Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen. – Vielen Dank.

Ich eröffne die 66. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Würt temberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Herr Abg. Dr. Bullin ger, Herr Abg. Glück, Herr Abg. Kopp, Herr Abg. Dr. Lasot ta sowie Frau Abg. Martin.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt hat sich bis 10:30 Uhr Herr Minister Hermann. Außerdem ist ganztägig entschuldigt Herr Staatsminister Murawski.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überwei sungsvorschlägen zu. Vielen Dank.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung der Landesregierung vom 19. Juni 2018 – Unterrichtung

des Landtags gemäß § 6 des Gesetzes über das Verbot der Zweckent fremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbotsgesetz – ZwEWG) – Drucksache 16/4278

Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungs bau

2. Mitteilung des Deutschlandradios vom 15. Mai 2018 – Information

der Landesparlamente über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Deutschlandradios – Drucksache 16/4364

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion der CDU für eine Umbesetzung im Ausschuss für Soziales und Integration (Anlage 1). – Ich stelle fest, dass Sie der vorge schlagenen Umbesetzung zustimmen.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Inneres, Digitalisierung und Migration – Aktueller Stand zur Evaluierung der Polizeistrukturre form – Drucksache 16/4162

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort für die Begründung Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Wir beschäftigen uns heute hier im Land tag von Baden-Württemberg erneut mit dem wichtigen The ma „Innere Sicherheit“, mit dem wichtigen Thema unserer Polizei.

Was ist die Aufgabe der Polizei in unserem Land, in BadenWürttemberg? Die Aufgabe der Polizei ist es, für die Sicher heit der Menschen in unserem Land zu sorgen, präventiv tä tig zu sein, wenn es um die Verhinderung von Straftaten geht, und effektiv zu sein, wenn es darum geht, Hilfe zu leisten bzw. Recht und Ordnung durchzusetzen.

Ich denke, wir alle sollten der Polizei, den Polizistinnen und Polizisten in diesem Land dankbar sein, dass sie diese wich tige Aufgabe für unser Land erfüllen, meine sehr geehrten Da men und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU, der AfD und der FDP/DVP)

Was ist in diesem Kontext dann aber die Aufgabe der Politik? Aufgabe der Politik muss es sein, der Polizei die Möglichkeit zu geben, in einer funktionierenden Struktur mit genügend Mitteln für Personal und Sachausstattung und einer guten Un terbringung zu arbeiten.

Das war das Ziel der in der vergangenen Legislaturperiode durchgeführten Polizeireform, und das, was von der jetzigen Regierung in Auftrag gegeben wurde, nämlich die Überprü fung der Polizeireform, hat eines eindeutig ergeben: Es war richtig, diese Strukturreform durchzuführen. Es war richtig, damit unsere Polizei effektiv den Aufgaben in einer veränder ten Landschaft und bei veränderten Sicherheitsanforderungen gerecht werden kann. Dafür, glaube ich, ist dem damaligen Innenminister Reinhold Gall immer noch Danke zu sagen – eine hervorragende Leistung.

(Beifall bei der SPD)

Aus dem Bericht EvaPol, aus der Evaluierung der Polizeire form, ergibt sich eindeutig, dass diese neuen Strukturen zu er heblichen Verbesserungen geführt haben und die Polizei ge rade auch im Hinblick auf eine veränderte Sicherheitslage schlagkräftiger und effektiver machen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollten wissen: Wie sieht es denn aus mit der Umsetzung dessen, was in dem Bericht zur Evaluierung erarbeitet wurde? Wir stellen fest, dass z. B. ein ganz wesentlicher Teil dessen, was die Eva luierungskommission vorgeschlagen hat, nämlich eine Zent ralisierung des Themas Verkehrsunfallaufnahme, nun offen sichtlich nicht durchgeführt wird. Und ich sage: zu Recht. Nur muss man dann fragen: War diese Evaluierung auch richtig aufgesetzt? Denn aus der Stellungnahme zu unserem Antrag ergibt sich, dass im Nachhinein die regionalen Präsidien, die hinzugezogenen Staatsanwaltschaften und auch 56 % der Ab stimmungsteilnehmer unter den Mitarbeitern gesagt haben: Nein, die zentrale Verkehrsunfallaufnahme und die damit ver bundene Spezialisierung ist richtig und dient einer besseren Aufgabenerledigung.

Wenn also die Ratschläge von EvaPol nicht umgesetzt wer den, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann müssen Sie sich fragen lassen: Welchen Zweck soll diese Evaluierung eigentlich gehabt haben?

(Beifall bei der SPD)

Aber es geht nicht allein um den Zweck der Evaluierung, son dern es geht darum, was diese Landesregierung aus den Er kenntnissen der Evaluierung macht. Seitdem der Evaluie rungsbericht vorliegt, meine sehr geehrten Damen und Her ren, hakt und ruckelt es an jedem Ende. Die Eckpunkte zum Umgang mit den Empfehlungen von EvaPol sollten – ich er innere Sie daran – vor Pfingsten 2017 im Kabinett beschlos sen werden. Der kommunizierte Zeitplan, auf den sich sowohl die Polizei als auch das Parlament und die Öffentlichkeit ver lassen hatten, konnte aber nicht eingehalten werden, weil man sich – wir erinnern uns – nicht auf eine Anzahl von Präsidien einigen konnte. Schon damals, gleich zu Beginn, ist offen sichtlich dem zuständigen Innenminister dieser komplette Pro zess aus den Händen geglitten. Von politischer Führung, von politischer Gestaltung ist nichts zu sehen. Meine sehr geehr ten Damen und Herren, das Trauerspiel der Umsetzung von EvaPol war schon damals kaum zu ertragen, und es geht heu te weiter.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke und Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Denn bis heute steht im Raum, dass die Anzahl der Präsidien nicht aufgrund von polizeifachlichen Erwägungen festgelegt wurde. Noch heute steht im Raum, dass der damalige Kom promiss mit 13 Präsidien – für den ja dann der Ministerpräsi dent für den Innenminister die Entscheidung treffen musste – letztlich nur eine Umsetzung von Wahlversprechen der CDU war. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer entgegen polizeifachlichen Entscheidungen, wer allein aufgrund von Wahltaktik und Wahlkreisversprechen Politik macht, der wird große Fehler machen, wenn es um die Sicherheit der Men schen in diesem Land Baden-Württemberg geht.

