Gerhard Kleinböck
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Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der ÖPNV ist einer der Bereiche, die besonders hart von der Coronapandemie betroffen wurden und auch noch betroffen sind. Zu Spitzenzeiten – das wissen Sie alle – waren die Fahrgastzahlen bei manchen Betrieben zu über 80 % eingebrochen. Zeitgleich konnte aber das Angebot wegen der bestehenden Abstandsregelungen nicht in gleichem Umfang heruntergefahren werden. Die Folge war klar: Den drastisch reduzierten Einnahmen standen nur unwesentlich geringere Ausgaben gegenüber. Das führte schnell zu Liqui ditätsproblemen der Unternehmen.
Besonders betroffen waren hier die privaten Omnibusunter nehmen. Ich glaube, jeder von Ihnen, jeder von uns hat ein oder mehrere solcher Unternehmen im Wahlkreis und ist über deren Zustand, deren wirtschaftliche Situation hinreichend in formiert.
Deshalb begrüßen wir die Initiative der Regierungsfraktionen zu dieser Gesetzesnovelle. Mit ihr werden die Auszahlungs zeitpunkte der Mittel für den ÖPNV an die Aufgabenträger einmalig im Jahr 2020 im Jahresverlauf vorgezogen. Dies leis tet dann den gewünschten Beitrag, damit die Unternehmen nicht in Liquiditätsprobleme kommen und – so hoffen wir we nigstens – auf diesem Weg Insolvenzen vermeiden können. Das Programm, ergänzt durch diesen ÖPNV-Rettungsschirm, macht auch den entsprechenden Unternehmen Hoffnung auf ein wirtschaftliches Überleben in dieser Pandemie.
Voraussetzung für den Erfolg dieser Novelle ist natürlich auch, dass die jeweiligen Aufgabenträger die Mittel an die Vertrags unternehmen umgehend komplett auszahlen. Das ist selbst verständlich. Hier gab es offenkundig zu Beginn der Pande mie einige Schwierigkeiten. Deshalb unser Appell an die Landräte und die Landkreise, die Mittel unmittelbar und kom plett an die Unternehmen weiterzugeben.
Meine Damen und Herren, die bisherigen Beratungen im Aus schuss wie im Plenum haben gezeigt, dass es zu diesem Punkt eine große Einigkeit gibt. Diese Gesetzesnovelle wird von al len unterstützt. Deswegen wurde bei der ersten Lesung auf die Aussprache verzichtet. Auch die Stellungnahmen der betrof fenen Verbände und die Beratungen im Verkehrsausschuss ha ben gezeigt, dass dieser Entwurf in die richtige Richtung geht.
Ich denke auch, jedem von uns ist klar: Wir brauchen im gan zen Land einen funktionierenden ÖPNV. Neben den städti schen Betrieben und den Bahnen brauchen wir auch die vie
len mittelständischen Busunternehmen, die jetzt besonders durch diese Liquiditätsmaßnahme – diese Gesetzesnovelle – bedacht werden sollen. Es macht keinen Sinn, solche Unter nehmen in Liquiditätsprobleme und vielleicht sogar in die In solvenz zu treiben. Denn wir wissen: Nach dem Ende der Kri se brauchen wir sie nötiger denn je, wenn wir die angestreb te Verkehrswende erfolgreich weitergestalten wollen.
In diesem Sinn darf ich mitteilen, dass wir, die SPD-Landtags fraktion, der Novelle vollumfänglich zustimmen.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und liebe Kollegen! Es ist jetzt schon vieles gesagt worden. Ich werde es auch nicht wiederholen. Einen Aspekt will ich aber mal einfließen lassen: Liebe FDP/DVP, warum traut ihr denn den Lehrerinnen und Lehrern an den Haupt- und Werkrealschulen nicht zu, die Kompetenz der beruflichen Be ratung zu haben? Warum soll diese an die beruflichen Schu len verlegt werden? Auf der einen Seite wollt ihr die Haupt- und Werkrealschulen mit so einem Gesetzentwurf retten, und auf der anderen Seite sprecht ihr den Lehrerinnen und Leh rern dort diese doch wichtige Kompetenz ab.
Ich sehe da schon einen gewissen Widerspruch.
Ich will anknüpfend an das, was mein Vorredner hier gesagt hat, auch noch mal eines deutlich machen: Das Handwerk ist heute auch darauf angewiesen, gut qualifizierte Schulabgän ger zu bekommen, weil auch die Handwerksberufe zuneh mend hoch technisiert sind.
Daher brauchen wir, denke ich, hier nicht über Gering- oder Höherqualifikationen zu reden und brauchen nicht so einen grundlegenden Ansatz, wie er in dem vorgelegten Gesetzent wurf vorgesehen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein Aspekt zur Schü lerbeförderung. Wir haben insgesamt, glaube ich, etwa 285 berufliche Schulen in Baden-Württemberg – kaufmännisch, gewerblich, technisch –, wir haben sozialwissenschaftlich ori entierte Ausbildungsberufe. Mit wem sollen die denn dann diese Kooperationen schließen? Das ist mir völlig unklar. Es macht nach meinem Dafürhalten wenig Sinn, die Schüler der beruflichen Realschule schon von vornherein in eine bestimm te Richtung lenken zu wollen.
Jetzt verrate ich noch ein paar Überlegungen aus meiner ak tiven Zeit als Schulleiter. Sie wissen, ich war Schulleiter in Südhessen. Da gab es mal eine Kultusministerin aus Ihren Reihen.
Ja, gute Frau. Deshalb ist sie jetzt auch in Europa.
Daher ist das, was ich da jetzt lese, nicht ganz neu. Davon sind ja ein paar Ideen auch schon zu meiner Zeit als Schulleiter durch die Gegend gewabert. Wir hatten uns im Schulleiter sprengel damit auseinandergesetzt. Es war für uns auch klar: Das ist keine Lösung für die Probleme, die es in den Haupt- und Werkrealschulen gibt, sondern es ist ein Lösungsansatz von Kooperationen, der ohnehin mit unseren Info-Tagen an
den beruflichen Schulen bestand, wo wir diese Berufsorien tierung natürlich auch auf einer verbindlichen Ebene an die Abgänger der Haupt- und Werkrealschulen bzw. Realschulen vermitteln wollten.
Daher sage ich: Diese Kooperationsideen kann man unterstüt zen, aber in dieser Form, wie Sie es vorschlagen, ist es nach meinem Dafürhalten ungeeignet.
Ich darf Ihnen auch sagen: Die freundliche Rückmeldung, die von Verbänden kommt, kann man so bewerten, wie Sie es ma chen. Aber diese freundliche Rückmeldung ist nicht mit einer Zustimmung der Verbände zu verwechseln. Das sehe ich an dieser Stelle überhaupt nicht. Auch meine Gespräche mit Schulleiterinnen und Schulleitern zeigten mir eher, dass ab gewinkt und von dieser Idee abgeraten wird.
Mein Fazit: Die erste Debatte hier im Haus, die Debatte im Ausschuss und auch die Debatte heute zeigen, dass Bildungs politik nicht die zentrale Kompetenz der FDP ist.
Vielen Dank.
Habt ihr schon verstanden, ja. Aber du weißt ja, manche Sachen muss man doppelt und dreifach sagen, weil das die Behaltensleistung erhöht.
Lieber Kollege Kern, Sie haben mich natürlich jetzt mit Ihrer Aussage provoziert, Sie wären die Einzigen hier im Haus, die sich darum kümmern würden, dass jedes Kind nach seinen Leistungen und Möglichkeiten gefördert wird.
