Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

Berichterstatter: Abg. Daniel Born

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich das Wort für die Fraktion GRÜNE Herrn Abg. Walter.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir freuen uns, dass jetzt der Weg für gymnasiale Oberstufen an den Gemeinschaftsschu len frei gemacht wird. Über die wesentlichen Punkte haben wir bereits hier im Plenum und im Ausschuss diskutiert. Las sen Sie mich trotzdem die wichtigsten Punkte zusammenfas sen.

Es ist gut, dass wir den rechtlichen Rahmen schaffen, dass bei spielsweise die fachliche Beratung auf die Regierungspräsi dien übergeht, dass Schulverbünde ermöglicht werden, und es ist schön – das möchte ich nochmals betonen, Herr Kollege Haser –, dass sich nun mehr und mehr Kommunen auf den Weg machen, gymnasiale Oberstufen einzuführen. Die Ge meinschaftsschulen können sich darauf verlassen, dass wir sie mit Rat und Tat unterstützen und ihnen alles andere als Prü gel in den Weg werfen werden.

(Beifall bei den Grünen)

So erfreulich es ist, dass sich viele Schulen nun auf diesen Weg machen, so unerfreulich ist es, dass doch immer noch ein Teil nicht bereit ist, sich mit dieser modernen Schulform zu arrangieren. Teilweise wird hier wie von pawlowschen Hun den nur auf die Erwähnung von Gemeinschaftsschulen re agiert. Dabei bescheinigt auch die Wissenschaft den Gemein schaftsschulen, dass sie für eine moderne demokratische Ge sellschaft, die nicht ausgrenzen, sondern fördern will, uner lässlich sind.

Ich habe bereits bei der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass wir leider das Phänomen beobachten müssen, dass sich unsere Gesellschaft immer mehr spaltet, dass sie immer mehr auseinanderdriftet. Gerade da bietet die Gemeinschaftsschu le einen Ort, an dem die Kinder lernen, gemeinsam mit Kin dern, die einen anderen sozialen, religiösen oder sonstigen Hintergrund aufweisen, zu lernen und zu arbeiten. Das ver hindert, dass es immer mehr zu einem Abdriften in Parallel gesellschaften kommt.

Darüber hinaus bieten die Gemeinschaftsschulen ein moder nes didaktisches und pädagogisches Konzept. Frau Professo rin Höhmann von der PH Ludwigsburg hat dies in einem neu lich erschienenen Aufsatz wie folgt beschrieben – ich zitie re –:

Die Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg wur den mit dem Anspruch gegründet, ein Ort zu sein, der es Kindern ermöglicht, ihre Begabungen bestmöglich zu ent falten, und zu verhindern, dass sie durch die normative Festlegung von schulformbezogenen Niveaus in Situati onen kontinuierlicher Unter- und Überforderung geraten. Jede Vergleichsstudie spiegelt dem dreigliedrigen System, dass die Sortierung von Kindern und Jugendlichen nach Leistungsniveaus nicht gut gelingt.

Herr Kollege Haser!

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Walter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Kern zu?

Ach nein, das mache ich jetzt nicht.

Es gibt eine große Gruppe von Hauptschülerinnen und Hauptschülern, die auf gymnasialem Niveau liest. Es gibt sehr viele Realschülerinnen und Realschüler, die Mathe matikinhalte am Gymnasium problemlos bewältigen könn ten... Leistungsvergleichsuntersuchungen zeigen, dass die Aufteilung von Schülerinnen und Schülern nach Jahr gang 4 auf ein mehrgliedriges Sekundarstufensystem nicht gut funktioniert.

