Protokoll der Sitzung vom 09.11.2017

Meine Damen und Herren! Nehmen Sie bitte Ihre Plätze ein, und stellen Sie Ihre Gesprä che ein oder verlagern Sie diese nach außerhalb des Plenar saals, sollten sie ganz besonders wichtig sein.

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 46. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg. Ich begrüße Sie heute, am 9. November, wie immer sehr herzlich zu einem weiteren Sitzungstag.

(Unruhe)

Ich bitte Sie hier vorn um etwas mehr Ruhe. Herr Abg. Dr. Meuthen, ich bitte auch Sie um Ruhe. – Danke schön.

Also: Ich begrüße Sie heute, am 9. November, wie immer sehr herzlich zu einer weiteren Sitzung. Der 9. November ist aber mehr als ein bloßes Datum. Es ist der Tag, der vielfach als deutscher Schicksalstag bezeichnet wird. Der 9. November 1938 steht für den Terror der Nazis und ihrer Unterstützer ge gen jüdische Bürgerinnen und Bürger. Er erinnert an einen Zi vilisationsbruch, der zum Menschheitsverbrechen des Holo causts führte. Der 9. November 1989 steht für die Öffnung der Mauer nach einer friedlichen Revolution. Er erinnert an den Auftakt zur Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands. Diese Wendepunkte sind historisch miteinander verbunden. Das Glück des 9. November 1989 ist nicht ohne das Leid des 9. November 1938 zu denken.

Unsere weltoffene wie wehrhafte Demokratie hat aus dem Tiefpunkt unserer Geschichte gelernt. Das Freiheitsstreben der Menschen in der DDR hat unserem Land ein neues Ant litz und eine neue Rolle in einem zusammenrückenden Euro pa gegeben. Beide Daten prägen unser Land dauerhaft. Ihre Bedeutung für das Hier und Jetzt verblasst nicht. Umso wich tiger ist eine Erinnerungskultur, die die historischen Pfade für die folgenden Generationen sichtbar hält. Das stärkt unsere Demokratie. Dieses Bewusstsein tut auch der politischen Kul tur gut.

Ich komme nun zu den üblichen Sitzungsbekanntgaben:

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Frau Abg. Felder, Herr Abg. Halder, Herr Abg. Kopp, Frau Abg. Lisbach, Herr Abg. Stein, Herr Abg. Voigtmann, Herr Abg. Walter, Herr Abg. Dr. Weirauch.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Herr Minister Wolf, Herr Minister Hermann, Frau Staatsrätin Erler, Frau Staatssekretärin Schütz, Frau Staatssekretärin Mie lich, bis ca. 14:30 Uhr Herr Minister Strobl, ab 14 Uhr Frau Ministerin Sitzmann und ab 14:30 Uhr Frau Ministerin Bau er.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Frau Präsi dentin, wäre es nicht einfacher, vorzulesen, welche Regierungsmitglieder anwesend sind? – Gegenruf des Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja! – Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Über diesen Antrag können wir gern einmal zu einem ande ren Zeitpunkt im Präsidium diskutieren.

(Heiterkeit – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wir treten nun in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Peter und der Wolf – hievt Minister Hauk Canis lupus 2018 ins Jagd- und Wildtiermanage mentgesetz? – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landes regierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.

Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

In der Aussprache erteile ich nun das Wort für die FDP/DVPFraktion Herrn Abg. Glück.

Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! Der Wolf ist in Baden-Württemberg angekommen, und das nicht erst seit gestern. In immer kür zer werdenden Abständen wird von Wolfssichtungen berich tet. Neben zwei überfahrenen Wölfen auf der Autobahn ist jetzt auch der erschossene Wolf, der im Schluchsee aufgefun den wurde, ein sicherer Hinweis, dass es Wölfe gibt.

Aber darüber hinaus gibt es eben auch sehr viele Wolfssich tungen. Nur allzu oft fallen diese Wolfssichtungen in die Ka tegorie „C3“ – „unsicher“. Aber wenn ein erfahrener Jäger bei mir im Nachbarrevier, der viel in Nordamerika und Alaska un terwegs war, berichtet, er habe einen Wolf gesehen, dann kön nen Sie glauben, er erkennt einen Wolf, wenn er einen sieht. Oder – unweit davon, ein paar Kilometer weiter – wenn ein Tierarzt darüber berichtet, dass er einen Wolf gesehen hat, dann können Sie ihm glauben, dass es sich hierbei um einen Wolf gehandelt hat.

Erst vor Kurzem hat mir sogar ein grüner Landtagskollege ein Video gezeigt, auf dem zu sehen war, wie ein Wolf wenige Meter hinter einem Traktor her gestreift ist.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Der wollte mitfahren!)

Auch das ist Baden-Württemberg. Es ist völlig klar: Wölfe sind da.

Bereits vor einem Jahr hat die FDP/DVP deswegen eine Ini tiative eingereicht, in der wir die Frage gestellt haben, ob die Landesregierung die Möglichkeit sieht, den Wolf bei der Zu weisung einer ganzjährigen Schonzeit in das JWMG zu über führen, wie es bei dem streng geschützten Luchs im Übrigen bereits jetzt der Fall ist.

Herr Abg. Glück, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Klos zu?

Nein. Ich würde gern wei termachen, weil mir sonst die Zeit leider ein bisschen knapp wird.