Wenn Sie sich einmal von Ihrem ideologischen Zwang, gegen die Gemeinschaftsschule zu sein, befreien würden, dann wür
den Sie schon sehen, dass wir hier mit der Gemeinschafts schule eine Schulart haben,
in der eben jedes Kind individuell gefördert wird und auch der Versuch unternommen wird, kein Kind zurückzulassen.
Ich könnte natürlich jetzt noch einiges zu dem sagen, was die Frau Ministerin zu den Haupt- und Werkrealschullehrkräften gesagt hat, aber diese Diskussion haben wir schon an anderer Stelle geführt.
Ich sage nur: Wir bleiben bei unserer Ablehnung. Das, was Sie an Argumenten gebracht haben, war bei Weitem nicht überzeugend. Deshalb stimmen wir gegen Ihren Gesetzent wurf.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen! Der Spracherwerb als Schlüssel zur Integration – ich denke, das ist eine Tatsache, die hier voll kommen unumstritten ist. Der Spracherwerb für jüngere Ge
flüchtete findet bei uns in den allgemeinbildenden Schulen in den sogenannten VKL-Klassen und in den beruflichen Schu len in den VABO-Klassen statt.
Vor zwei Jahren hatten wir schon einmal die Situation abge fragt. Den heute vorliegenden Antrag haben wir gestellt, weil uns interessiert, wie sich die Situation insgesamt entwickelt hat.
Für die VKL-Klassen für junge Geflüchtete gilt, dass vor zwei Jahren mehr als 28 000 Schülerinnen und Schüler in rund 2 000 Klassen unterrichtet wurden. Heute, zwei Jahre später, sind es 21 000 Schülerinnen und Schüler in rund 1 500 Klas sen. Die Relation hat sich also nicht verschoben.
Ähnlich sieht es auch bei den VABO-Klassen aus. Vor zwei Jahren waren es mehr als 9 000 Schülerinnen und Schüler in über 500 Klassen, heute sind es gut 4 000 Schülerinnen und Schüler in 250 Klassen. Auch da hat sich das Verhältnis un gefähr gehalten.
Wir machen aber eine Gesamtschau über die Fläche des Lan des. Wenn wir uns vor Ort einmal näher umsehen, stellen wir fest, dass es durchaus Probleme gibt – auch neue Probleme – im Hinblick auf die Unterrichtsversorgung. Das ist kein Ge heimnis, und ich denke, das kommt beim Kultusministerium auch so an.
Eine andere Frage, die wir auf keinen Fall aus den Augen ver lieren dürfen: Was geschieht denn mit den jungen Menschen, die zu dem entsprechenden Zeitpunkt gerade nicht mehr be rufsschulpflichtig sind? Gerade in den VABO-Klassen sind oftmals junge Leute, für die dann altersbedingt die Berufs schulpflicht nicht mehr gilt. Was passiert mit denen? Diese haben natürlich auch dann noch einen Bedarf an Sprachunter richt.
Für uns stellt sich daher schon die Frage: Gibt es hierzu eine Absprache zwischen Kultusministerium und Sozialministeri um? Die Idee war ja auch einmal, die Altersgrenze anzuhe ben, damit auch diese jungen, nicht mehr unmittelbar berufs schulpflichtigen Menschen in den beruflichen Schulen unter richtet werden können.
Nach den VKL- bzw. VABO-Klassen folgt der Übergang in die Regelklassen. Es wäre natürlich interessant, zu wissen, wie sich die entsprechenden Schülerzahlen entwickelt haben. Denn der reine Vergleich, wie ich ihn eben angestellt habe, sagt ja nichts darüber aus, was letztlich in den Regelklassen ankommt. Diese Information wäre schon allein deshalb inte ressant, weil, wie ich oft aus der Praxis höre, ein Schuljahr bei vielen Kindern und Jugendlichen gar nicht ausreicht, weil die se zuvor vielfach kaum oder nur wenige Jahre lang eine Schu le besuchen konnten. Da verschärft sich dann natürlich das Problem.
Wenn ca. ein Drittel der Schülerinnen und Schüler das VABO wiederholt haben oder wiederholen, war es sicher richtig, dass die Stundentafel für den Spracherwerb im vergangenen Jahr ausgeweitet wurde. Das war eine sinnvolle und zielführende Maßnahme. Gleichwohl wissen wir natürlich nicht, welche Auswirkungen diese Ausweitung mit sich gebracht hat. Fakt ist: Wir leben in der Hoffnung, dass es sich positiv ausgewirkt hat.
Bei den VKL sieht es anders aus. Dort wurde die Stundenta fel im Schuljahr 2017/2018 faktisch gekürzt. An den Grund schulen werden von 18 Stunden sechs Stunden bedarfsgerecht über das Schulamt verteilt, in der Sekundarstufe I sind es dann von 25 Stunden sogar neun Stunden. Mit zwölf bzw. 16 Stun den können eine angemessene Sprachförderung und Integra tion aber kaum gelingen, auch wenn es sich um eine geson derte Klasse, also um die VKL, handelt. Eigentlich sollten die se 18 und 25 Stunden das Minimum sein und vom Schulamt zusätzlich Stunden vorgehalten werden, um dann auch in den Regelklassen weitere Unterstützung zu ermöglichen.
Wir wissen zwar, dass die jüngeren Kinder schneller eine Sprache erlernen, als das bei den älteren oder auch bei Er wachsenen der Fall ist. Trotzdem ist es auch hier notwendig, noch einmal diesen Querverweis auf die Muttersprache als Ausgangsbasis für den Erwerb einer neuen Sprache herzustel len. Die Muttersprache sicher zu beherrschen ist eine notwen dige Voraussetzung, um eine neue Sprache lernen zu können.
Wir konnten heute im „Morgenmagazin“ zufällig einen Be richt sehen, in dem es um die zentrale Frage von Berufsfähig keit und Spracherwerb ging. Der Tenor des Gesprächs mit den IHK-Vertretern lautete: Auch berufsbegleitend muss mehr für den Erwerb von Sprachkenntnissen getan werden; insbeson dere die berufsspezifischen Inhalte bedürfen einer intensiven Vermittlung. Da stellt sich dann natürlich als Nächstes die Fra ge: Sind die Berufsschulen darauf vorbereitet?
Die Frage der Ressourcen habe ich hier noch gar nicht gestellt. Der Mehrbedarf an Deputaten für VKL und VABO liegt bei 1 280 Stellen. 1 165 sind aber nur zusätzlich als Deputate zur Verfügung gestellt worden. Der Rest wird laut Ministerium über die allgemeine Unterrichtsversorgung abgedeckt. Ich möchte einfach noch einmal feststellen: In Anbetracht dessen, was ich jetzt ausgeführt habe, ist es schon unverständlich, dass nicht mehr Personen zur Sprachförderung eingestellt werden und die 1 165 zusätzlichen Stellen auch noch mit k.w.-Vermer ken versehen sind, die nur scheibchenweise verlängert wer den.
Liebe Kollegen, auch wenn sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den VKL- und den VABO-Klassen mittelfris tig verringert, sollten wir auf die Kompetenz der Lehrkräfte, die an diesen Schulen arbeiten, nicht verzichten und die Sprachförderinstrumente an den Schulen halten. Diese Lehr kräfte müssen wir festhalten. Ich habe ja deutlich gemacht, dass es auch nach dem Besuch der VKL- und der VABO-Klas sen einen Sprachförderbedarf gibt. Den können wir mit die sen Personen abdecken.
Für den ersten Durchgang erst einmal vielen Dank.
Mit dem Bart? Irgendwie passt es nicht. Aber gut.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Kern, ich glaube, das, was Sie hier ausgeführt haben, ist ein Fehlschluss. Aber ich komme noch dazu. Wir werden ja im Mai noch Gelegenheit haben, über Ihren Ansatz und über Ih ren Gesetzentwurf zur beruflichen Realschule zu reden. Da werde ich das auch noch im Detail ausführen.
