Mit der hohen Verantwortung in diesen Berufen gehen ein niedriger Lohn und oft auch prekäre Beschäftigungsverhält nisse einher. Die Statistik zeigt: Ist der Frauenanteil in einer Berufsgruppe sehr hoch, dann kann man mit hoher Wahr scheinlichkeit davon ausgehen, dass es sich um eine schlecht bezahlte Tätigkeit handelt. Das finde ich – freundlich formu liert – unfair; das richtige Wort ist hier „skandalös“, meine Damen und Herren.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch viele Bereiche, in denen Männer ganz gut im Rennen sind – man könnte auch sagen: überrepräsentiert. Ich denke hier an Aufsichtsräte oder an die Vorstände DAX-notierter Unternehmen.
Auf allen Führungsebenen finden wir hier nach wie vor fast ausschließlich Männer. Das hat sich ein bisschen geändert. Seit Einführung der Miniquote von 30 % für Aufsichtsräte 2016 stoßen etwas mehr Frauen durch die gläserne Decke. Die Quote wirkt also. Das kann man an dieser Stelle schon mal feststellen.
(Beifall bei den Grünen und des Abg. Tobias Wald CDU – Abg. Anton Baron AfD: Auf der Baustelle bräuchten wir auch mehr Frauen!)
Aber auch in der Politik sind Männer nach wie vor stark über repräsentiert: in den Gemeinderäten, in den Kreistagen und am deutlichsten im Landtag von Baden-Württemberg.
Mit einem Männeranteil von rund 75 % sind wir im Landes parlament von Baden-Württemberg bundesweit top.
Was den Frauenanteil anbelangt, sind wir natürlich Schluss licht – man könnte auch sagen: Flop. Sie alle hier im Saal kön nen mit diesem Geschlechterverhältnis doch nicht zufrieden sein. Ich hoffe, dass wir hier bald Fortschritte erreichen wer den.
Die grün geführte Landesregierung hat in den vergangenen Jahren schon einiges getan, um diesen Missständen und struk turellen Benachteiligungen zu begegnen.
Wir haben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessert. Sie wissen, bei der frühkindlichen Betreuung wa ren wir einmal Schlusslicht. Diesen Bereich haben wir in den vergangenen Jahren deutlich nach oben gefahren und um ins gesamt 50 % ausgebaut. Wir geben in diesem Jahr zum ersten Mal mehr als 900 Millionen € für die frühkindliche Betreu ung aus.
Auch im Bereich der Ganztagsgrundschulen müssen wir wei terkommen. Dort werden wir den Ausbau ebenfalls entspre chend vorantreiben.
Wir haben das Chancengleichheitsgesetz für den öffentlichen Dienst auf den Weg gebracht. Wir setzen uns für paritätische Gremienbesetzungen, Quotenregelungen und auch für starke Gleichstellungsbeauftragte ein.
Ebenso sieht es bei den Hochschulen aus. In diesem Bereich haben wir eine 40-%-Quote für Hochschulrätinnen und ein Stimmrecht für die Gleichstellungsbeauftragten in der Beru fungskommission eingeführt. Der Anteil der Professorinnen in Baden-Württemberg ist noch niedrig. Er ist jetzt auf im
merhin 20 % gestiegen, aber auch hier muss man in Zukunft noch deutlich mehr tun, um den Frauenanteil in den Leitungs positionen der Wissenschaft zu erhöhen.
Nein. – Aber auch in der Lan desregierung sieht es heute anders aus. Wenn Sie einmal zehn Jahre zurückgehen in das Kabinett Oettinger, dann werden Sie feststellen, dass es nur eine Ministerin und keine einzige Staatssekretärin gab. Immerhin haben wir jetzt im Kabinett Kretschmann II – zehn Jahre später – vier Ministerinnen, ei ne Staatsrätin sowie fünf Staatssekretärinnen, also immerhin eine Quote von 47,6 %.
Nehmen wir den Frauenanteil in den Parteien: Geht da nicht noch mehr? Keine Sorge, ich erspare Ihnen jetzt einen aus führlichen Werbeblock. Aber in keiner anderen Partei enga gieren sich mehr Frauen und sind in Führungspositionen und Gremien vertreten als bei uns Grünen.
Wenn ich durch die Reihen schaue, dann stelle ich fest: Für manche wären schon 20 % ein Quantensprung. Also: Trauen Sie sich! Machen Sie es!
(Beifall bei den Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Sie sprechen halt mehr die Frauen an! Ist doch okay!)
Natürlich muss auch die öffentliche Hand mehr tun. Der öf fentliche Dienst nimmt insgesamt schon eine Vorbildfunktion ein. Hier wird vieles richtig gemacht. Aber wenn man sich die Führungspositionen anschaut, sieht es auch da nicht beson ders gut aus, obwohl 70 % der Absolventen unserer Hoch schulen in Kehl und auch in Ludwigsburg weiblich sind. Dort werden ja die künftigen Fachkräfte für die Verwaltungen und als Bürgermeisterinnen, Landrätinnen, Amtsleiterinnen aus gebildet.
Wenn man sich die Bilanz insgesamt anschaut, sieht man: Es gibt in insgesamt 35 Landkreisen derzeit nur drei Landrätin nen,
nur sieben Oberbürgermeisterinnen und 80 Bürgermeisterin nen in unseren 1 101 Gemeinden in Baden-Württemberg. Ver glichen mit dem Frauenanteil in der Bevölkerung insgesamt ist das schon ein demokratisches Armutszeugnis.
Wer die Organigramme der Rathäuser, der Landratsämter und auch der Ministerien durchschaut, der oder die fragt sich, wa rum die überwiegende Anzahl der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst weiblich ist, nur nicht in den Führungsetagen. Da sieht es genau andersherum aus.
Liebe Verwaltungsspitzen, solltet ihr eine Amtsleiterin, eine Dezernentin oder Abteilungsleiterin suchen: Die top ausge bildeten Frauen, die qualifizierten Frauen, die Absolventinnen der Hochschulen, wie ich vorhin schon sagte, sind da. Wer sucht, der findet auch. Insofern gilt es jetzt, diese Führungs positionen dementsprechend zu besetzen.
All das ginge noch leichter und schneller – ich komme zum Anfang zurück, zur Familienarbeit, zu den Careberufen –, wenn sich auch Männer stärker an der Haus- und Familienar beit beteiligen sowie Careberufe ausüben würden.
Das entlastet die Frauen. Da bin ich ganz sicher. Das ver schafft auch der Wertschätzung und der Entlohnung in diesen Berufen einen enormen Schub. Wir müssen vielleicht auch die Frauen noch mehr unterstützen, damit die Männer diese glä serne Decke durchstoßen. Hier geht es aber vielleicht auch weniger um Fördern. Vielleicht müssen wir hier auch noch mehr fordern – also: weg von diesen gläsernen Decken, wo auch immer.
Lassen Sie uns jedes Jahr am Internationalen Frauentag Bi lanz ziehen, wie es um die Fortschritte in den verschiedenen Bereichen bestellt ist.