Jetzt die Antwort des Ministers Untersteller – ich zitiere –:

Da der Wolf... in den letzten Jahren lediglich drei Mal kurzzeitig aufgetreten ist, stellt sich die Frage nach einer Unterstellung unter das JWMG nicht.

Jetzt würde ich Herrn Minister Untersteller eigentlich gern di rekt ansprechen,

(Zuruf des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

denn diese Argumentation ist mittlerweile hinfällig. Der Wolf ist in Baden-Württemberg angekommen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Sogar schon fünf Mal!)

Und der Kabinettskollege von Herrn Minister Untersteller, nämlich Peter Hauk, hat es ja bereits erfasst. Danke, Herr Mi nister Hauk, für Ihre klaren Worte.

Übrigens: Zwei Tage vor der Anhörung zum Thema Wolf am 26. Oktober war den Zeitungen zu entnehmen, dass es sich beim Riss von drei Lämmern in der Nähe von Heilbronn tat sächlich um einen Wolfsriss gehandelt hat. Spätestens jetzt ist klar: Der Wolf ist eben nicht nur kurzzeitig da, sondern er ist fester Bestandteil unserer Natur.

Das ist natürlich auch ein gewisser Vorgeschmack auf die Pro bleme, die er mit sich bringen kann. Es ist ja zu begrüßen, dass der Wolf in den Wildtierbericht aufgenommen werden soll. Auch andere Maßnahmen können durchaus einen Baustein darstellen, z. B. Schutzzäune oder Herdenschutzhunde. Aber bei der Anhörung zum Thema Wolf haben wir einen Exper ten gehört mit den Worten: „Sie werden den Rüstungswettbe werb mit dem Wolf verlieren.“ Und weiter: „Wölfe sind nicht scheu. Sie sind vorsichtig, aber auch neugierig.“ Deshalb muss der Wolf zeitnah in das Landesjagdrecht aufgenommen wer den.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das hat ja nichts damit zu tun!)

Es gilt, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen. Die Vorteile, die man davon hat, wenn man den Wolf ins Jagdrecht aufnimmt, liegen auf der Hand.

Erstens: Die Jägerschaft wird bei diesem polarisierenden The ma nicht ausgesperrt, sondern in ein aktives Monitoring ein gebunden.

Zweitens: Bei akuten Problemfällen kann nach wenigen Te lefonaten unverzüglich und rechtssicher auch einmal ein He geabschuss durchgeführt werden. Ich will eben nicht, dass ein Wolf, wie im brandenburgischen Rathenow geschehen, tage lang durch den Garten einer Kindertagesstätte streift und sich ohne Scheu den Kindern nähert.

Wenn ein Wolf – das ist jetzt das dritte Argument – sich trotz Schutzmaßnahmen immer wieder an Nutztieren vergeht, muss eine rechtssichere und schnelle Entnahme erfolgen können.

Wer nun sagt: „Es gibt ja schon jetzt die Möglichkeit, eine Ab schussgenehmigung für einen Wolf zu bekommen“, dem sei gesagt, dass erst vor Kurzem in Bautzen tatsächlich eine Ab schussgenehmigung ausgesprochen wurde. Dann wurde von einem Umweltverband dagegen geklagt. Daraufhin wurde die Abschussgenehmigung zurückgenommen, und jetzt landet das Ganze vor Gericht. Bis also Antrag, Genehmigung, Außer kraftsetzung der Genehmigung und Beschreitung des Rechts wegs in Deutschland erfolgen, kann bereits sehr viel anderes passiert sein.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Man muss den Wolf mal anhören!)

Dann kommt noch dazu: Warum sollte denn der ebenfalls streng geschützte Luchs jetzt schon ins Jagdrecht aufgenom men sein, der Wolf aber nicht? Da ist etwas falsch in Ihrer Systematik.

Die Zeit drängt. Wir sollten uns den Ratschlag des Wolfsex perten aus Brandenburg, Gregor Beyer, zu Herzen nehmen: Wir müssen sichere rechtliche Strukturen schaffen, bevor es zu einem Problem kommt. Denn wenn ein Problem da ist, soll ten wir vorbereitet sein.

Die Probleme werden kommen, so wie sie in Brandenburg schon da sind. Ich möchte hier keine Ängste schüren – mit Si cherheit nicht –, aber ich möchte auch nicht, dass wir die Au gen vor der Realität verschließen. Da geht es um gerissene Schafe, gerissene Rinder, gerissene Pferde.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Noch ist gar nichts geris sen!)

Doch, natürlich! In Brandenburg selbstverständlich. Wären Sie bei der Anhörung dabei gewesen, hätten Sie es gehört.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt auch Bürger meister, die ihren Erzieherinnen untersagt haben, mit Kindern in den Wald zu gehen.

Und dann noch der Spruch: Der Wolf ist auch nur ein fauler Hund. Dort, wo Mülleimer sind, hält sich der Wolf auf.

Deswegen, Herr Minister Untersteller, werte grüne Kollegin nen und Kollegen, fordere ich Sie auf: Unterstützen Sie Mi nister Hauk, wenn er beabsichtigt, den Wolf zeitnah in das JWMG aufzunehmen. Vertrauen Sie auf das von Ihnen selbst verabschiedete JWMG. Dies ist der Lackmustest für Ihr eige nes Gesetz. Arbeiten Sie rasch, denn eines ist sicher: Der Wolf ist schneller als die deutsche Bürokratie.

Vielen Dank.