Im Dezember 2017 hat die Konferenz der Ministerpräsiden ten diesen Einundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsver trag unterschrieben. Wir haben Sie, wie gesagt, vorunterrich tet. Wir stehen heute im Wesentlichen vor einer großen Neu erung in diesem Staatsvertrag, nämlich der Aufnahme einer Betrauungsnorm.
Diese Betrauungsnorm ist unter Federführung des Landes Ba den-Württemberg erarbeitet worden und dient der Erschlie ßung wirtschaftlicher Potenziale, der Kooperation der Rund funkanstalten untereinander und miteinander, die dadurch ei ne wettbewerbsrechtliche Grundlage erhält. Auf der einen Sei te schafft sie Rechtssicherheit bei der Zusammenarbeit und der Erschließung dieser Potenziale, auf der anderen Seite ver hindert sie, dass die Kooperation in wettbewerbsrechtlich pro blematische Zonen ausgedehnt wird.
Als weiteren Punkt haben wir das Landesmediengesetz. Im Landesmediengesetz regeln wir die Übertragung der Daten schutz-Grundverordnung auf den privaten Sektor. Hier gilt im Grunde genommen dasselbe, was auch im Landespressege setz angestrebt ist: dass wir Sonderregelungen zur Informati onspflicht schaffen. Die Regelung, dass jeder, der Gegenstand einer journalistischen Recherche wird, vorher informiert wer den muss bzw. zum Ergebnis dieser Recherche sein Einver ständnis geben muss, wird in diesem speziellen Fall aufgeho ben, weil das dazu führen würde, dass Journalismus praktisch gar nicht mehr möglich wäre, Journalisten nicht mehr vernünf tig arbeiten könnten.
Daher ist hier im Landesmediengesetz neben dieser Übertra gung und der Bewahrung der bestehenden Bestimmungen bzw. den Ausnahmeregelungen von Datenschutz in diesem Bereich eigentlich nur eine Neuigkeit enthalten, nämlich dass der Vorsitzende des Vorstands der Landesanstalt für Kommu nikation, die ja eine selbstständige Einrichtung ist, auch die Rechtsaufsicht über den Vollzug und die Einhaltung des Da tenschutzrechts im journalistischen Bereich zugewiesen be kommt.
Bezüglich des Datenschutzes beim Landespressegesetz ist ei ne Zuständigkeit gegeben, die den Bereich des Justizministe riums betrifft. Aber da ist auch die Absicht des vorgelegten Gesetzentwurfs, die vorhandenen Ausnahmeregelungen so zu erhalten, wie sie sind.
Ich glaube, wir haben mit diesem Einundzwanzigsten Rund funkänderungsstaatsvertrag und auch mit den entsprechenden Gesetzentwürfen ein gutes Stück Arbeit geleistet, und deswe gen hoffe ich sehr auf Ihre Zustimmung.
Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, sehr geehrte Damen und Herren! Ab Mai wird es end lich EU-weit gleiche Standards für den Datenschutz geben. Das ist in Zeiten der Digitalisierung auch längst überfällig.
Dass wir heute endlich über eine Datenschutz-Grundverord nung reden können, dafür danke ich u. a. auch dem grünen Europaabgeordneten und zukünftigen Landesminister in Schles wig-Holstein Jan Philipp Albrecht, der sich im EU-Parlament über Jahre hinweg leidenschaftlich dafür eingesetzt hat.
Für den Bereich Medien sieht die EU-Datenschutz-Grundver ordnung vor, dass die Länder regeln, wer im Falle von jour nalistischen Datenschutzverstößen zuständig ist. Das Landes mediengesetz und das Pressegesetz mussten daher angepasst werden, und die Schwierigkeit hierbei bestand darin, das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Pressefreiheit in Ein klang zu bringen.
Deshalb wurde das sogenannte Medienprivileg beim Daten schutz erneuert, das den Medien ermöglicht, über eine Person zu berichten, ohne abfragen zu müssen, ob sie damit daten schutzrechtlich einverstanden ist. Meinungs- und Pressefrei heit auf der einen sowie Datenschutz auf der anderen Seite, beides sind für uns Grüne sehr wichtige Themen, und wir fin den: Der Spagat zwischen beiden ist hier gut gelungen.
