Protokoll der Sitzung vom 11.04.2018

Zu den Auswirkungen: Natürlich ist das für Polizei und Justiz ein gewisser Mehraufwand. Die Polizei begrüßt diese Verän derung, weil sie in der Vergangenheit auch ermittelt hat, oh ne dass die Staatsanwaltschaft die Vorgänge weiterbetrieben hätte. Die Staatsanwaltschaft hat die Verfahren dann einge stellt.

Zu den Veränderungen und Auswirkungen will ich die Zah len aus dem Jahr 2016 nennen: Damals gab es im Anwen dungsbereich des Kleinkriminalitätserlasses rund 25 000 Per sonen, gegen die ein Verfahren wegen Diebstahls geführt wur de. In nur 23 % der Fälle erfolgte eine Anklageerhebung bzw. wurde ein Strafbefehlsantrag gestellt. Bei einem starken Drit tel erfolgte eine Einstellung vor dem Hintergrund des Erlasses. Das wollen wir ändern. Wir wollen, dass dieser hohe Anteil an Einstellungen der Verfahren zurückgeführt wird.

Zuletzt kam noch die Frage, ob es schon immer einen solchen Erlass gegeben habe. Es gab ihn seit dem Jahr 1977. Die Wert grenzen sind in den Jahren immer wieder einmal verändert worden. Zuletzt, im Oktober 2012, wurde der Wert auf 5 € ab gesenkt. Es gibt im Übrigen viele Länder – darunter Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und andere –, die auf diese Wertgrenzen ganz verzichten.

Deshalb haben auch wir diesen Weg gewählt. Wir legen es in die Hand des zuständigen Staatsanwalts, der zuständigen Staats anwältin, im Einzelfall über die Aufnahme von Ermittlungen und über eine Anklage zu befinden.

Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Filius.

Herr Minister, meine Frage geht dahin: Im Doppelhaushalt haben wir jetzt ja erhebliche Stel lenaufwüchse für die Staatsanwaltschaft und für die Gerichte vorgenommen. Aus Justizkreisen höre ich immer wieder, dass man es bei Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche oder organi sierter Kriminalität teilweise mit sehr aufwendigen Verfahren zu tun hat. Wird dieser Aufwuchs, der in der Justiz vorgenom men worden ist, jetzt nicht wieder aufgefressen, wenn letzt endlich Kleinstkriminalität verfolgt wird?

Die Fra ge ist natürlich völlig berechtigt. Damit entsteht zunächst ein mal Mehraufwand, wobei man bei der Staatsanwaltschaft schon relativieren muss: Die Staatsanwaltschaft hat ja jeden Vorgang auf dem Tisch. Die Frage ist, ob sie das Verfahren einstellt oder es weiterführt. In der Summe wird aber etwas Mehraufwand entstehen. Bei der Staatsanwaltschaft auf der einen Seite und den Gerichten auf der anderen Seite wird die ser Mehraufwand auf etwa drei Planstellen im höheren Dienst geschätzt.

Wenn man dies dem personellen Zugewinn gegenüberstellt, den wir mit den letzten Haushalten geschaffen haben – in die

ser Legislaturperiode insgesamt 75 Neustellen für Staatsan wältinnen und Staatsanwälte und 66 Neustellen für Richte rinnen und Richter –, dann ist es in diesem zeitlichen Zusam menhang, wie ich finde, angemessen, wenn wir auch im Be reich der Kleinkriminalität ein Zeichen setzen.

Es ist völlig klar, dass das nicht zulasten der Strafverfolgung bei Verfahren im Bereich der Wirtschaftskriminalität oder bei Großverfahren gehen darf. Diese Verfahren muss man in glei cher Weise mit Nachdruck betreiben.

Aber wir wollen hier nicht Schwerstkriminalität gegen Klein kriminalität ausspielen. In einem funktionierenden Rechts staat muss alles gleichermaßen verfolgt und bestraft werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Da niel Rottmann AfD)

Vielen Dank. – Herr Abg. Bin der, Sie haben das Wort.