So weit Frau Professorin Höhmann von der PH Ludwigsburg. Ich glaube, es würde vielen in diesem Hohen Haus nicht scha den, mehr auf die Wissenschaft zu hören.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Dieses Zitat, meine Damen und Herren, macht auch deutlich: Die Gemeinschaftsschulen sind die Schulen der Vielfalt und nicht, wie oft fälschlicherweise behauptet wird, die Einheits schulen. Auch die Erfolge, die Gemeinschaftsschulen im Land in den letzten Jahren erzielen konnten, sind beachtlich. Die Waldparkschule Heidelberg z. B. hat einen Preis für heraus ragende Schulkonzepte bekommen. Bewertet wurden, Herr Kollege Haser, die Bereiche Leistung, Verantwortung, Unter richtsqualität, „Umgang mit Vielfalt“ und „Schule als lernen de Institution“.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das sind lauter weiche Kriterien!)

Auch die erste, von der Bitkom ausgezeichnete „Smart School“ ist eine Gemeinschaftsschule, nämlich die Ernst-Reuter-Schu le in Karlsruhe. Die Mali-Gemeinschaftsschule in Biberach hat bereits 2012 den Deutschen Lehrerpreis erhalten.

Landessieger im Wettbewerb „Starke Schule“ wurde die Ge meinschaftsschule in Salem. Platz 2 fiel an die Gemeinschafts schule in Murrhardt, Platz 3 an die Gemeinschaftsschule in Karlsruhe. Diese drei Schulen haben sich in einem Bewerber feld von 52 Schulen durchgesetzt. Das sagt doch alles über die Qualität dieser noch sehr jungen Schulart aus.

Meine Damen und Herren, auch wenn man sich die Kriterien für diese Preise ansieht, macht das deutlich: In diesen Schu len werden die Schülerinnen und Schüler für die Zukunft, für das 21. Jahrhundert und damit auch für unser Land fit ge macht.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Kollege Haser, Sie haben im Rahmen der Ersten Bera tung gesagt, es gebe Unterschiede zwischen den Koalitions partnern. Das ist gut, und im besten Fall kann man sich ja auch gegenseitig befruchten. Ich würde mir wünschen, dass man im Bildungsausschuss mit der Gemeinschaftsschule einen ähnlichen Umgang findet, wie ihn Kollege Nemeth im Um weltausschuss mit dem Nationalpark vorgelebt hat. Er ist in der Regierung angekommen, er unterstützt dieses Vorhaben, obwohl er es vorher auch nicht so sonderlich oft gelobt hat.

(Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Das ist ein professioneller Umgang, wenn man an die Regie rung kommt. Es wäre schön, wenn wir uns darauf auch im Bil dungsausschuss einigen könnten.

Auch der Ministerpräsident vertritt ja diese Ansicht. Ich möch te deswegen mit einem Zitat von ihm enden. Der Herr Minis terpräsident hat bei der Feier „Fünf Jahre Gemeinschaftsschu le“ gesagt:

Die Gemeinschaftsschulen haben es geschafft, eine wirk lich neue Schulkultur zu entwickeln, bei der sich Lehr kräfte, Schülerinnen und Schüler sowie die Eltern auf Au genhöhe begegnen, und auch dass die Schülerinnen und Schüler einen besonders hohen Grad an Selbstständig keit und Selbstreflexion entwickelt haben und ihren Blick auch über die Schule hinaus schärfen.

So weit der Ministerpräsident. Dem habe ich nichts mehr hin zuzufügen.

Danke.

(Beifall bei den Grünen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Haser das Wort.

(Abg. Norbert Beck CDU: Guter Mann!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Verlässlichkeit, Vertrauen und Vertragstreue sind hochkonservative Werte“.

(Lachen des Abg. Rüdiger Klos AfD)

So wird der Ministerpräsident heute in der „Stuttgarter Zei tung“ zitiert.

(Beifall des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

Das ist richtig. Das unterschreiben wir auch. Es fehlt aber noch ein V-Wort, das uns in der Bildungspolitik besonders wichtig ist,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Vielfalt!)

und das ist die Verbindlichkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Wir schwanken nicht beim Niveau des Englischabiturs, selbst wenn am Ende mehr Menschen die Petition unterschreiben sollten, als überhaupt das Abitur geschrieben haben. Und wir sind den Schulträgern gegenüber verantwortungsbewusst und verbindlich, wenn wir sie nicht in Investitionen treiben, die sie schon wenige Jahre später wieder bereuen.