Aber auch beim Rundfunk greift die EU-Datenschutz-Grund verordnung, weshalb sich die Länder im Dezember auf den Einundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag geeinigt haben. Diese Einigung zeigt, dass die Länder ihrer Aufgabe nachkommen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stetig wei terzuentwickeln, und dass die Rundfunkkompetenz bei ihnen heute in einer digitalen Umbruchzeit immer noch sinnvoll auf gehoben ist.
Neben den datenschutzrechtlichen Anpassungen bildet die Be trauungsnorm einen weiteren Schwerpunkt des neuen Rund funkänderungsstaatsvertrags. Durch sie wird den ÖffentlichRechtlichen ab jetzt eine engere Kooperation untereinander möglich. Herr Staatsminister Murawski hat es erwähnt. Es wird klargestellt, wie zusammengearbeitet werden kann, oh ne dabei wettbewerbsrechtliche Risiken einzugehen. Ab so fort können sie sich also gewisse Kosten teilen wie z. B. Kos ten für Studios. Ferner ist es möglich, für kleinere Ereignisse gemeinsam ein Kamerateam zu schicken, statt dass zwei oder sogar drei geschickt werden. Die Öffentlich-Rechtlichen ha ben dadurch die Chance, effizienter zu werden und ihre Mit tel zielführender einzusetzen. Dass wir die Öffentlich-Recht lichen weiterentwickeln und fit für ein digitales Zeitalter ma chen, ist gerade auch jetzt wichtig, wo diese immer wieder unter Beschuss stehen.
Ich muss schon sagen – und das gehört hier sehr wohl auch zum Thema dazu, wenn wir über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sprechen –: In letzter Zeit mäandert immer wieder das Wort „Staatsfunk“ vor allem durch die sozialen Netze, ins besondere auch aus einer Partei, die auch in diesem Haus hier vertreten ist.
Dabei ist das völliger Schwachsinn. Schließlich ist der Rund funk Aufgabe der Länder und kann somit gar nicht zentral staatlich beeinflusst sein.
Die zentralstaatliche Kontrolle, die manche den ÖffentlichRechtlichen gern andichten wollen, kennen wir nur noch aus Zeiten, denen manche der Kritiker offensichtlich noch heute hinterhertrauern.
In Wahrheit wurde in der Gründungsphase der Republik mit der Vergabe der Zuständigkeit an die Länder die Basis ge schaffen für ein Gleichgewicht, von dem wir noch heute pro fitieren, ein Gleichgewicht zwischen einer komplett staatsun abhängigen Medienlandschaft auf der einen Seite und öffent lich-rechtlichen Medien auf der anderen Seite, die Qualität und Bildungsanspruch nicht dem Profit unterordnen müssen. Nicht zuletzt deshalb steht die Bundesrepublik im World Press Freedom Index, in dem es um die Pressefreiheit geht, momen tan auf Platz 16 von insgesamt 180 Ländern.
Wenn wir über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sprechen, müssen wir uns überlegen: Worum dreht es sich eigentlich bei dieser Kritik, die hier immer wieder von ganz rechts außen geäußert wird? Geht es da wirklich um Presse- oder Mei nungsfreiheit? Oder geht es um Gebühren? Ich glaube das nicht. Es geht darum, dass die Öffentlich-Rechtlichen einen Bildungsauftrag haben. Denn gebildete, gut informierte, po litisch mündige Bürgerinnen und Bürger – das passt manchen einfach nicht in den Kram – kann man viel schlechter mani pulieren und belügen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Rüdi ger Klos AfD: Genau den Grünen passt es nicht in den Kram! – Abg. Anton Baron AfD: Sie belügen doch täglich die Leute! Stromversorgung ohne Koh le! – Weitere Zurufe – Unruhe)
man hat es gestern erlebt; deshalb sage ich es –: Bei der gest rigen Debatte über den Antisemitismus und kürzlich auch bei Ihren Parteifreunden im Bundestag bei der Debatte über De niz Yücel ist wieder einmal eines deutlich geworden: Sie set zen sich nur dann für Presse- und Meinungsfreiheit ein, wenn es Ihnen in Ihre politische Agenda passt. Aber wer meint, dass mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung auch die Pflicht anderer einhergeht, diese Meinung teilen zu müssen, der hat das Prinzip dieses Rechts nicht verstanden.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Rüdiger Klos AfD: Das sagt der Richtige! – Abg. Bernd Gögel AfD: Hört, hört! Wunderbare Aus sage! – Abg. Anton Baron AfD: Das können Sie an Ihre Kollegen im Bund richten!)
