Protokoll der Sitzung vom 11.04.2018

(Zuruf von der AfD: Aber nicht von Sinnfreiheit!)

Diese Freiheit spiegelt sich in einer bestimmten Art der Fi nanzierung von Wissenschaft, nämlich indem wir unseren Hochschulen mehrjährige Globalbudgets geben. Innerhalb dieser Globalbudgets besteht weitgehende Freiheit, wie die Mittel eingesetzt werden. Bei der Finanzierung von Lehrstüh len oder von Räumen, Laboren oder von weiteren Personal kosten gibt es deshalb in diesem Bereich eben keine Abtren nung und Abrechnung, Teilfinanzierung von einzelnen Lehr veranstaltungen, Vorlesungen oder gar Forschungsprojekten, sondern innerhalb des Globalbudgets wird der allergrößte Teil abgebildet. Deswegen ist die Antwort, die ich Ihnen gegeben habe, schlicht und einfach korrekt.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Aber Sie wissen nicht, was in den Hochschulen vorgeht!)

Es gibt keine saubere, klare Abgrenzung von einzelnen For schungsvorhaben, die im Rahmen dieser Professuren durch geführt werden, oder einzelner Veranstaltungen. Häufig ist bei dem Querschnittsthema Genderforschung natürlich das Gen derthema auch ein Teilaspekt einer größeren Forschungsar beit, sodass wir Ihnen keine sinnvolle und klar abgrenzbare Darstellung der Kosten geben können. Das habe ich Ihnen ausgeführt. Ich glaube, die Schwierigkeit, das zu verstehen, besteht darin, dass Sie mit der Freiheit von Forschung und Lehre und ihrer Finanzierung nicht wirklich etwas anfangen können.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Nicole Razavi CDU)

Jetzt zu dem Antrag und der dazugehörigen Kleinen Anfrage: Es hat uns ja jetzt nicht wirklich überrascht, dass die AfD ei nen solchen Antrag zur Debatte stellt. Das überrascht nicht im Geringsten; denn die AfD nutzt ja jede Gelegenheit, wenn es um Hochschulpolitik geht, gegen Genderforschung zu agitie ren. Das machen Sie immer. Sobald die Themen Hochschule und Wissenschaft im Landtag zur Sprache kommen, legen Sie los mit Gender, Gender, Gender, hoch und runter.

(Zuruf von der AfD: Gender ist keine Wissenschaft!)

Nichts scheint Sie mehr zu erregen als die Genderforschung.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen – Zurufe von der AfD, u. a.: Die Vorgänge in Ludwigsburg regen uns auch auf! – Glocke des Präsidenten)

Nein, ganz im Ernst: Was regt Sie eigentlich so auf?

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Die Geldverschwendung!)

Das muss man sich ja wirklich fragen. Regt es Sie etwa auf, dass an den Hochschulen in Deutschland bundesweit ganze 192 Professuren eingerichtet sind, die sich zumindest teilwei se mit Geschlechterfragen beschäftigen? Warum lösen diese 0,41 % aller Professuren in Deutschland bei Ihnen solch ei nen Beißreflex aus?

(Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Weil es 0,41 % zu viel sind! – Gegenruf des Abg. Anton Baron AfD: Da hat er recht! – Glocke des Präsidenten)

Was regt Sie eigentlich so auf daran, dass z. B. Frauen bei einem Herzinfarkt andere Symptome zeigen als Männer und dass jahrzehntelang der Herzinfarkt als reine Männerkrank heit erfasst wurde, die Symptome bei Frauen nicht verstanden wurden und sie deswegen häufiger – –

(Zuruf von der AfD: Das hat doch mit Gender nichts zu tun! – Lebhafte Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Jetzt kommen Sie bitte wieder zur Ruhe. Die Frau Ministerin hat das Wort. Die AfD als antragstellende Fraktion hat noch fünf Minuten Redezeit. Da haben Sie Gelegenheit, all Ihre Argumente vorzubringen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Die Scheinargumente!)

Frau Ministerin, fahren Sie bitte fort.

Danke.

In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin – das habe ich heute früh auch schon ge tan –, dass das Fotografieren und Filmen hier im Plenarsaal untersagt ist. Ich lasse gegebenenfalls auch Handys konfiszie ren, wenn hier Filme gedreht werden und unter Umständen aus dem Saal ins Netz gestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ma chen Sie das! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sehr gut, Herr Präsident! – Zuruf des Abg. Karl Zim mermann CDU – Heiterkeit)

Frau Ministerin, bitte.