Da sich bei der Ausschussberatung des Gesetzentwurfs zur Einführung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen sowie zur Neuregelung der Schulverbundmöglichkeiten der meiste Streit um die Frage gedreht hat, ob das Ministerium nun bin dende öffentlich-rechtliche Vereinbarungen verlangen darf oder nicht, möchte ich mich auf diesen Punkt auch konzent rieren.

Nehmen wir einmal an, Sie sind Gemeinderat in A-Hausen und erfahren in einer Gemeinderatssitzung, dass der Gemein derat von B-Hausen beschlossen hat, an seiner Gemeinschafts schule eine Oberstufe einzurichten. Auf Ihren Einwand hin: „Die kriegen doch keine 60 Schüler zusammen“ antwortet Ihr Bürgermeister: „Doch, die zählen unsere Kinder einfach mit.“ Was sagen Sie denn dann? Ich weiß, was Sie dann sagen. Sie sagen dann: „Das dürfen die doch nicht.“ Und genau so ist es auch. Das dürfen sie nicht, es sei denn, Sie als Gemeinderat stimmen in genau dieser Gemeinderatssitzung einer öffent lich-rechtlichen Vereinbarung zwischen B-Hausen, A-Hausen und den umliegenden Gemeinden zu, in der Sie auf immer und ewig auf die Einrichtung einer Gemeinschaftsschulober stufe in A-Hausen verzichten.

Die SPD hat – wahrscheinlich unwissentlich – in der Begrün dung des von Herrn Fulst-Blei initiierten Antrags Drucksache 16/3667 – Keine neuen Hürden für Gemeinschaftsschulen bei der Einrichtung der gymnasialen Oberstufe aufbauen – eigent lich bestätigt, dass das Ministerium hier richtigliegt. Ich zitiere:

Eine solche Verzichtserklärung stellt eine enorme Hürde auf dem Weg zur Einrichtung einer gymnasialen Oberstu fe dar, weil sie kommunalpolitisch weitreichende Folgen mit sich bringt. Auch wenn die umliegenden Schulträger kommunen zum Zeitpunkt der Anfrage keine eigene Se kundarstufe II planen, nehmen sie sich mit Unterzeich nung einer solchen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung ihren Gestaltungsspielraum für zukünftige Planungen.

Sie geben also zu, dass die Einrichtung einer Oberstufe an der Gemeinschaftsschule in B-Hausen weitreichende Konsequen zen für die Schulpolitik in A-Hausen hat. Dieser Einschätzung schließen wir uns als CDU-Fraktion ausdrücklich an, nicht zuletzt deswegen, weil der Verwaltungsgerichtshof Baden

Württemberg dies im Fall der Einrichtung von Gemeinschafts schulen ebenso gesehen hat wie wir und wir auch nicht erken nen können, warum wir bei der Einrichtung von Oberstufen von diesem Grundsatz abweichen sollten.

In seinem Urteil vom 12. August 2014, in dem die Nichtge nehmigung eines Standorts bestätigt wurde – wer es nicht mehr weiß: Frau Dr. Eisenmann war damals noch nicht Kul tusministerin –, weist das Gericht darauf hin, dass es dem Klä ger offenstehe, sich freiwillig mit anderen Gemeinden zu ei nem leistungsfähigeren Schulträger zusammenzuschließen.

Was laut Gericht aber nicht geht, ist, dass sich eine Kommu ne auf die Einwohner anderer Gemeinden beruft, ohne dies mit ihnen abzustimmen. Zitat:

Denn es gehört nicht zu ihrem kommunalen Selbstverwal tungsrecht, schulische Angebote für Einwohner von Nach barkommunen einzurichten und vorzuhalten.