Frau Boser, danke für den Hinweis. Es geht nicht nur um Ge flüchtete, über die wir hier im Zusammenhang mit den VKL- und vor allem den VABO-Klassen reden. Wir haben zuneh mend auch Zuwanderer, die hoch qualifiziert zu uns kommen und deren Kinder natürlich auch einen Sprachförderbedarf ha ben. Die sind eben auch in den VKL- und den VABO-Klas sen.
Kollege Haser hat anerkannt, dass es dort eine gewisse Hete rogenität gibt, mit der die Lehrerinnen und Lehrer umgehen. Welche Schulform wäre denn besser geeignet, diese Hetero genität aufzunehmen und anschließend in den Regelklassen die vorhandenen Kompetenzen zu nutzen, als die Gemein schaftsschulen?
Kollege Baron, das, was Sie hier ausgeführt haben, will ich gar nicht groß kommentieren.
Eigentlich müsste man sagen: Thema verfehlt, setzen, Sechs. Das reicht eigentlich komplett.
Das war komplett daneben –
komplett daneben, weil Sie mit keiner Silbe überhaupt das Thema aufgegriffen haben, um das es hier geht.
Ich will noch mal deutlich machen, wo wir diese Ehrenamtli chen und vor allem auch die Lehrkräfte haben, die Deutsch unterricht an den Schulen vermitteln. Das ist ja nicht nur das, was sich in den 1 165 Deputaten widerspiegelt, sondern es ist eben auch das, was in den beruflichen Schulen schon vorhan den ist. Wenn die Ministerin oder das Ministerium sagen, der Rest werde über die allgemeine Unterrichtsversorgung abge deckt, dann bedeutet das doch auch, dass wir mal in die be ruflichen Schulen blicken können. Kollege Röhm, Kollege Brauer, wir waren am vergangenen Samstag beim Technischen Lehrertag und haben dort erfahren, dass viele dieser techni schen Lehrerinnen und Lehrer Deutschunterricht in den be
ruflichen Schulen in den VABO-Klassen anbieten. Daher müs sen wir da halt auch genauer hinsehen.
Liebe Kolleginnen und Kol legen, noch zwei Sätze zu unseren Forderungen.
Ich will es kurz machen.
Die Entfristung der 1 165 Stellen für die Lehrkräfte für Sprach förderung wäre für alle Schülerinnen und Schüler nützlich. Die VKL brauchen die 18 und die 25 Stunden plus die Res sourcen für die Förderung nach dem Übergang in die Regel klassen.
Ich will einen letzten Satz sagen. Der herkunftssprachliche Unterricht muss stärker in den Fokus genommen werden. Wir könnten beispielsweise im Rahmen eines Schulversuchs klä ren, wie ein staatlich verantwortetes und qualitativ hochwer tiges Angebot an dieser Stelle sichergestellt werden kann.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich will gleich zu Beginn deutlich sa gen: Das, was die FDP/DVP mit ihrem Gesetzentwurf hier vorlegt, ist nichts weiter als ein erneuter Versuch zur Rettung der Hauptschulen. Was Schwarz-Gelb vor vielen Jahren mit der Einführung der Werkrealschule gestartet hat, war ja ein Flop, wie wir mittlerweile wissen.
Ja, ja. Ich komme darauf noch zu sprechen, Kollege Röhm.
Die Umsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfs wäre auch nichts anderes als ein weiterer Rohrkrepierer, ein weiterer Flop. Ich denke, dazu wird es nicht kommen. Ich habe mit In teresse gehört, was die anderen Kolleginnen und Kollegen hier gesagt haben.
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Hauptschulen und die Werkrealschulen kein Zukunftsmodell sind. Die Ar beit der Lehrkräfte dort ist unbestritten gut, aber die Anforde rungen der Berufswelt – auch das muss man deutlich sagen – haben sich verändert, und andere Bildungswege sind für jun ge Menschen attraktiver geworden.
Notwendig und sinnvoll ist daher die Weiterentwicklung der Hauptschulen und der Werkrealschulen zu einer integrierten Schulform, die mehrere Abschlüsse anbietet. Viele haben sich ja schon auf den Weg gemacht, und diese Weiterentwicklung sieht auch der Gesetzentwurf der FDP/DVP vor.
Nur denkt sie diesen Ansatz nicht konstruktiv weiter und schlägt mal wieder eine reine Umetikettierung sowie eine wei tere zusätzliche Schulart im Dschungel von Bildungswegen in diesem Land vor.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, beides ist völlig unnötig. Denn mit der neuen Realschule und der Gemeinschaftsschule haben wir zwei bewährte Modelle, die Hauptschul- und Werkrealschulstandorten sowie deren Schülerinnen und Schülern tragfähige Perspektiven bieten können. Auch die Lehrkräfte an diesen Schulen, deren Lauf bahn momentan ja in einer Sackgasse endet, hätten damit Op tionen zur Weiterqualifizierung und zu einer entsprechenden Beförderung.
In diese Richtung muss die Reise gehen. Lieber Kollege Ha ser, wenn Sie die Wertschätzung auch einmal in bare Münze umsetzen, dann ist die Diskussion um die Schaffung von Stel len in Besoldungsgruppe A 13 – Lehrkräfte, die weiterquali fiziert sind – nicht mehr weit entfernt.
Meine Damen und Herren, mit der FDP haben wir eine Par tei, die seit Jahren ungeachtet anderslautender Daten und Fak ten nur von einer Privilegierung der Gemeinschaftsschulen schwadroniert und die pädagogischen Erfolge der Gemein schaftsschule ausblendet. Um der Gemeinschaftsschule einen Seitenhieb zu geben, biegt sich die FDP auch einmal die Re alität so zurecht – die Begründung des Gesetzentwurfs zeigt es –: Zusammen mit der Abschaffung der verbindlichen Grund schulempfehlung sei die neue Schulart Ursache allen Übels und auch schuld daran, dass die Hauptschulen und die Werk realschulen an Zulauf verlieren. Die Zahlen dazu sind aber eindeutig und widerlegen das, was die FDP/DVP hier behaup tet. 1975 waren es 77 600 Schülerinnen und Schüler, die auf die Hauptschule wechselten. 2011 waren es noch 23 700, und 2018 waren es gerade noch 5 500.
Wenn ich diese Zahlen betrachte, will ich natürlich nicht in Abrede stellen, dass der Wegfall der Verbindlichkeit der Grund schulempfehlung einen Beitrag zur Reduzierung dieser Über gangszahlen geleistet hat.
Aber, meine Damen und Herren, verursacht wurde diese Ent wicklung dadurch ganz sicher nicht. Vielleicht stellen Sie von der FDP/DVP sich auch einmal die Frage, wo wir heute ohne die Gemeinschaftsschulen stehen würden.
Ein paar praktische Fragen zum Abschluss in dieser ersten Runde: Welche Schulen haben die Liberalen eigentlich im Vi sier? 700 Werkrealschulen und Hauptschulen, 280 berufliche Schulen gibt es, aber die Zahl der gewerblichen davon, die Sie im Visier haben, beträgt 100 oder 120. Das heißt: Was passiert mit den über 60 % der anderen beruflichen Schulen mit kauf männischem, hauswirtschaftlichem und pflegerischem bzw. sozialpädagogischem Fokus?
Zweitens: Was soll der Schülertourismus, der schon angespro chen wurde, mit den ein bzw. zwei Tagen in der Woche, an denen Scharen von Schülern durch die Gegend fahren sollen? Haben Sie sich einmal den ökologischen Fußabdruck Ihres Vorhabens berechnen lassen?