Herr Minister, Sie haben zuvor auf die Frage des Herrn Kollegen von Eyb geantwortet, dass auch bei Leuten, die zum ersten Mal klauen, Diebstahl begehen, die Ermittlungen nicht eingestellt werden, auch wenn der Wert unterhalb von 25 € liegt. Was glauben Sie denn, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Ersttäter bei einem Schaden unter 25 € dann am Ende vor Gericht eine Strafe erhält, und wie hoch wäre diese etwa? Sie waren ja selbst einmal Rich ter, wenn auch Verwaltungsrichter. Wie könnte diese Strafe bei einem Ersttäter und einem Wert unter 25 € ausfallen?

Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist – das war Ihre erste Frage –, dass es hier zu einer Verurteilung kommt und die betroffene Per son die Strafe auch bezahlen kann, dazu gibt es nur statistische Angaben. Das Ziel ist, dass wir die bisherige Quote der Ein stellungen – deutlich über ein Drittel in diesem Bereich – re duzieren und tatsächlich auch – das lässt sich ja, wie ich hoffe, in den Folgejahren anhand von Zahlen belegen – in mehr Fäl len zu Verurteilungen kommen.

Die zweite Frage ist die sicherlich etwas diffizilere: Wie hoch könnte bei einem Wert von unter 25 € die Bestrafung im Ein zelfall sein? Sie wissen, das hängt zum einen von der Anzahl der Tagessätze und zum anderen von der Höhe der Tagessät ze ab. Zwischen beiden besteht natürlich auch ein gewisser Zusammenhang; es spielt auch eine Rolle, wie viel jemand verdient.

(Abg. Sascha Binder SPD: Bei einem Ersttäter!)

Es mag Fälle geben, in denen jemand, der gut verdient, trotz dem etwas im Wert von 5 € klaut. Die Mindestanzahl bei einem Ersttäter sind fünf Tagessätze. Ich gehe einmal davon aus, dass sich das bei solchen Taten in einem Bereich von fünf bis 15 Tagessätzen abspielen wird, wobei natürlich immer auch die Höhe eines Tagessatzes eine Rolle spielt.

Vielen Dank. – Herr Abg. Dr. Lasotta, Sie haben das Wort für die nächste Frage.

Herr Minister, wie ist denn die Reaktion der Einzelhandelsverbände?

Verbunden damit frage ich: Sind in der Vergangenheit Ersttä ter gar nicht mehr zur Anzeige gekommen, weil Geschäftsin haber gesagt haben: „Das führt eh nicht zu Konsequenzen“?

Bezogen auf die Häuser des Jugendrechts: Wie wirkt es sich, wenn jugendliche Ersttäter vorgeführt werden – Jugendstaats anwalt, Polizei –, auf die Motivation der Beteiligten insge samt und das Verfahren aus, wenn gesagt wird: „Dieses Han deln hat sofort eine Konsequenz und wird dann auch zu einem entsprechenden Ergebnis geführt und nicht eingestellt, es bleibt nicht nur bei einer Verwarnung“?

Zur er sten Frage: Die Reaktion der Einzelhandelsverbände war, wie nicht anders zu erwarten war, positiv, wobei ich darauf hin weisen möchte: Die Einschätzung der Einzelhandelsverbän de war für mich ein wichtiger Aspekt, dieses zu tun, aber auch nicht der einzige. Es war eine Summe von Argumenten, die uns zu diesem Schritt bewogen hat. Aber natürlich weisen die Einzelhandelsverbände immer wieder – wie ich finde, mit Recht – darauf hin, welcher volkswirtschaftliche Schaden ih nen alljährlich auch durch Diebstahl von geringwertigen Sa chen in der Summe entsteht. Da sind Millionenbeträge im Ge spräch.

Viel fataler ist dann oft die Wirkung, wenn man versucht, ei nen solchen Täter zur Strafe zu führen, und dann erfährt: Um diese Dinge kümmern wir uns nicht, weil es da entsprechende Erlasse gibt.

Insofern ist diese Resonanz aus dem Einzelhandelsverband sehr, sehr positiv. Die haben auch immer wieder darauf hin gewiesen, dass sie den Eindruck hätten, dass viele Vorgänge gar nicht erst in der Statistik erscheinen, weil sie – auch infol ge eines solchen Erlasses – von Anfang an überhaupt nicht ge prüft werden und gar nicht dagegen ermittelt wird.

