Protokoll der Sitzung vom 21.03.2018

Die großen Automobilhersteller und die vielen kleinen und mittelständischen Automobilzulieferer im Land sind sehr wichtig für den Wohlstand unseres Bundeslands. Mit mehr als 235 000 Beschäftigten im Jahr 2016 ist die Automobilindus trie nach wie vor einer der größten Arbeitgeber im Südwes ten.

Herr Ministerpräsident, Sie haben im Mai vergangenen Jah res den Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württem berg ins Leben gerufen – eine grundsätzlich richtige Entschei dung, geht es doch darum, mit denjenigen Lösungen für die anstehenden Probleme zu suchen, die von diesem Wandel un mittelbar betroffen sind. Ich habe aber bereits im letzten Jahr darauf hingewiesen, dass dieser Strategiedialog eben nicht zu einer Alibiveranstaltung der Landesregierung missraten darf, sondern dass wirklich ergebnisoffen nach Antworten gesucht werden muss. Denn die Alternative für einen solchen Dialog wäre eine reine Theaterkulisse für ein Drehbuch, dessen In halt der grüne Verkehrsminister bereits festgelegt hat, näm lich die möglichst schnelle Verbannung des Verbrennungsmo tors von unseren Straßen, koste es, was es wolle, liebe Kolle ginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Wenn wir diesen Strategiedialog näher betrachten, dann se hen wir viele Arbeitsgruppen. Wir sehen Akteure, wir sehen Pilotprojekte – einige davon haben Sie uns heute ja zumindest in ganz groben Umrissen vorgestellt. Aber all dies stellt noch lange keine Strategie dar,

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

um den Transformationsprozess erfolgreich umzusetzen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Stattdessen, meine sehr geehrten Damen und Herren, warten die Menschen in Baden-Württemberg nicht nur auf eine Per spektive in der Frage, wie in 20 oder 30 Jahren Mobilität funk tionieren könnte. Sie warten darauf, dass ihnen die Politik und auch diese Landesregierung den Weg in das neue Mobilitäts zeitalter aufzeigen. Was machen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die heute bei Daimler oder Bosch für die Her stellung von Dieselfahrzeugen verantwortlich sind? Diese Menschen haben heute Sorge um ihren Arbeitsplatz, und es treibt sie die Frage um, wie sie in fünf oder sechs Jahren ihre Familien ernähren sollen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, wenn man dann über diese Sorgen spricht, dann ist es, meine ich, falsch, zu behaupten, dies sei ein Blick in den Rückspiegel. Die Menschen, die aus ihrem Fahrzeug, das sie Leben nennen, nach außen blicken – und zwar auch durch die Frontscheibe, nicht nur durch den Rück spiegel –, fragen sich, wie sie zu ihrem Arbeitsplatz gelangen; sie fragen sich, wie sie Mobilität organisieren. Die Arbeitneh merinnen und Arbeitnehmer fragen sich überdies, wie sie zu künftig ihr Einkommen erwirtschaften sollen. Das sind keine Fragen, die mit einem Blick in den Rückspiegel beantwortet werden, sondern diese Fragen werden mit dem Blick durch die Windschutzscheibe beantwortet.

(Beifall bei der SPD und der AfD – Vereinzelt Bei fall bei der FDP/DVP)

So kann eine erfolgreiche Transformation der Mobilität, ins besondere aber auch der Automobilindustrie, nicht ohne die jenigen erfolgen, die diese Transformation umsetzen werden. Das sind eben nicht nur die Konzernchefs und Vorstandsvor sitzenden, sondern es sind vor allem die Beschäftigten in der Automobilwirtschaft.

Dass Ihnen, Herr Ministerpräsident, die Rolle der Beschäftig ten, der Betriebsräte und Gewerkschaften bei diesem Trans formationsprozess nicht bewusst ist, haben Sie bereits zu Be ginn des Strategiedialogs bewiesen. Erst auf Druck von au ßen wurden zu dem Strategiegipfel auch die Gesamtbetriebs ratsvorsitzenden von Daimler und Bosch hinzugezogen. Hochglanzbilder mit den Vorstandsvorsitzenden sind noch lan ge kein Strategiedialog, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD – Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Jawohl!)

