Jetzt also ein bisschen Rechtskunde und ein bisschen mehr Wissenschaftlichkeit in die Debatte, und dann werden die In tentionen zielgenauer.
Ich glaube, dass wir in dem grundsätzlichen Ziel überhaupt nicht auseinander liegen. Also, wenn sich Wissenschaft wei terentwickelt und wir Methoden finden, um Täter überführen zu können und irgendwann auch Straftaten zu verhindern, dann müssen wir die natürlich nutzen, aber dann, bitte schön, in einer guten Abwägung. Das ist bei Ihrem Antrag wie bei schon so vielen anderen Initiativen von Ihnen eben nicht der Fall. Deswegen können wir den bisherigen Vorlagen nicht zu stimmen.
Noch eine Anmerkung insgesamt: Wahrscheinlich sind die Er kenntnisse der Merkmale aus den DNA-Analysen sogar bes ser als Zeugenaussagen.
Wenn Sie Zeugen fragen, was jemand für eine Hautfarbe ge habt hat, bekommen Sie 28 verschiedene Schattierungen ge nannt. Wenn Sie nach der Farbe des Autos bei einem Unfall fragen, ist über gelb, grün, rot und schwarz alles dabei. Aber eines muss uns auch bewusst sein: Die Wahrscheinlichkeit auch dieser äußeren Merkmale liegt zwischen 90 und 98 %. Das heißt, Sie haben zwei oder zehn Falsche dabei. Das heißt, Sie können nicht einfach eine Spur auswerten und sagen: Das ist jetzt der und der Täter. Vielmehr können Sie nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit sagen, dass Sie bei Ihren Er mittlungen in eine bestimmte Richtung gehen.
Deswegen: Versprechen Sie den Menschen nicht irgendetwas, was man damit machen könnte. Man kann damit der Polizei gute Instrumente an die Hand geben, wenn man sich fokus siert,
wenn man das entsprechend gut auswertet. Das verfolgen wir mit unserer Bundesratsinitiative. Das, was Sie machen, ist im Grunde genommen überflüssig.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich darf an das anschließen, was Kollege Dr. Lasotta zu den beiden Anträgen der AfD gesagt hat. So einfach, wie Sie sich die Welt manchmal malen, ist sie nicht,
weder in der Realität noch auf dem Grund unserer Verfassung. Vor diesem Hintergrund ist dieser Antrag für ein Gesetz wie der einmal ein Fall, bei dem jemand eine Überschrift gelesen hat, sie auf Anhieb ganz toll fand und sich gesagt hat: „Dazu schreiben wir einen Antrag, dann bekommen wir eine Druck sachennummer, und dann darf sich das ‚Antrag für ein Ge setz‘ schimpfen.“ So funktioniert Gesetzgebung in BadenWürttemberg nicht, Kolleginnen und Kollegen.
Im Inhalt trennt uns das, was die Kollegen Filius und Dr. La sotta gesagt haben, nicht allzu sehr. Zu einem Punkt habe ich aber eine Nachfrage. Ich teile die Auffassung, Herr Dr. Lasot ta, dass die Auswertung von biogeografischen Daten wenig Sinn macht, weil es einen sehr großen Bereich betrifft. Sie ha ben das sehr anschaulich dargestellt. Jetzt frage ich mich aber: Wenn Sie schon wissen, dass es so ist, warum ist dann von Ih rem Minister – so zumindest in der FAZ vom 14. Februar 2017 – Folgendes zu lesen?:
Wolf wollte mit seiner Initiative ursprünglich noch einen Schritt weiter gehen, er wollte nämlich auch die Verwen dung „biogeografischer Daten“ erlauben.... Die Grünen in der Landesregierung meldeten bei diesem Punkt jedoch Bedenken... an,...
Vielleicht kann der Minister noch einmal darauf zurückkom men und uns erklären, ob er jetzt die Verwendung biogeogra fischer Daten wirklich für sinnvoll erachtet oder eine andere Auffassung einnimmt, wie es die CDU-Fraktion gerade sehr anschaulich dargestellt hat.