Dritter Punkt: Warum trauen es die Liberalen den Lehrkräf ten an Hauptschulen und Werkrealschulen nicht zu, die Lehr planinhalte zur Berufsorientierung vermitteln zu können? Wa rum sollen das Berufsschullehrkräfte machen?
Zum Schluss zu Ihrem Finanzierungsvorschlag, liebe Kolle gin und Kollegen von der FDP/DVP: Es ist unprofessionell und unglaubwürdig von den Liberalen, den Klassenteiler an den Gemeinschaftsschulen, den Sie gleichzeitig als Zielgrö ße für alle Schulen formulieren, erhöhen zu wollen. Unser ge meinsames Ziel muss es sein, ohne ideologische Verteilungs kämpfe die Schulen in unserem Land insgesamt besser zu ma chen. Dazu – das muss ich leider sagen – leistet der Gesetz entwurf der FDP/DVP leider keinen Beitrag.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen! Frau Ministerin, es ist jetzt fast zwei Jahre her, dass wir diesen Antrag gestellt haben. Ziel war es, die Ungleichbehandlung von Haupt- und Werkrealschullehr kräften im Rahmen der Weiterqualifizierung sichtbar zu ma chen und diese Ungleichbehandlung zu beenden. Es darf ja wohl nicht sein, dass es einen Unterschied macht, ob ein Haupt- und Werkrealschullehrer an einer Realschule oder an einer Gemeinschaftsschule arbeitet. Bei der Auswahl der In halte für diese Weiterqualifizierung mag eine Unterscheidung noch Sinn machen, aber nicht bei den Rahmenbedingungen. Das ist reine Schikane und trifft einmal mehr die Gemein schaftsschulen.
Unsere Hoffnung war in der Tat, dass sich diese Einsicht auch bei Ihnen einstellt. Schade, wir haben uns da wohl wieder ein mal getäuscht.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, machen wir es doch ein mal ganz konkret. Die Haupt- und Werkrealschullehrkräfte,
die bereits an einer Realschule eingesetzt sind, sollen weiter hin fünf Module bearbeiten: viermal Fachdidaktik, einmal Schulrecht, ohne Prüfung. Alle fünf Module werden in der Unterrichtszeit absolviert.
Die Haupt- und Realschullehrkräfte, die bereits an einer Ge meinschaftsschule arbeiten – aufgepasst! –, sollen hingegen acht Module, nämlich sechsmal Fachdidaktik und zweimal Schulrecht, sowie zwei verpflichtende Hospitationen, eine un terrichtspraktische Prüfung und ein fachdidaktisches Kollo quium absolvieren, um den gleichen Status zu erhalten. Da mit nicht genug: Statt wie bei den Kollegen an der Realschu le finden nicht fünf, sondern nur drei Module während der Un terrichtszeit statt. Der Rest, also fünf Module, ist Freizeitver gnügen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sinn macht die se unterschiedliche Behandlung nicht.
Das ist ja, wenn man genau hinschaut, mehr gezielte Abschre ckung und man könnte auf die Idee kommen, zu sagen, dass die Haupt- und Werkrealschullehrkräfte dafür bestraft werden, wenn sie sich für die Gemeinschaftsschule interessieren. So sieht es ja aus. Oder, Frau Ministerin, wie würden Sie denn als Lehrkraft diese Ungleichbehandlung auffassen?
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, in den letzten zehn Jah ren konnten wir eine dramatische Entwicklung bei den Haupt schulen feststellen:
Die Zahl der Hauptschulen hat sich halbiert. – Ohne GrünRot; diese Entwicklung war schon lange vorher abzusehen.
Seitdem brauchen rund 5 000 Beschäftigte mittel- und lang fristig neue Perspektiven. Deshalb haben wir das Konzept zum horizontalen Laufbahnwechsel grundsätzlich mitgetragen; mit der konkreten Gestaltung sind wir aber höchst unzufrieden.
Unsere Kritik zielt auf die Schwachstellen des Konzepts ab. Erstens stellt es Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen bewusst schlechter als diejenigen an Realschulen. Zweitens: Die An forderungen an Lehrkräfte, die an SBBZ arbeiten wollen, sind viel zu hoch angesetzt. Drittens klammert das Konzept die Lehrkräfte an Hauptschulen komplett aus und bietet ihnen kei nerlei Perspektive. Und – jetzt wird es natürlich spannend –: Haben sich die Lehrkräfte durch die Qualifizierung gekämpft, kommt die große Ernüchterung: Es gibt noch gar nicht genug Stellen, um sie nach dem Laufbahnwechsel wirklich besser zu bezahlen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie haben dieser Tage auch die entsprechenden Briefe erhalten. Ganz konkret fordern wir deshalb erstens, die Rahmenbedingungen für Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen und Realschulen anzugleichen. Das ist eine zentrale Forderung. Liebe Grüne, hier wundert es mich schon, dass von Ihrer Seite nicht deutlich interveniert wird. Sie lassen es zu, dass die Lehrkräfte an Gemeinschaftsschu
len deutlich schlechter behandelt werden als die an Realschu len. Sinn macht das wirklich nicht.
Das stimmt doch so. Ich habe es doch gerade ausgeführt und deutlich gemacht.
Dass die Gemeinschaftsschule nicht das Lieblingskind der Mi nisterin ist, wissen wir ja. Die unterschiedlichen Anforderun gen – ich sage es noch einmal – habe ich bereits aufgezählt.
Zweitens: Die Rahmenbedingungen für künftige Sonderpäd agogen müssen attraktiver gestaltet werden. Die dürftige Zahl der Bewerbungen für die Weiterqualifizierung müsste doch als deutliches Signal angekommen sein. Beim Aufbaustudi um waren es auf 100 Plätze, die zur Verfügung gestellt wur den, gerade einmal 20 Bewerbungen. Davon sind heute noch 16 Lehrkräfte dabei.
Wir fordern deshalb, dass Sie die Deputatsreduktion von sechs auf zwölf Stunden verdoppeln. Das wäre einmal ein gutes Zei chen an die Haupt- und Werkrealschullehrkräfte und ein Aus rufezeichen für die Inklusion.
Drittens fordern wir natürlich, dass genügend Stellen geschaf fen werden müssen, um alle Lehrkräfte, die eine Weiterquali fizierung absolviert haben, auch befördern zu können.
Alles andere wären eben keine vertrauensbildenden Maßnah men, und ich denke, das sollten wir uns an dieser Stelle erspa ren und es den Kolleginnen und Kollegen, die diese Weiter qualifizierung auf sich nehmen, nicht zumuten.
So weit mal in der ersten Runde.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen! Frau Boser, Sie können doch nach lesen, dass es diese vier Gruppen gibt, dass die Lehrkräfte, die an der Realschule unterrichten, in Gruppe 1 sind, und die, die an Gemeinschaftsschulen unterrichten, in Gruppe 3 sind.
Da wäre doch der erste Schritt, diese Ungleichbehandlung da durch aufzulösen, dass die, die bereits an der Gemeinschafts schule unterrichten, auch in die Gruppe 1 kommen.
Liebe Kollegen von der FDP/DVP, Ihr Antrag ist zwar im Prinzip sinnvoll. Wir werden uns aber einfach deshalb enthal ten, weil wir klären müssen, wie, in welchem Umfang und an welcher Stelle diese Weiterqualifizierung stattfinden soll, wo die entsprechenden Lehrkräfte auch einzusortieren sind. Dann
können wir natürlich gemeinsam darüber reden, was wir mit den Werkrealschullehrkräften machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zahlen sprechen doch für sich. Die Entwicklung, lieber Kollege Haser, wurde ja nicht durch die grün-rote Landesregierung initiiert. Bereits 2009 waren in Mannheim die Hälfte der Hauptschulen ge schlossen. Sie können nicht sagen, die wussten damals schon, dass zwei Jahre später die SPD das Kultusministerium über nehmen wird. Ein vorauseilender Gehorsam macht an dieser Stelle wenig Sinn.