Es ist überhaupt keine Frage: Wir befinden uns in einem tief greifenden Transformationsprozess. Das zu benennen ist rich tig. Bei einer so gewaltigen Veränderung ist es aber sträflich, Unsicherheit bei den Verbrauchern und den Beschäftigten zu erzeugen. Ebendas passiert aber gerade. Die Grünen fordern auf ihren Parteitagen das Ende des Verbrennungsmotors bis 2030. Herr Hofreiter ist der Auffassung, dass ein solches Da tum nicht nur klima- und gesundheitspolitisch sinnvoll, son dern auch industriepolitisch enorm wichtig sei.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Der Ministerpräsident hält dies jedoch für einen „Schwach sinnstermin“ –

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

so ein Zitat vom Bundesparteitag – und glaubt weiterhin an den sauberen Diesel, während sein grüner Verkehrsminister gar nicht an sich halten kann, wenn es darum geht, in voraus eilendem Gehorsam Fahrverbote zu verhängen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Verlässlichkeit für die Zukunft, für die Menschen in diesem Land sieht anders aus.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der AfD – Abg. Jochen Haußmann FDP/ DVP: Bravo! So ist es!)

Wie muss sich diese grüne Kakophonie für Menschen anfüh len, die erst vor wenigen Jahren einen Diesel erworben haben und in gutem Glauben davon ausgegangen sind, dass sie mit ihrer Kaufentscheidung das Richtige tun?

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Kein Wort! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Diese Landesregierung ignoriert die Lebenswirklichkeit vie ler Bürgerinnen und Bürger. Die meisten Menschen haben eben nicht so viel Geld auf der hohen Kante, um sich ein neu es Auto kaufen zu können. Dies ist ein Fakt, auch wenn er nicht zur Lebenswirklichkeit der Grünen passt, meine sehr ge ehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, Abgeordneten der FDP/DVP so wie der Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD und Dr. Hein rich Fiechtner [fraktionslos])

Deswegen gehört zu der Frage, wie Mobilität organisiert wird, auch die Frage, wie die Menschen in einer Woche, in einem Monat und in einem Jahr ihre Mobilität gewährleisten kön nen. Wir, die SPD-Fraktion, sind der Auffassung, dass z. B. die Nachrüstungsfrage gerade auch durch Hardwarenachrüs tungen angegangen werden kann.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Was macht da die Bundesregierung?)

Da reicht es eben nicht, immer nur die schützende Hand über die Automobilindustrie zu halten.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Dann macht doch mal was im Bund!)

Die Automobilindustrie trägt einen Gutteil der Verantwortung für die Missstände, die wir heute in unseren Städten feststel len. Deswegen brauchen wir gemeinsam mit der Automobil industrie Nachrüstungslösungen, die den Menschen in den Städten gesunde Lebensverhältnisse garantieren, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Macht doch mal etwas im Bund! – Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Stoch – – Nein, er lässt keine Zwischenfragen zu.

In Anbetracht der Gewinnmeldun gen der großen Autohersteller und der Steigerung auch der Vorstandsbezüge glaube ich, dass dies geschultert werden kann.

Die Landesregierung gefährdet durch ihr Handeln letztlich das Vertrauen der Käuferinnen und Käufer in das Produkt. Wir merken das auch daran, dass die Verkaufszahlen von Diesel fahrzeugen auch neuerer Bauart inzwischen einbrechen.