Dass Sie mit dieser Tour nicht durchkommen, zeigt sich auch an der Abstimmung vom letzten Wochenende in der Schweiz, wo 71,6 % der Stimmberechtigten dafür gestimmt haben, die Rundfunkgebühren beizubehalten, obwohl diese mehr als dop pelt so hoch sind wie bei uns in Deutschland,
weil die Meinung, dass ein unabhängiger Rundfunk essenzi ell ist für unsere Demokratie, für eine funktionierende Demo kratie,
Das gehört ebenfalls zum Thema. Wir wollen den öffentlichrechtlichen Rundfunk nicht kaputtreden, sondern wir wollen ihn fit machen für die Zukunft. Und das tun wir mit diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag.
Wir möchten uns reformieren, weil es eine andere digita le Gesellschaft gibt. Aber dann müssen wir auch effizien ter sein.
Diese Aussage stammt nicht von einem deutschen Intendan ten, sondern von Gilles Marchand. Er ist Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft, die am Sonn tag eine Volksbefragung mit einem Ergebnis von 71,6 % ge wonnen hat, bei der es um die Frage ging: Gibt es den öffent lich-rechtlichen Rundfunk in der Schweiz morgen noch, oder gibt es ihn nicht?
Man hätte aus einer Mehrheit von 71,6 % auch ableiten kön nen, dass alles in Ordnung ist und so bleiben kann, wie es ist. Aber Marchand hatte schon vorher gesagt: Das ist „ein Wen depunkt in der Geschichte der SRG“. Diesen Wendepunkt hat die Schweiz schon vor einem Jahr eingeleitet. Wenn sie dies nicht getan hätte, dann wäre das Votum am Sonntag wahr scheinlich anders ausgefallen.
Die Rundfunkgebühr sinkt in der Schweiz um ein Fünftel von 32 auf 26 € im Monat; das entspräche bei uns einer Kürzung von 17,50 € auf 14,20 €. 50 % der Gebühreneinnahmen wer den im Programm für die Information verwendet, die Wer bung wird drastisch reduziert, und die Schweiz stärkt den Te lemedienauftrag; das heißt, künftig dürfen die Sender im In ternet in etwa das tun, was unsere Sender in Deutschland tun dürfen.
Vier Sprachen und natürlich insgesamt höhere Preise; es gibt dort sieben Fernseh- und 17 Radiostationen. Das alles wup pen die Schweizer mit 1 Milliarde € im Jahr – das ist ein Ach tel der Einnahmen, die bei uns erzielt werden. Hut ab!
Von einem Wendepunkt, wie ihn Gilles Marchand verkündet, sind wir in Deutschland auch mit dem Einundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag weit entfernt. Wie wir hier bereits im November erläutert haben, geht es vorwiegend um die Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung. Ich bin Herrn Murawski sehr dankbar für seine Einführung und insbesondere auch für den Einsatz für die Betrauungsnorm; denn das ist genau die Richtung, in die alles grundsätzlich weitergehen muss.
Aber die grundsätzlichen Fragen sind weder im Einundzwan zigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag angegangen worden, noch werden sie – diese Hoffnung habe ich, ehrlich gesagt, wirklich nicht – im Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungs staatsvertrag angegangen werden.