In der Sache selbst ist es so, dass wir diese Erweiterung der DNA-Analyse auf Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie biolo gisches Alter mittragen können, weil wir es für verhältnismä ßig erachten und die Wahrscheinlichkeit aufgrund wissen schaftlicher Auswertungen so hoch ist, dass es auch ein ver lässliches Indiz ist – eben nicht ein Beweis oder anderes, son dern ein Indiz, ein Teil des Handwerkkastens der Kriminalpo lizei, die aus vielen Mitteln auswählen muss. Weder das Lan deskriminalamt noch die Kriminalpolizei brauchen in irgend einem Fall, Herr Kollege Filius, Nachhilfeunterricht.
Die Kriminalpolizei weiß sehr genau, wann welches Mittel sinnvoll ist. Auf diese zusätzliche Möglichkeit hat sich die Große Koalition geeinigt. Insofern wird diese Bundesratsini tiative und dann auch das Bundesgesetz zu einer gemeinsa men Lösung in der StPO führen. Das erhöht die Möglichkei ten der Polizei bei der Täterverfolgung, ohne dass jetzt bei je der schweren Kriminalität eine Täter-DNA-Auswertung not wendig wäre; denn es gibt auch viele herkömmliche Möglich keiten, die manchmal auch schneller zu einem Ergebnis füh ren als eine DNA-Auswertung. Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein weiteres Mittel, dessen Verwendung verfas sungsrechtlich abgewogen sein muss, aber es ist kein Allheil mittel, um jeden Mordfall zu lösen.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Anerkennung von Demokratie und Rechtsstaat bedingt ein subjektives und objektives Sicher heitsgefühl. Die innere Sicherheit bedingt, die sich bietenden technischen, wissenschaftlichen und rechtlichen Möglichkei ten zu nutzen, um effektiv und effizient Straftaten aufzuklä ren.
Die erweiterte DNA-Analyse im Sinne eines stummen Zeu gen ist nach unserer Auffassung geeignet, Ermittlungsschwer punkte zu setzen und das vorhandene Personal effektiv und effizient einzusetzen.
Die Diskussion, die wir heute über die Validität, die Vorher sagegenauigkeit, die Kosten und die unzureichende Berück sichtigung rechtlicher, sozialer und ethischer Problematiken führen, erinnert stark an die Diskussion, die Mitte der Neun zigerjahre geführt wurde und die schließlich im September 1998 zur Vorschrift zur DNA-Identitätsfeststellung in § 81 g der Strafprozessverordnung führte.
Heute ist kaum ein Ermittlungs- oder Fahndungserfolg vor stellbar, ohne auf DNA zurückzugreifen. In der Tat ist die Er mittlung, die Analyse und die erweiterte Nutzung der DNA ein kleines Segment des Handwerkkastens – der Kollege Bin der hat es gesagt –, aber sicherlich nicht das Allheilmittel, das darin gesehen werden kann. Daher wird eine sorgfältige Prü fung in der konkreten Ausgestaltung vorzusehen sein. Genau daran krankt im Grunde genommen auch der Vorschlag der AfD. Es fehlen die besonderen Verhältnismäßigkeitsabwägun gen, der Anlassverdacht, der Richtervorbehalt und die allge meine Negativprognose. All das sind Punkte, die im Wesent lichen viel stärker berücksichtigt werden müssen.
Gleichwohl erachten wir die Berücksichtigung der biogeogra fischen Herkunft, die in der Tat aufgrund der historischen Wanderbewegungen einer durchaus eingeschränkten Aussa gekraft unterliegt, als ein sinnvolles Merkmal einer erweiter ten DNA-Analyse. Aber dies bedingt natürlich – wohl wis send, dass eine beschränkte Aussagekraft damit verbunden ist –, dass die Personen hinsichtlich der Interpretation und des Aussagegehalts entsprechend geschult werden müssen. Klar ist auch – und das ist die Maxime der FDP/DVP-Fraktion –: Die Erkenntnisse müssen in rechtlich und wissenschaftlich einwandfreien Verfahren gewonnen werden.
Es wurde bereits angedeutet: Das Land Baden-Württemberg hat im September letzten Jahres im Bundesrat eine entspre chende Initiative gestartet, die dann verschoben wurde und seither leider auf Eis liegt. Es liegt nunmehr an Grün-Schwarz, den seit über einem Jahr im Bundesrat dümpelnden Gesetz entwurf des Landes zu einem erfreulichen Abschluss zu füh ren.