(Beifall bei der SPD)

Wie ging es weiter? Nachdem diese Entscheidung dann – sol len wir es so sagen? – erwürfelt wurde, war die Kabinettsbe fassung mit den Eckpunkten zur Polizeistrukturreform bereits für den April 2018 vorgesehen. Bis heute gibt es allerdings darüber keine Beschlussfassung, weil sich angeblich die Ab stimmung mit den beteiligten Ministerien in die Länge zieht.

Seit dem 29. Juni, also seit wenigen Tagen, wissen wir nun auch, warum. Das ist nämlich auch kein Wunder angesichts einer Verdopplung der Kosten. Wer eine Änderung der gelun genen Polizeistrukturreform nur deshalb vornimmt, um Wahl versprechen zu befriedigen, und dafür Beträge von inzwischen über 200 Millionen € verschwenden will ohne ein Mehr an Si cherheit, der vergeht sich nicht nur am Sicherheitsinteresse der Menschen, sondern auch am Haushalt und an den finanz politischen Interessen des Landes Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen richte ich an die beiden Regierungsfraktionen ein mal eine ganz simple Frage: Wenn wir die aktuellen Kosten, was die Polizeistrukturreform angeht, für das 13er-Modell auf jetzt über 200 Millionen € beziffern, wenn wir wissen, dass offensichtlich vonseiten des Innenministers bzw. seines Mi nisteriums wichtige Punkte in der Kostenkalkulation schlicht und einfach nicht berücksichtigt wurden, wie z. B. Mehrkos ten für Personal und Technik, dann frage ich Sie, wie Sie ei ne Entscheidung aus dem vergangenen Jahr heute bewerten, wenn die 13er-Lösung, also ein zusätzliches Präsidium, letzt lich teurer ist als das damals diskutierte 14-Präsidien-Modell, das Sie damals eindeutig aus Kostengründen abgelehnt haben. Wenn Sie konsequent wären, meine sehr geehrten Damen und Herren, dürften Sie diese Entscheidung vom vergangenen Jahr so nicht aufrechterhalten.

(Beifall bei der SPD)

Wir erheben in diesem Zusammenhang auch den Vorwurf, dass hier die Öffentlichkeit bewusst hinters Licht geführt wur de.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das ist wieder die ser Kalauer!)

Die Kosten für die geplanten Korrekturen wurden nicht offen gelegt. Die Berechnung aus dem letzten Jahr war eine schön gerechnete Mogelpackung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer jetzt plötzlich Kostenposten durch die Hintertür einführt, von denen letztes Jahr noch keine Rede war, der han delt intransparent, der handelt auch unseriös, und der setzt das Vertrauen in die Politik dieser Landesregierung aufs Spiel.

Wir brauchen angesichts dieser explodierenden Kosten, was die Kostenschätzungen angeht, eine neue Bewertung. Wir wollen von Ihnen wissen, ob Kosten und Nutzen für ein 13erModell, für ein 13. Präsidium, in einem angemessenen Ver hältnis zum Aufwand stehen.

Es sei noch einmal daran erinnert, dass insbesondere von der Fraktion GRÜNE deutlich gesagt wurde, ein 14er-Modell sei aus Kostengründen nicht umzusetzen. Damals hat u. a. der Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz sinngemäß gesagt: „Wir stellen fest, dass die Mehrkosten teilweise so hoch sind, dass einzelne Modelle“ – das 14er-Modell – „nicht finanzier bar sein werden. Der Haushaltskorridor für strukturelle Mehr ausgaben und für einmalige Ausgaben ist eng gefasst.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie sich selbst und Ihre Worte von damals ernst nehmen, müssen Sie in eine Neubewertung dieser Situation eintreten. Wir brauchen mehr Sicherheit und nicht nur mehr Geld für angeblich mehr Si cherheit.

(Beifall bei der SPD)

An den Ministerpräsidenten richte ich die Aufforderung: Herr Ministerpräsident, wenn Ihr Innenminister nicht in der Lage ist, auf Basis von soliden Kostenschätzungen bzw. Kostenbe rechnungen eine solche Entscheidung vorzubereiten – die letztlich dann ohnehin von Ihnen zu treffen ist –, dann würde ich vorschlagen, dass Sie auch diese Entscheidung an sich zie hen. Es kann doch nicht sein, dass wir für ein fiktives Mehr an Sicherheit für ein 13. Polizeipräsidium mehr Geld ausge ben müssen als damals für eine im Nachhinein als sehr gut be wertete Polizeistrukturreform.

Ich rufe Sie auf, Herr Ministerpräsident: Greifen Sie ein! Schreiten Sie ein! Dieser Innenminister hat offensichtlich das Thema „Veränderungen an der Polizeistrukturreform“ von An fang an nicht in seinen Händen gehalten. Er ist nicht in der Lage, die richtigen Entscheidungsgrundlagen zu schaffen, und er ist auch nicht in der Lage, die richtigen Entscheidungen für das Land zu treffen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Häffner.

Sehr geehrte Frau Landtags präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bessere ist der Feind des Guten.