Diese schulstrukturelle Frage, dass eben die Hauptschule, die Werkrealschule kein Zukunftsmodell ist, kann doch nicht auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen werden. Ich bleibe bei dem, was wir in den letzten fünf Jahren immer deutlich ge macht haben: Eine Weiterentwicklung der Haupt- und Werk realschulen zur Gemeinschaftsschule oder Realschule ist zwingend notwendig, da beide integrierten Schularten auch den Hauptschulabschluss anbieten.
Zur Stärkung der Realschulen braucht es aber mehr als nur diese zusätzlichen Poolstunden; sie brauchen auch eine akti ve Unterstützung, damit dort die Möglichkeit besteht, auf den zwei Niveaus zu unterrichten. Nur auf M-Niveau in den Klas sen 5 und 6 zu unterrichten, das macht wenig Sinn. Das frus triert die Schülerinnen und Schüler und degradiert sie zu Ver lierern. Liebe Kollegen, ich denke, wenn man von Pädagogik ein bisschen was versteht, muss man diese Linie ganz schnell verlassen, um hier Kindern und Jugendlichen Zukunftschan cen zu ermöglichen.
Kollege Haser, Sie werfen uns doch permanent vor, dass wir in diesen fünf Jahren viel zu viel gemacht hätten.
Was hätten wir denn noch alles tun sollen? Das haben wir nicht gemacht. – Aber ansonsten haben wir nach Ihrem Da fürhalten viel zu viel gemacht.
Ja, das wissen wir doch alles. – Schauen Sie sich einmal die Entwicklung an: In den Siebzigerjahren hatten wir eine Über gangsquote auf die Hauptschulen von fast zwei Dritteln. Dass wir heute bei unter 20 % liegen, ist eine Entwicklung, die Sie
doch nicht allen Ernstes einem SPD-Kultusminister zuschrei ben können.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich weiß, wer hier viele Jahre das Kultusressort ver antwortet hat und wer eben auch nicht rechtzeitig gegenge steuert hat, als es um die Weiterentwicklung der Hauptschule gegangen ist.
Denn die Gründung bzw. das Modell der Werkrealschule war ja erkennbar eben auch ein Rohrkrepierer. Daher, meine Da men und Herren, müssen wir uns da auf den Weg machen und brauchen ein paar neue Ideen.
Vielen Dank.
Herr Minister, Sie hatten ge rade erläutert, dass in diesen Berufen, bei denen wir heutzu tage einen großen Mangel haben, das Problem besonders gra vierend ist, wenn man aus den Arbeitsverhältnissen heraus ab schiebt. Welchen Beruf hatten denn die Eltern, die jetzt mit ihren Kindern abgeschoben wurden? Meines Wissens waren diese gerade im Bereich der Pflege tätig.
Hätte man da nicht mal – Sie sind ja auch in der Bundespoli tik tätig – die Möglichkeit, genau an dieser Stelle zu sagen: „Jetzt warten wir noch einmal diese drei, vier, fünf Tage ab“? Denn Sie wussten ja, dass das Gesetz in Vorbereitung ist und die Diskussion auf Bundesebene entsprechend geführt wird.
Frau Ministerin, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen! Ich erinnere an die Plenardebatte vom 9. Mai 2018 und stelle die Frage:
Kann die Landesregierung im Hinblick auf die Aussage von Frau Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann an ebenjenem Plenartag, die SPD hätte das Realschulreferat im Kultusmi nisterium in der letzten Legislatur abgeschafft, erläutern, wann und von wem dieses Referat wirklich abgeschafft wurde, und angeben, wann es wieder im Organigramm aufgetaucht ist?
Nur ganz kurz: Ich stelle fest, dass die vorhergehende Landesregierung das Referat nicht ab geschafft hat, wenn wir bei der Amtsübernahme von 2011 se hen, dass das Referat einen anderen Titel hatte, aber die Re alschulen im Referat 34 aufgeführt waren.
Das wollte ich mit dieser Frage geklärt haben.
Die Ministerin ist heute ja nicht da. Das werde ich mir noch aufheben, bis es wieder die Möglichkeit gibt, sie direkt dar auf anzusprechen.
Vielen Dank.
Ja. – Bei der Übernahme der Amtsgeschäfte gab es das Referat 34, wo es um Werkrealschu len, Hauptschulen, Realschulen, Medienpädagogik ging, oh ne dass es zu dem Zeitpunkt die Gemeinschaftsschulen gab. Das stimmt vollkommen.
Es geht einfach darum, dass es auch heute beim Referat 34 – „Realschulen“ – zusätzliche Aufgaben gibt, die es zu der Zeit – vor 2011 – auch gegeben hat. Ich will nur feststellen: Die vorhergehende Landesregierung hat das Realschulreferat eben nicht abgeschafft.
Eine ganz kleine Ergänzung sei mir noch gestattet: Sie wis sen genau, dass die vorhergehende Landesregierung überhaupt erstmals angefangen hat, die Realschule aufzuwerten, indem Poolstunden an diese Schulform gegeben wurden.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen! Ich darf zunächst in aller Beschei denheit darauf hinweisen, dass es ein SPD-Kultusminister war, der 2014 überhaupt erstmals ein Konzept für die Weiterent wicklung der Realschulen auf den Weg gebracht hat.
Kernstück dabei war, dass Schülerinnen und Schüler indivi duell gefördert werden und neben der Realschulprüfung auch die Hauptschulabschlussprüfung abgelegt werden kann.
Um die individuelle Förderung auch organisatorisch zu unter füttern, gab es damals auch erstmals überhaupt Poolstunden für die Realschulen. Schon damals war aber auch das Ziel klar formuliert, dass die Poolstunden auf das Niveau der Werkre alschulen und der Gymnasien aufwachsen sollten.
Damals war die CDU nicht für eine Unterstützung dieses Kon zepts zu gewinnen. Allerdings gab es damals eine breite Zu stimmung bei den Realschulen, den Rektoren, den Verbänden, der GEW, der Wirtschaft. Wer wollte, konnte damals dieses Konzept zur Kenntnis nehmen.
Wie sieht es denn heute aus? Mit den vorgenommenen Ände rungen verhindert die Landesregierung eine echte Weiterent wicklung der Realschulen. Statt den Umgang mit Heteroge nität als Herausforderung anzunehmen, wird der Weg zurück zum Schubladendenken vorbereitet.
Die mittelfristig 20 Poolstunden werden für die Bildung leis tungsdifferenzierter Klassen verpulvert. Laut Realschulleh rerverband werden sich die meisten Schulen für eine äußere Differenzierung entscheiden. Schön ist dennoch, dass Sie mitt lerweile wenigstens den Ressourcenbedarf erkannt haben. Al lerdings: Durch den Verbleib von zehn der 20 Poolstunden an den Schulämtern gibt es an den Standorten nicht genug Zeit für die individuelle Förderung. Binnendifferenziertes Arbei ten wird damit nicht unterstützt.
Konkret zum Antrag einige Ausführungen. In Ziffer 1 des An trags interessieren wir uns für die wissenschaftlichen Erkennt nisse, die zur Schulgesetzänderung geführt haben – eine legi time Frage, wie ich finde, die auch eine ernste Antwort ver dient. Statt einer sachlichen Antwort erhalten wir einen in haltsleeren Verweis darauf, dass es auch keine Forschung ge be, die dagegenspricht. Eine solche Antwort ist einer Minis terin, die vorgibt, evidenzbasiert zu arbeiten, nach meinem Dafürhalten unwürdig.