Also, was regt Sie daran so auf, dass der Herz infarkt eine genderspezifische Untersuchung verlangt, um To desraten und tödlich verlaufende Herzinfarkte insbesondere bei Frauen zu reduzieren? Was ist denn daran so ärgerlich,

(Abg. Emil Sänze AfD: Lenken Sie doch nicht ab!)

wenn jemand zu diesen Fragen forscht? Was ist denn das Pro blem, wenn die Technische Universität München – um ein weiteres Beispiel zu nehmen – einen Lehrstuhl für Gender studies in den Ingenieurwissenschaften eingerichtet hat und dabei z. B. an der Frage der Organisationsentwicklung unter Gesichtspunkten der personellen Diversität arbeitet? Insbe sondere viele Maschinenbauunternehmen erzählen uns ja –

und beklagen sich darüber –, dass sie gern mehr Frauen in ih rem Betrieb hätten. Die könnten doch auf solche Forschun gen zurückgreifen. Was regt Sie daran so auf, dass dazu ge forscht und gelehrt wird?

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Was stört Sie eigentlich daran, dass Forscherinnen und For scher darüber nachdenken und sich fragen, wie sich die Hirn funktionen von Männern verändern, wenn sie sich intensiv um ihre Kinder kümmern, oder wenn Forscher untersuchen, wie sich der Hormonhaushalt ändert, je nachdem, welche Ver haltensmuster man einstudiert? Was ist denn für Sie das Pro blem?

(Abg. Stefan Räpple AfD: Wir wollen wissen, wie viel es kostet!)

Was ist das Problem, wenn unterschiedliche Hormonpegel lan ge Zeit rein in Bezug auf das biologische Geschlecht disku tiert wurden

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

und wenn wir jetzt seit Neuestem wissen, dass auch das sozi ale Verhalten Einfluss nimmt? Das sind Fragen, die früher völ lig ausgeblendet wurden; heute wissen wir mehr darüber. Was ist Ihr Problem? Was stört Sie daran, dass wir darüber Be scheid wissen sollen? Was ist für die AfD so schlimm daran? Sobald wir über die Themen Hochschule und Wissenschaft reden, müssen Sie regelmäßig und geradezu reflexartig darü ber herfallen und fordern, die Förderung der Genderforschung einzustellen – und für Gleichstellung dann auch gleich mit.

Wo liegt denn das Problem, wenn die DFG, die größte For schungsförderorganisation in Deutschland, vor Kurzem für die nächsten fünf Jahre ein großes Forschungsprojekt zum Thema „Recht, Geschlecht und Kollektivität“ bewilligt hat? Das Vorhaben hat sich in einem wettbewerblichen und gut achterlichen Verfahren durchgesetzt.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Da zweifle ich an dem Gut achter!)

Die Konkurrenz in diesem Bereich ist groß. Anträge mit Gen derbezug sind da nicht mehr oder weniger erfolgreich, in der Bewertung nicht weniger gut oder schlecht als andere Be reiche auch. Etwa 30 % kommen durch, die anderen bewäh ren sich in der Auswahl eben nicht.

Wo ist das Problem, dass die DFG eine solche Art von Pro jekten finanziert – mit Steuergeldern, wohlgemerkt?

(Zurufe von der AfD: Oje!)

Was für eine Schwierigkeit haben Sie eigentlich damit, dass wir an der Universität Tübingen ein Zentrum für Gender- und Diversitätsforschung haben? Übrigens arbeitet an diesem Zen trum die ehemalige Staatsrätin Professorin Ammicht Quinn; sie war einmal Staatsrätin in der Landesregierung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Es ist eine Einrichtung, die als Querschnittsaufgabe alle For schungs- und Lehrprojekte mit Bezug zu Gender- und Diver sitätsfragen zusammenführt und dafür sorgt, dass interdiszi

plinär das Wissen zusammenkommen und weiterentwickelt werden kann.

(Abg. Anton Baron AfD: Forschen Sie lieber bei Bat terietechnik!)

Was ist das Problem? Was bringt Sie daran so auf die Palme, dass Sie immer, wenn das Wort „Gender“ fällt, so aus der Fas sung geraten?

(Abg. Anton Baron AfD: Weil das die Leute nicht brauchen!)

Kann es sein, dass es manche Dinge gibt, die einfach nicht so sind, wie Sie es gern hätten?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Rüdiger Klos AfD: Jede Menge!)

Regt es Sie schlicht und einfach auf, dass manchmal die Gren zen nicht so klar sind, wie Sie es gern hätten,

(Abg. Bernd Gögel AfD: Das ist doch Ihr Geschäfts modell!)

sodass Sie die Forschung über diese Fragen schlicht und ein fach verbieten wollen? Mit anderen Worten: Kann es sein, dass das Thema „Freiheit der Wissenschaft“ gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes für Sie ein Problem ist?

(Abg. Emil Sänze AfD: Nein, für Sie!)