten wir Ih nen einfach glauben, dass es bei den 2 250 verfügbaren Gym nasiallehrkräften nicht möglich ist, 200 in für sie an Gemein schaftsschulen vorgesehene Stellen zu bringen.

Das tun wir aber, ehrlich gesagt, nicht. Denn mehr als 700 Gymnasiallehrkräfte hatten explizit angegeben, auch an Ge meinschaftsschulen arbeiten zu wollen. Frau Kultusministe rin, es ist an der Zeit, einen schonungslosen Blick auf die Ist situation zu werfen. Dazu gehört auch der Handlungsspiel raum, den Sie aktuell haben, aber nicht nutzen. Wir haben wei te Teile des Maßnahmenpakets zur Verbesserung der Unter richtsversorgung, das Sie im letzten Juli vorgestellt haben, be grüßt. Aber es ist mehr erforderlich. Es bedarf grundlegender Veränderungen in der Personalplanung des Kultusministeri ums und in der Ausstattung der Schulen.

Frau Ministerin, ich weiß, was nachher kommen wird. Es ist leicht, auf Versäumnisse in der Vergangenheit zu verweisen.

(Lachen der Ministerin Dr. Susanne Eisenmann – Wi derspruch bei der SPD)

Schwieriger ist es, im Hier und Jetzt die Zukunft zu gestalten. Ich denke, das ist vor allem Ihr Job.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich Frau Abg. Boser das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nein, die Unterrichtsversor gung ist für uns aktuell kein guter Hintergrund, wie Sie es hier dargestellt haben. Nein, wir schauen genau hin, was an den Schulen passiert. Aber, lieber Herr Kollege Kleinböck, es reicht halt nicht aus, jetzt einfach alle Verantwortung von sich zu schieben

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, genau!)

und zu sagen: Die Vergangenheit war mal, und darüber müs sen wir jetzt nicht reden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Nein, die Vergangenheit ist auch dafür verantwortlich, dass die Situation an den Schulen so ist, wie wir sie heute haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Da möchte ich alle, die hier im Raum sind und die einmal po litische Verantwortung hatten, mit hineinnehmen. Denn es geht nicht nur um die letzte Legislaturperiode. Ich nenne auch die unter Schwarz-Gelb vorgenommene Erhöhung der Studi enzeit bei den Sonderpädagogen. Auch da wurde nicht mit eingerechnet, dass dadurch ein Jahrgang fehlt, weil alle ein Jahr später an die Schulen gehen. Wir haben in der letzten Le gislaturperiode anscheinend versäumt, die aktuellen Progno sen an die Wirklichkeit anzupassen. Das müssen wir uns auch seitens der grün-roten Landesregierung als Folge der Vergan genheit anlasten. Ich finde, gegenüber den Schulen sowie den Schülerinnen und Schülern und den Lehrern wäre es an der Zeit, dass man sich hier mit Ehrlichkeit und mit Verantwor tungsbewusstsein hinstellt, anstatt die Verantwortung immer auf andere abzuschieben.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Andre as Stoch SPD: Spielräume nutzen! – Weitere Zurufe von der SPD, u. a.: Sie haben die Verantwortung!)

Ich habe im Gegensatz zu Ihnen uns doch jetzt auch gar nicht aus der Verantwortung herausgenommen. Wir tragen da für Verantwortung.

(Zurufe)

Natürlich haben Sie Verantwortung getragen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Zuruf von der CDU: So ist es!)

Sie haben doch das Kultusministerium gehabt. Wir haben doch keine Prognosen festgelegt. Wer legt denn die Progno sen zur Schülerzahlentwicklung vor?

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das Statistische Landes amt!)

Ja, das Statistische Landesamt. – Und wer gibt diese Zah len dann weiter?