In der Stellungnahme zu Ziffer 2 des Antrags heißt es:
Die Schülerinnen und Schüler sollen in den Klassen 5 und 6 zwei Schuljahre Zeit haben, ihr Potenzial voll zu entfal ten.
Ginge es nicht besser – so muss man doch hier aus pädagogi schen Überlegungen fragen –, wenn sie ihrem aktuellen Lern stand entsprechend auf G- oder M-Niveau lernen dürften, dann auch mit den entsprechenden Erfolgserlebnissen? Am Ende der Klasse 6 müssen sie scheitern und sitzen bleiben, um auf G-Niveau eingestuft zu werden. Frustrationserfahrun gen sind damit Teil dieses Konzepts.
Es gibt interessante Arbeiten des Freiburger Professors für Psychoneuroimmunologie Joachim Bauer. Er hat 2007 das Buch „Lob der Schule“ geschrieben, in dem er sich mit der Frage beschäftigt, wie wir Zugang zur Motivation der Schü lerinnen und Schüler finden. Wichtigste Voraussetzung für den Lernerfolg sind demnach konstruktive, das Lernen befördern de Beziehungen.
Entscheidend für die Motivation sind Wertschätzung und An erkennung durch wichtige Bezugspersonen, eben auch durch die Lehrkräfte.
Nun kann man sich natürlich gut vorstellen, wie wertgeschätzt sich schwache Schülerinnen und Schüler in einem System füh len, das so angelegt ist, dass sie durch das Raster fallen.
Erstes Fazit: Die Aufstockung der Poolstunden für Realschu len ist prinzipiell richtig. Damit folgt Grün-Schwarz dem von Grün-Rot eingeschlagenen Weg der Realschulförderung. Aber komplette 20 Poolstunden müssen an die Schulen, damit hier individuell gefördert werden kann.
Zweitens: Das rückwärtsgewandte Denken der Landesregie rung, nämlich Differenzierung nach Niveaustufen und Ab schlussziele in Gruppen oder gar Klassen, das riecht nach Trennung à la dreigliedrigem Schulsystem, nicht nach indivi dueller Förderung der einzelnen Schülerinnen und Schüler.
Drittens: Damit werden diejenigen Schülerinnen und Schüler frühzeitig aussortiert, die dem Hauptschulzugang zugeordnet werden. Um zu dokumentieren, dass diese Schülerinnen und Schüler auf G-Niveau unterrichtet werden sollen, müssen ih nen Fünfer und Sechser gegeben werden. Sie kennen ja diese Notengebung.
Frustration bei Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften ist vorprogrammiert.
Viertens: Wir fordern stattdessen auch künftig Unterricht im gemeinsamen Klassenverbund. Die Festlegung auf ein Bil dungsziel sollte erst nach Klassenstufe 8 erfolgen.
Und schließlich fünftens: Die zusätzlichen Ressourcen für Re alschulen sind wichtig, aber es darf nicht sein, dass diese in veraltete Pädagogik fließen.
So weit zunächst einmal in dieser ersten Runde.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen! Kollege Balzer, das Thema Homo genität, die Mär von der Homogenität – das muss ich Ihnen nicht noch einmal erzählen – haben wir hier schon oft genug diskutiert. Das gilt auch ein Stück weit für den Kollegen Timm Kern – leider –, der ja auch kein Freund der Binnendifferen zierung ist. Wir haben das aber in unserer Ausbildung auch nicht so gelernt. Ich habe allerdings mittlerweile vielfach ge sehen, wie gut das funktioniert.
Kollegin Boser und Kollege Röhm, ob Sie da wirklich im Ge spräch mit den Realschulen sind? Leichte Zweifel habe ich an dieser Stelle schon.
In einem gebe ich Ihnen, Frau Ministerin, recht: Die Stärkung der Realschulen und die Auseinandersetzung mit diesem The ma waren überfällig. Deshalb haben wir das auch in der letz ten Legislaturperiode aufgegriffen. Gelegentlich wird uns ja vorgeworfen, wir hätten zu viel gemacht. Dass wir das nicht gleich zu Beginn machen konnten, war einfach der großen An zahl von Aufgaben, die wir vorgefunden haben, geschuldet.
Wann wurde das Realschulreferat abgeschafft? Diese Frage sollten wir vielleicht noch einmal klären. Denn ich weiß schon, dass unter Schwarz-Gelb, vor 2011, die Realschulen eigentlich nichts hatten. Insofern muss man jetzt nicht anfan gen, so zu tun, als ob das prima Zustände gewesen wären.
Frau Ministerin, Sie haben gesagt, Sie hätten nicht den Ein druck, dass ich oder wir vonseiten der SPD im Gespräch mit den Realschulen wären, und Sie fragten sich, mit wem wir da gesprochen haben. Ich kann Ihnen einmal ein paar Punkte be nennen, die uns in den Gesprächen immer wieder vorgetragen werden. Einen Teil können Sie aber auch in unserem Wahl programm von 2016 nachlesen.
Wir hatten uns eindeutig dafür ausgesprochen, dass jetzt, beim Aufbau der Poolstunden, parallel dafür gesorgt wird, dass ins besondere die Schulleitungen in den Realschulen gestärkt wer den müssen. Da ging es um die Frage: Wie wird der Beruf des Realschulrektors attraktiver? Wie machen wir das denn mit Abteilungsleitern in Realschulen? Vielleicht müssen wir auch da die Fragen, die vor Ort gestellt werden, stärker aufnehmen. Wir wissen, dass große Realschulen Anspruch auf einen Kon rektor haben. Aber vielleicht wird dieses System analog zu Vorbildern wie Bayern irgendwann ein wenig umgestellt, so dass auch die Arbeit an den Realschulen wieder etwas attrak tiver wird.
Frau Ministerin, die CDU diskutiert ganz aktuell wieder über die Wertevermittlung. Wie wäre es denn, wenn Sie endlich den Ethikunterricht auch an den Realschulen einführen und dies nicht nur vage für das Schuljahr 2019/2020 ankündigen würden?
Was ist denn mit der Informatik in den Realschulen? Im nächsten Schuljahr soll das Fach ab Klasse 7 als Wahlfach ein geführt werden. Haben Ihnen die Fachleute vor Ort nicht er klären können, dass es besser wäre, das als Wahlpflichtfach einzuführen, um das MINT-Profil an den Realschulen zu stär ken – so, wie es an Gemeinschaftsschulen und Gymnasien ge plant ist?
Sind Ihnen die Probleme mit dem Fach Französisch als Wahl pflichtfach bekannt? Vielleicht müssen wir einmal darange hen, das zu evaluieren. Wenn man schon ab Klasse 6 das Wahlpflichtfach Französisch wählen muss, damit man in Klas se 7 das Fach Französisch überhaupt belegen kann, macht das wenig Sinn; es ist problematisch, diejenigen, die sprachtalen tiert sind, schon so frühzeitig auszusortieren und in Klasse 6 zu verprellen. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Ich habe leider nur noch wenig Zeit, aber zwei Punkte sind mir aus Gesprächen mit den Fachleuten vor Ort noch wichtig. Ein Punkt betrifft die Schulverwaltung.
Ja, wenn Sie die Uhr anhal ten. Ich habe noch drei Sätze zu sagen. – Timm, bitte.
Richtig.
Lieber Kollege Kern, uns wird so oft vorgeworfen, dass wir in dieser Zeit viel zu viele Punkte angegangen wären. Die Schulverwaltung auszubauen Richtung Gemeinschaftsschule war eine richtig große Aufga be.