Zur zweiten Frage: In der Folge dieses Vorschlags – man ist ja, wenn man als Politiker etwas vorschlägt, darauf gefasst, dass einige das gut und andere das schlecht finden – ist nun etwas Erstaunliches passiert: Wir haben überwiegend eine po sitive Resonanz bekommen, übrigens auch aus der Polizei. Ich sage es einmal so: Nicht jeder Staatsanwalt war begeistert – das ist auch kritisch diskutiert worden; das will ich überhaupt nicht verhehlen, und man will auch nicht den Eindruck erwe cken, als ob die Staatsanwaltschaft bei Kleinkriminalität heu te überhaupt nichts unternehmen würde; das findet natürlich auch heute statt –, aber die überwiegende Resonanz war trotz dem sehr, sehr positiv.

Es ist so, dass in diesem Bereich Jungtäter eine große Ziel gruppe ausmachen, und wir wissen, dass es vor allem bei Jung- und Ersttätern wichtig ist, der Tat sofort die Strafe fol gen zu lassen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ja! Genau!)

Wenn ein Ersttäter das Gefühl hat: „Das kannst du erst einmal probieren; da passiert nichts“, dann hat das für die weitere kri minelle Entwicklung dieses Menschen fatale Folgen. Deswe gen wollen wir gerade auch mit den Häusern des Jugendrechts hier exemplarisch vorgehen, damit vor allem junge Leute mer ken: Auch einmal klauen geht nicht in diesem Land.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der AfD)

Vielen Dank. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist dieses Thema für heute erledigt. – Danke schön, Herr Minister.

Wir kommen zum nächsten Thema, gemeldet von der Frakti on der FDP/DVP:

U m s e t z u n g d e r Ä n d e r u n g d e s L a n d e s b e s o l d u n g s g e s e t z e s v o m J u l i

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Ich erteile Herrn Abg. Dr. Aden das Wort.

Vielen Dank, Frau Prä sidentin. – Sachverhalt: Am 12. Juli 2017 verabschiedete der Landtag von Baden-Württemberg eine Novelle des Landes besoldungsgesetzes, u. a. mit dem Inhalt, für Beamtinnen und Beamte des Landes eine Dienstfahrradregelung im Zuge ei ner Entgeltumwandlung erlassen zu können. Dafür bedarf es aber einer Verordnung.

Das Landesamt für Besoldung und Versorgung hat in seinen Informationen für Bedienstete vom November 2017 noch um Geduld für die Ausarbeitung der Regelungen und der Ange bote gebeten. Mittlerweile ist aber ein weiteres halbes Jahr verstrichen. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt drohender Fahrverbote in Stuttgart verwundert es schon, dass diese Mög lichkeit des Umstiegs für Landesbeamte nicht umgesetzt wird.

Wir fragen die Landesregierung: In welchem Stadium der Er arbeitung befinden sich die notwendigen Ausführungsrege lungen, und zu welchem Zeitpunkt kann mit einem Angebot an die Beschäftigten des Landes gerechnet werden?

Vielen Dank. – Für die Lan desregierung erteile ich das Wort Frau Staatssekretärin Dr. Splett.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abg. Dr. Aden, ich war jetzt ganz gespannt, wonach Sie fra gen würden. Am 12. Juli 2017 hat der Landtag einstimmig das Gesetz zur Änderung des Landesbesoldungsgesetzes BadenWürttemberg und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften be schlossen. Dieses Gesetz hat viele verschiedene Inhalte, bei spielsweise die Aufhebung der Stellenobergrenzenverordnung im kommunalen Bereich, die Aufhebung der Vergütungsver ordnung für Vollziehungsbeamtinnen und -beamte und die Übernahme der Regelungen in das Landesbesoldungsgesetz, dabei Umstellung der Vollstreckungsvergütung für Vollzie hungsbeamtinnen und -beamte der Finanzverwaltung auf ei nen festen monatlichen Vergütungsbetrag, die Schaffung der Möglichkeit, Leiterinnen und Leiter der Ämter des Landes betriebs Vermögen und Bau in Besoldungsgruppe A 16 mit ei ner Amtszulage auszustatten, die Ausbringung eines Amtes in der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage für die Funktion der Leitung eines Gesundheitsamts mit medizinischer Gut achterstelle usw. usf.