Um die Transformation der Automobiltechnologie hin zum Elektroauto und hin zu alternativen Antrieben zu gewährleis ten, ist die Industrie aber auf den weiteren Absatz von Diesel fahrzeugen schlicht und einfach angewiesen. Nur so können auch die notwendigen Investitionen in die Elektromobilität und andere Antriebskonzepte überhaupt finanziert werden.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von den Grünen)

Darüber hinaus – auch da geht es um das Thema Wertschöp fung – sollte diese Landesregierung dem Umstand etwas mehr Beachtung schenken, dass die Umsätze unserer baden-würt tembergischen Automobilindustrie vor allem im Auslandsge schäft erzielt werden. Dies ist deshalb nicht zu unterschätzen, da – wie die Landesregierung uns in der Stellungnahme zu unserem Antrag mitgeteilt hat – im Jahr 2030 weltweit noch etwa 80 % der Fahrzeuge einen Verbrennungsmotor nutzen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, reine Schwarz-WeißMalerei nach der Devise „Verbrennungsmotor: schlechte Mo bilität – alternative Antriebe, Elektromobilität: gute Mobili tät“ wird nicht funktionieren ohne einen riesigen Schaden für Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD)

Fragen zur Mobilität betreffen natürlich auch Fragen zur Nut zung verschiedener Verkehrsträger. Was aber tut dieses Land, was tut diese Landesregierung, wenn es z. B. darum geht, den öffentlichen Personennahverkehr zu fördern?

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Jetzt kommt ein Märchen!)

Wir fordern seit Jahren, Kapazitäten im öffentlichen Perso nennahverkehr auszubauen. Aber trotz eines grünen Minister präsidenten, eines grünen Verkehrsministers, eines grünen Oberbürgermeisters und eines grünen Regierungspräsidenten können wir nicht erkennen, wo es etwa in der Region Stutt gart eine größere Verlagerung vom Individualverkehr auf den öffentlichen Personennahverkehr gegeben hätte.

(Zurufe der Abg. Beate Böhlen GRÜNE und des Mi nisters Winfried Hermann – Unruhe bei den Grünen)

Dies ist ein Schlag ins Gesicht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir brauchen für die Menschen in diesem Land Anreize für den Umstieg, wir brauchen interessante Angebo te im öffentlichen Personennahverkehr. Bei der Landesregie rung: Fehlanzeige.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Rainer Podes wa AfD – Unruhe bei den Grünen)

Ein zentrales Stichwort bei der Transformation ist die Tech nologieoffenheit. Der Blick der Landesregierung – auch das haben wir heute in dieser Regierungsinformation gehört – richtet sich stark verengt nur auf eine Zukunftsvision, die ir

gendwann in 30 Jahren möglicherweise eintreten wird: RideSharing oder flächendeckend vorhandene Elektroladesäulen. Dies mag richtig sein, bietet aber – ebenso wie die von den Grünen herbeigesehnten Fahrverbote – keine Lösung für die Fragen der Gegenwart und die jetzt betroffenen Menschen.

Herr Ministerpräsident, die Lösung liegt nicht in einem Ent weder-oder, nicht in einem Ausspielen der verschiedenen Mo bilitätskonzepte gegeneinander, sondern in einem „Und“. Wir dürfen nicht so tun, als sei die eine Mobilität gut und die an dere schlecht. Wir brauchen einen Mix von Mobilitätskonzep ten, eine Vernetzung der Verkehrsträger und Technologieof fenheit bei den Antriebskonzepten, meine sehr geehrten Da men und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Denn eines sollte doch klar sein: Viele Menschen besitzen heute ein Fahrzeug mit Benzin- oder Dieselantrieb. Diese Menschen können nicht von heute auf morgen und wahr scheinlich auch nicht alle innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre auf Elektrofahrzeuge umsteigen, selbst wenn sie alle ge nug Geld dafür hätten.

Die derzeit markttauglichen E-Autos mit Lithium-Ionen-Bat terie sind für Kurzstrecken oder im Stadtverkehr gut geeignet. Für Langstrecken jedoch sind sie nicht oder kaum geeignet. Derzeit ist die Lithium-Ionen-Batterie der einzige marktreife und markteingeführte Energiespeicher für E-Mobilität. Dem entsprechend werden weltweit große Fabriken mit entspre chenden Herstellungskapazitäten gebaut. Lithium-Ionen-Bat terien sind jedoch sehr teuer und zugleich auch ökologisch höchst problematisch. Denn die Frage nach der Herkunft der Rohstoffe, nach der Verfügbarkeit der Rohstoffe für eine sol che Elektromobilität blenden viele von Ihnen, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, komplett aus.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Falsch!)