Die Gemeinschaftsschule als neue Schulart zu installieren war eine richtig große Aufgabe. Im nächsten Schritt haben wir uns den Realschulen zugewendet und sie mit Poolstunden ver sorgt, und erstmals wurde ein Realschulkonzept erstellt. Das muss man doch einfach zur Kenntnis nehmen.
Insofern haben wir in der letzten Legislaturperiode schon sehr viel getan, was auch die Stärkung der Realschulen beinhaltet hat.
Ich stehe nachher noch zur Verfügung, lieber Kollege Kern.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, lassen Sie mich noch zwei Sätze sagen.
Ja, gut, okay. Ich beschrän ke mich auf einen Satz. – Es geht mir um die geplante Neu ordnung der Abschlussprüfung, liebe Kolleginnen und Kolle gen, die Absicht, eine mündliche Prüfung nur noch dann zu zulassen, wenn zwischen eingereichter und erzielter Note zwei Noten Differenz liegen. Das ist ja ziemlich sinnfrei. Wenn wir einmal die Realität anschauen: Da werden wir keine mündli chen Prüfungen mehr brauchen.
Ich fasse zusammen:
Gerade bei der Weiterentwicklung der Realschule gibt es noch viel zu tun. Das, was ich hier gehört habe, geht an dem, was ich an den Realschulen höre, ziemlich vorbei.
Ich verstehe auch die Schul leitungen von Realschulen, die sehnsüchtig an die Zeiten ei nes Kultusministers Stoch zurückdenken.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen! Zwei Anmerkungen vorab. Einmal an die AfD: Ich werde dieses Max-und-Moritz-Spiel nicht mit zeitgemäßen Beispielen aus „Die Sendung mit der Maus“ be antworten. An die CDU auch der Hinweis: Bis 2011 ist Ihnen das mit der Qualität ja prima gelungen, Kollege Röhm.
Daher, denke ich, muss man das, was hier gesagt wurde, auch einmal in einer gewissen zeitlichen Abfolge sehen.
Zu meinen eigentlichen Ausführungen: Der Kollege Fulst-Blei hat mir berichtet, dass er vor Kurzem auf einer Podiumsver anstaltung von einer Mutter angesprochen wurde, die berich tet hat, dass ihre Tochter beim BIZ – beim Berufsinformati onszentrum – davor gewarnt wurde, Lehramt zu studieren.
Man könnte dann zum Thema „Lehrkraft in Baden-Württem berg“ formulieren: Selbst die Berufsberatung der Agentur für Arbeit rät davon ab.
Ich selbst habe schon viele Diskussionen geführt, bei denen ich auch von jungen Menschen angesprochen wurde wegen dieser Stellenstreichungen, die uns schon viele Jahre bewe gen – aktuell sind es 1 074 Stellen, die gestrichen werden sol len –: „Lohnt sich das überhaupt noch, Lehramt zu studieren? Habe ich da überhaupt eine Berufschance?“ Ich denke, für die Berufswahl ist das ein ganz fatales Signal, Frau Ministerin. Da muss dagegengearbeitet werden.
Dazu kommt, wie gesagt, das schlechte Image des Berufs. Die meisten Lehrerinnen und Lehrer im Land sind in der Tat über lastet. Das schreckt eben die jungen Menschen auch langfris tig ab, diesen Beruf zu wählen. Die Zahl von 582 Lehrern, die jünger als 55 Jahre sind und in den Vorruhestand gehen, zeigt schon eine bedenkliche Entwicklung. Wenn – diese Erfahrung habe ich gemacht – junge Lehrkräfte an der Schule nach rela tiv kurzer Zeit ihr Deputat um zwei, drei, vier, fünf Stunden kürzen, weil sie es sonst einfach nicht mehr schaffen, dann ist doch das auch ein ziemlich deutliches Indiz dafür, dass hier Handlungsbedarf besteht.
Neben der Rücknahme der Stellenstreichungen müssen sich die Arbeitsbedingungen in der Schule verbessern. Wenn wir etwas verbessern wollen, müssen wir ja erst einmal den Ist zustand kennen. Deshalb müssen wir das, was in der Stich probenerhebung auch schon erfasst wird, systematisch und
schulscharf protokollieren. Es geht nicht nur um den Unter richtsausfall, es geht auch um die Mehrarbeit, es geht um den fachfremd erteilten Unterricht, es geht um die kurz- und lang fristige Anhebung des Klassenteilers, und es geht auch um die stundenweise Zusammenlegung von Klassen.
Das sind alles Dinge, die wir wissen könnten, weil wir im Bil dungsausschuss ja gehört haben, dass die Planungsdaten über die Verwaltungssoftware ASV-BW erhoben werden können. Lassen Sie bei der Entwicklung bitte auch diese Faktoren mit erfassen.
Meine Damen und Herren, um Unterrichtsausfall zu vermei den, müssen wir insgesamt an vier Stellschrauben drehen – sicher nicht alles gleichzeitig, und sicher ist das nicht alles so fort realisierbar. Aber der Reihe nach: Zunächst einmal – da mit hatten wir, Grün-Rot, ja begonnen – muss die Krankheits reserve ausgebaut werden, und zwar um rund 20 % auf zu nächst 2 000 Lehrkräfte. Das Entlastungskontingent muss wie der aufgestockt werden, damit es neben dem Pflichtunterricht im Schulalltag etwas Luft gibt. Der Versorgungsgrad an Schu len muss zu Beginn des Schuljahrs mindestens einmal 105 % betragen. Als Viertes fordern wir auch, den Aufbau multipro fessioneller Teams an Schulen gezielt zu fördern, weil wir wis sen, dass nicht nur die Fachlichkeit eine Rolle spielt, sondern dass wir bei der Zukunftsfrage, wenn es um Schulen geht, au ßer den Lehrkräften auch andere Kompetenzen brauchen.
Dass wir mit diesen Maßnahmen den Blick nach vorn richten, heißt nicht, dass es hier und jetzt keinen Gestaltungsspielraum gibt. Wir hatten die Situation mit den Gymnasiallehrkräften ja schon angeführt: 2 250 Gymnasiallehrkräfte, die zu Beginn des Schuljahrs kein Stellenangebot bekommen haben. Man muss sich schon einmal fragen, was denn schiefläuft, wenn elfmal so viele Bewerber wie Stellen da sind, die 200 Stellen, die Sie für die Gemeinschaftsschule vorgesehen hatten, aber nicht besetzt werden können.
Was die Realschullehrkräfte an Grundschulen betrifft, haben Sie, Frau Ministerin, ja geschrieben, dass derzeit eine grund sätzliche Öffnung für Lehrkräfte von Realschulen für den Ein satz in Grundschulen nicht vorgesehen ist, aber mit einer ge wissen Flexibilität könnten wir da sicher auch den einen oder anderen Einzelfall umsetzen und vor Ort helfen.
Ich will noch konkret zum Antrag der AfD kommen, den wir ablehnen.
Zwei Sätze noch, ja. – Es ist mit Blick auf die aktuelle Qualitätsdiskussion völlig unzurei chend, was hier in dem Antrag gefordert wird. In den weite ren Punkten geht es darum, dass hier große Fragen aufgewor fen werden mit Blick auf beamtenrechtliche Implikationen, mit Blick auf das Gehaltsgefüge oder auch mit Blick auf die se regionale Pauschalität, die Sie hier formulieren. Es gibt si cher auch in Heidelberg und auch in anderen Universitätsstäd ten Schulen mit unterschiedlichen Herausforderungen, die ent sprechende Bewerberinnen und Bewerber anlocken, weil es eben attraktiv ist, dort zu arbeiten.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen! Was wir im vergangenen Jahr vor
hergesagt hatten, ist eingetreten. Der Unterrichtsausfall an den Schulen in unserem Land hat ein neues Rekordhoch erreicht, insbesondere an Gymnasien, an beruflichen Schulen; in die sem Schuljahr stieg die Quote dort sogar um rund 20 %.