(Abg. Andreas Stoch SPD: 2014 haben wir dafür ge sorgt, dass die geplante Stellenstreichung nicht kam! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Darf ich – –

In Ihrer und in unserer Regie rungszeit wurde beispielsweise die Zahl der Studienplätze für die Sonderpädagogik nach unten gefahren. Ob das in Zeiten der Inklusion richtig war, stelle ich heute wirklich infrage. Deshalb will ich mich hier an dieser Stelle nicht aus der Ver antwortung ziehen. Unser Blick geht nach vorn, und wir wol len dafür sorgen, dass die Versorgung in Zukunft besser wird.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Dazu gehört beispielsweise, dass wir jetzt im Haushalt fest geschrieben haben, dass die Zahl der Studienanfängerplätze im Grundschullehramt um 200 Plätze ausgebaut wird.

(Beifall des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! So ist es!)

Wir schauen eben nicht weg.

Dazu gehört auch, dass wir den Maßnahmenkatalog des Kul tusministeriums absolut unterstreichen und unterstützen. Es hilft hier nicht, einzelne Maßnahmen zu kritisieren oder zu sa gen, es werde nicht genug getan. Wenn 2 000 Gymnasialleh rerinnen und Gymnasiallehrer angeschrieben und gefragt wer den, ob sie an den Grundschulen unterrichten wollen, und ge rade einmal 1 % – 1 %! –, nämlich 25 Personen, zurückmel den, dass sie dazu bereit wären, dann ist das nicht unser Ver säumnis. Vielmehr muss man sagen: „Ich habe kein Verständ nis dafür, dass wir es nicht schaffen, Gymnasiallehrer auch an die Grundschulen zu bekommen.“

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ja, man kann diese Maßnahme kritisieren, wie ich es da drü ben schon wieder höre: „Das geht ja überhaupt nicht!“ Natür lich ist das nicht eine Qualitätsmaßnahme, die wir jetzt in al len Fällen unterstreichen. Aber: Es ist immer noch besser, dem Unterrichtsausfall zu begegnen, anstatt wegzuschauen und je de Maßnahme, die in irgendeiner Form von der Landesregie rung kommt, gleich zu kritisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Wer hat denn über 1 000 Stellen gestrichen? – Weitere Zurufe von der SPD)

Langfristig ist für uns natürlich wichtig – da vertrauen wir auch auf das Kultusministerium –, dass die Planungen für die Zukunft an die Realitäten angepasst werden.

Wir müssen genauer hinschauen, ob die aktuellen Ressour cenplanungen ausreichen, um den Unterrichtsbedarf für die Zukunft mit all den bildungspolitischen Entscheidungen ab zudecken. Wir müssen auch darauf achten, dass wir die Leh rerausbildung entsprechend anpassen, dass wir genügend Leh rerinnen und Lehrer in Ausbildung haben. Dazu gehören auch die Qualifizierungsmaßnahmen, die angegangen wurden, dass

wir Haupt- und Werkrealschulkräfte beispielsweise qualifizie ren, in den sonderpädagogischen Bereich zu gehen.

Ein wichtiger Punkt für uns, die Grünen, ist – da möchte ich auch nochmals darauf hinweisen, dass wir mit dem Modell versuch in Tübingen eine neue Ressourcensteuerung auf den Weg gebracht haben, wo genau das, was Sie, Herr Kleinböck, auch angesprochen haben, überprüft wird –: Wie kann man die Ressourcen über alle Schularten hinweg und regional so verteilen, dass es keine Unterschiede gibt?

Ein für uns, die Grünen, wichtiges Ziel ist, dass es – egal, an welcher Schulart, und egal, in welcher Region – überall die gleiche Unterrichtsversorgung gibt und jeder dann am Ende auf den gleichen Ressourcenpool zurückgreifen kann.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Daher ist für uns an dieser Stelle wichtig, dass wir diesen Mo dellversuch in Tübingen genau überprüfen, dass wir schauen, welche Möglichkeiten wir daraus ziehen können, dass wir das auch an anderen Schulämtern im Land einführen, um dort Mo delle zu schaffen, die dann am Ende gewährleisten, dass sich die Unterrichtsversorgung insgesamt im Land verbessert.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)