Insgesamt beinhaltet das Änderungsgesetz also zahlreiche Verbesserungen für den kommunalen Bereich und für Be schäftigte des Landes. Das Gesetz hat damit einen wichtigen Beitrag zur Attraktivität des öffentlichen Dienstes geliefert. Klar ist gleichzeitig, dass das Dienstrecht auch in Zukunft weiterentwickelt werden wird.

Sie haben jetzt nach einem Punkt aus diesem Gesetz gefragt, nämlich nach der Regelung für die Dienstfahrräder. Wir ha ben in der Tat die besoldungsrechtlichen Voraussetzungen ge schaffen, damit vom Dienstherrn geleaste Dienstfahrräder im Rahmen einer Entgeltumwandlung auch zur privaten Nutzung überlassen werden können. Wir konnten das nur für die Be amtinnen und Beamten und die Richterinnen und Richter tun. Für den Tarifbereich bräuchte es entsprechende Beschlüsse der Tarifpartner, die nicht vorliegen.

Die Umsetzung liegt nicht federführend im Finanzressort, son dern im Geschäftsbereich des Verkehrsministeriums. Das Land ist bestrebt, ein wirtschaftlich attraktives und praxistaugliches Radleasingmodell zu verwirklichen. Es hat sich dabei gezeigt – auch nach der Gesetzesänderung –, dass das Ganze durch aus komplex ist. So waren u. a. steuerrechtliche und versiche rungsrechtliche Fragen zu klären, beispielsweise was den geldwerten Vorteil beim Erwerb des Dienstrads am Ende der Vertragslaufzeit angeht. Das hat insgesamt die Branche im letzten Jahr beschäftigt.

Die Klärung dieser steuerrechtlichen Fragen ist mittlerweile erfolgt, und derzeit beschäftigt sich das federführende Ver kehrsministerium mit Fragen zur Vorbereitung einer Aus schreibung entsprechender Dienstleistungen. Es ist also nicht eine Verordnung notwendig, sondern wir brauchen einen An bieter. Dazu ist eine Ausschreibung notwendig, und es laufen die Vorbereitungen für die Ausschreibung. Nach meinem Kennt nisstand ist mit Ergebnissen dieser vorbereitenden Arbeiten Mitte des Jahres zu rechnen.

Das Ziel ist insgesamt, dass das Modell, das den Nutzerinnen und Nutzern angeboten werden kann, auch attraktiv ist. Wie attraktiv es am Ende sein wird, wird man erst nach der Aus schreibung sehen, wenn die Angebote des Marktes auf dem Tisch liegen.

Sie haben richtigerweise angesprochen, dass das Dienstrad leasing ein Thema ist, das im Rahmen der Anstrengungen für nachhaltige Mobilität, Luftreinhaltung usw. insgesamt steht. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass dieses Thema nur e i n Baustein unserer Aktivitäten für eine nachhaltige Mo bilität der Landesbeschäftigten ist. So gibt es seit Juni letzten Jahres Unterstützung durch das Verkehrsministerium für Dienst stellen des Landes, fahrradfreundliche Infrastruktur aufzubau en – z. B. Fahrradabstellanlagen, Umkleide- und Duschräu me für Rad fahrende Kolleginnen und Kollegen.

Seit dem 10. November letzten Jahres wird den Dienststellen empfohlen, ihren Bediensteten Ladestrom für E-Bikes kosten frei abzugeben. Entsprechende Klarstellungen auf Fragen, die es dazu gab, wurden vorgenommen, und den Kommunen wur de Selbiges zur Nachahmung empfohlen.

Es gibt eine weitere Frage. – Herr Abg. Dr. Aden, bitte.

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Aus der Wirtschaft haben wir erfahren, dass dort die Kosten für die Entgeltumwandlung – u. a. durch Zu satzkosten für Versicherungen usw. – deutlich über 1 % der Kaufsumme des Rades hinausgehen. Hat die Landesregierung hierfür schon einen Überblick über den tatsächlichen Kosten rahmen?

Den haben wir noch nicht. Ich sagte ja: Es laufen die vorbereitenden Arbeiten für eine Ausschreibung, und zwar nicht in unserem Ressort, son dern im Verkehrsressort. Nur um zu verdeutlichen, wie kom pliziert das alles ist, zeige ich Ihnen dieses eine Diagramm.