Wir führen diese Debatte heute, weil die grün-schwarze Lan desregierung die miserable Versorgungssituation einfach hin nimmt.
Die aktuelle Lage wird sogar noch schöngerechnet. Warnsig nale der Gewerkschaften, der Lehrkräfte und der Schulleitun gen werden routiniert abgebügelt. Genauer hinschauen will man im Kultusministerium lieber nicht. Denn dann wäre nicht mehr zu leugnen, dass viel zu wenig geschieht. Die Schulen in unserem Land haben schon zu Beginn des Schuljahrs 635 Lehrkräfte zu wenig gehabt.
Es würde zu Unterrichtsausfällen kommen, sobald die erste Krankheitswelle durchs Land rollt. So viel stand bereits zu Beginn des Schuljahrs fest. Und zur selben Zeit wurde die Streichung von 1 074 Stellen durch Grün-Schwarz wirksam.
Laut Ihnen, Frau Kultusministerin, sei das kein Problem. Denn diese Stellen könnten ja eh nicht besetzt werden. Zum neuen Lieblingssatz „Die Unterrichtsversorgung ist auf Kante ge näht“ gesellte sich das Mantra „Wir haben ein Bewerber- und kein Stellenproblem.“
Frau Ministerin, das stimmt zwar in gewissen Bereichen, aber in anderen eben nicht. Sie nutzen den Spielraum, den Sie ha ben, nicht; Sie stellen sich mit dieser Aussage vielmehr selbst die Lizenz zum Nichtstun aus. Sie gehen offen mit dem Defi zit um, wobei Sie vermeintlich anderen die Schuld dafür ge ben. Das ist strategisch durchaus geschickt, aber eben unauf richtig, vor allem zu kurzsichtig und auch durchschaubar.
Dennoch sind die Stellenstreichungen ein Problem. Das zeigt sich am Beispiel der Gymnasien, wo Anfang des Schuljahrs noch alle Stellen besetzt werden konnten und sogar über 2 250 Bewerber leer ausgingen. Auf dem Papier geht es dieser Schul art also so gut wie keiner anderen, und trotzdem verzeichnet sie laut neuester Stichprobenerhebung nun den größten Un terrichtsausfall. Das ist angesichts der hervorragenden Bewer bersituation absolut nicht nachvollziehbar.
Wir haben die Landesregierung gefragt, warum sie vor die sem Hintergrund eine derartige Verschlechterung der Unter richtsversorgung an den Gymnasien zulässt. Die Antwort: Die Unterrichtsversorgung habe sich gar nicht verschlechtert; der Versorgungsgrad sei an allen Gymnasien im Land etwa gleich und insgesamt günstiger als an anderen Schularten. Frau Mi nisterin, ist das Ihr Ernst?
Wenn 20 % mehr Unterricht ausfällt als im Vorjahr, ist „über all gleich und günstiger als anderswo“ offensichtlich nicht ge nug. Wo bleibt Ihr Qualitätsanspruch, den Sie so oft formu liert haben?
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU, die gern Zif fernnoten haben: Eine solche politische Steuerung ist absolut mangelhaft. Das ist nicht eine Vier, sondern das ist eine glat te Fünf.
Deshalb müssen die Stellenstreichungen zurückgenommen werden, und die Krankheitsreserve muss ausgebaut werden. Ziel muss sein, dass alle Schulen mittelfristig einen Versor gungsgrad von 105 % zum Schuljahresbeginn haben, damit sie nicht bei jedem Virus sofort in den Krisenmodus fallen. Baden-Württemberg braucht eine Unterrichtsversorgung, die nicht schon zum Schuljahresbeginn auf Kante geplant und da mit zum Scheitern verurteilt ist.
Grundlage einer auskömmlichen Unterrichtsversorgung ist die Personalplanung. Damit sind wir bei der nächsten Großbau stelle. Fakt ist, dass das Kultusministerium gar nicht genau weiß, was in den Schulen eigentlich los ist. Treffend titelte der „Mannheimer Morgen“ am 21. Februar dieses Jahres bezogen auf das Kultusministerium auf Grundlage einer SPD-Anfra ge: „Ministerium kennt keine Zahlen“. Aussagen in der Stel lungnahme: Unterrichtsausfall wird nur stichprobenartig ein mal pro Jahr erfasst und auch nur für den Pflichtunterricht. Mehrarbeit wird nicht erhoben. Vertretungsstunden werden nicht erfasst. Fachfremd erteilter Unterricht wird ebenfalls nicht erhoben.
Ihre Ausrede, Frau Ministerin: Die Erfassung solcher Daten sei mit zu viel Aufwand für die Schulleitungen verbunden. Die Aussage, dass hier keine EDV-gestützten Lösungen ge funden werden können, ist wenig glaubwürdig. Andere Bun desländer können das ja schließlich auch.
Zu den Personalplanungen gehört eben auch, dass fast ein Drittel der Referendarinnen und Referendare nach dem Vor bereitungsdienst sowieso erst einmal auf der Straße sitzt, wäh rend in den Schulen immer mehr Unterricht ausfällt. Für Sie ist es einfach, zu behaupten, die Ortspräferenzen und Fächer kombinationen der Bewerber ließen keine Zuteilung zu. Er fasst werden diese Daten jedoch nicht, und so müssten wir Ih nen einfach glauben, dass es bei den 2 250 verfügbaren Gym nasiallehrkräften nicht möglich ist, 200 in für sie an Gemein schaftsschulen vorgesehene Stellen zu bringen.
Das tun wir aber, ehrlich gesagt, nicht. Denn mehr als 700 Gymnasiallehrkräfte hatten explizit angegeben, auch an Ge meinschaftsschulen arbeiten zu wollen. Frau Kultusministe rin, es ist an der Zeit, einen schonungslosen Blick auf die Ist situation zu werfen. Dazu gehört auch der Handlungsspiel raum, den Sie aktuell haben, aber nicht nutzen. Wir haben wei te Teile des Maßnahmenpakets zur Verbesserung der Unter richtsversorgung, das Sie im letzten Juli vorgestellt haben, be grüßt. Aber es ist mehr erforderlich. Es bedarf grundlegender Veränderungen in der Personalplanung des Kultusministeri ums und in der Ausstattung der Schulen.
Frau Ministerin, ich weiß, was nachher kommen wird. Es ist leicht, auf Versäumnisse in der Vergangenheit zu verweisen.
Schwieriger ist es, im Hier und Jetzt die Zukunft zu gestalten. Ich denke, das ist vor allem Ihr Job.
Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Kollegin Boser, liebe Kollegen Röhm und Kern! Mit guten Ratschlägen sind wir eingedeckt bis 2021. Da brauchen Sie also nicht nachzulegen.
Hören Sie zu. – Zu dem, was ich gesagt habe, will ich noch einmal deutlich machen: Wir stehlen uns ja nicht aus der Ver antwortung.
Ich habe deutlich formuliert: Wir begrüßen die Maßnahmen, die Sie im letzten Jahr vorgestellt haben. Aber ich habe auch deutlich gesagt: Es gibt Spielräume, die Sie eben nicht genutzt haben. Abgesehen davon, dass keine Antwort auf diese Strei chung von 1 074 Lehrerstellen gegeben wurde, will ich noch einmal deutlich machen, dass wir uns bei diesen 11 600 Stel len, deren Streichung in der letzten Legislaturperiode im Raum stand, verabredet hatten – wenn auch erst nach zwei Jahren –, dass wir jährlich überprüfen, was an dieser Zahl wirklich noch dran ist.