Die Anträge der AfD, über die wir gerade diskutieren, zeigen und dokumentieren die grundsätzliche Vorgehensweise der AfD, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, um das Ankom men am Ende als Erfolg für sich zu verbuchen.
Dieses Ansinnen ist sehr durchschaubar und wird nicht zum Erfolg führen, auf jeden Fall nicht mit unserer Unterstützung.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Schwerwiegende Straftaten wie Morde oder Sexualstraftaten berühren das Si cherheitsgefühl der Bevölkerung in hohem Maß. Doch nicht selten erfordert gerade die Aufklärung solcher Taten beson ders personalintensive und zeitaufwendige polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Ich denke – das hat auch die Debatte in großer Einmütigkeit gezeigt –, dass wir vor die sem Hintergrund die Ermittlungsinstrumente der Strafverfol gungsbehörden immer wieder einem Aktualitätstest unterzie hen müssen. Da hat sich in den letzten Jahren technisch vie les verändert, was wir in unseren polizeilichen oder strafpro zessualen Vorschriften bislang nicht abgebildet haben.
Viele Ermittlungsverfahren in den vergangenen Jahren – zu letzt bei dem Mord an einer Studentin in Freiburg – haben uns in aller Deutlichkeit gezeigt: Die Regelungen der Strafpro zessordnung im Bereich der Untersuchung von DNA-Spuren sind nicht mehr zeitgemäß und müssen verändert werden.
Die wissenschaftlichen Möglichkeiten bei der DNA-Analyse haben sich in den vergangenen Jahren – es ist mehrfach ange sprochen worden – erheblich erweitert. Die gesetzlichen Grund lagen sind jedoch – das muss man sich vor Augen führen – seit dem Jahr 2004 unverändert geblieben. Dabei können zwi schenzeitlich bei molekularbiologischen Untersuchungen mit hoher Wahrscheinlichkeit verlässliche Aussagen zu Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie zum Alter des Spurenlegers ge troffen werden.
Ich denke, jedem hier im Raum ist bewusst, welche Bedeu tung diese Informationen für die Strafverfolgungsbehörden haben. Diese Informationen würden es erlauben, den Kreis der als Spurenleger in Betracht kommenden Personen einzu schränken und dadurch die Ermittlungen zunächst auf diese zu fokussieren. Darum geht es ja.
Deshalb hat auch die Polizei ein so großes Interesse an der Ausweitung der DNA-Analysen, weil es darum geht, die Tä terkreise frühzeitig einzugrenzen und damit eben auch Zeit zu gewinnen. Angesichts der grausamen Verbrechen von Frei burg bzw. von Endingen etwa muss es doch erste Priorität ha ben, solchen Verbrechern schnellstmöglich auf die Spur zu kommen und dafür die Bandbreite der Ermittlungsmöglich keiten zu erweitern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dabei ist mir durchaus klar, dass durch DNA-Analysen ge wonnene Hinweise keinesfalls eine hundertprozentige Vorher sagegenauigkeit haben. Das ist selbstverständlich auch den Ermittlern bewusst. Kollege Dr. Lasotta hat es angesprochen. Das ist bei Zeugenaussagen nicht anders.
Da fragt man sich beim Vergleich unterschiedlicher Zeugen aussagen manchmal auch, ob diese Zeugen wirklich vom glei chen potenziellen Täter sprechen, den sie gesehen haben.
Bereits heute gehört es zur Arbeit der Ermittler, alle Hinwei se, Aussagen und Indizien sorgfältig auf ihre Aussagekraft hin zu überprüfen. Das zeigt auch das genannte Beispiel der Zeu genaussagen. Da erwarten wir ganz sicher auch nicht, dass diese – sei es bewusst, sei es unbewusst – in jedem Fall zu 100 % richtig sind. Ich behaupte sogar, dass die Treffsicher heit so mancher erweiterter DNA-Analyse stärker und zielge nauer ist als manche Zeugenaussage.
Letztlich ist es eine Frage der Bewertung durch die Polizei und am Ende des Gerichts, hier die richtigen Schlüsse zu zie hen.