Protokoll der Sitzung vom 18.07.2018

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir freu en uns, dass uns die CDU die Möglichkeit gegeben hat, heu te noch einmal über das Thema „Automobilindustrie in Ba den-Württemberg“ zu diskutieren.

Aber leider ist die Politik der Landesregierung kein Anlass zur Freude, sondern ein Anlass zu großer Sorge. Die Verteu felung des Dieselmotors und der Kampf gegen das Automo bil an sich tragen Früchte. Es sind bittere Früchte. Sie enteig nen die Bürger durch massiven Wertverlust ihrer Fahrzeuge. Sie sorgen dafür, dass in Stuttgart nicht nur die höchsten Miet preise im Land verlangt werden, sondern jetzt Familien ihr Auto unter Wert verkaufen müssen. Wie sie dann, politisch gewollt, die teuren batterieelektrischen Neuwagen finanzie ren sollen, das überlässt man den Menschen allein.

Ihre Politik der Wertvernichtung von Pkws der Bürger ist nicht nur ökonomisch falsch, sondern auch in höchstem Maß unso zial, da sie den Normalverdiener am härtesten trifft, die Fa milien etwa, die sowieso kaum über die Runden kommen. Sie wissen nur zu gut, welche Auswirkungen Dieselfahrverbote auf die baden-württembergische Automobilindustrie haben.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, warum fra gen Sie nicht, warum Mercedes-Benz in Polen am Standort Jawor ein Werk für 500 Millionen € für den Bau von Vierzy lindermotoren erstellt und nicht in Baden-Württemberg? Brau chen wir denn zukünftig mehr Verbrennungsmotoren? Ja. Bis zum Jahr 2025 brauchen wir weltweit mehr laut eigener Aus sage von Daimler, bezogen auf Zahlen von heute.

Warum fragen Sie nicht, warum Mercedes-Benz für 1 Milli arde € in Ungarn, in Kecskemet, das modernste Fahrzeug werk, ein Full-Flex-Pkw-Werk für sämtliche Baureihen und Modelle baut? Diese Wertschöpfungen gehen unserem Länd le verloren.

Meine Damen und Herren, geht es darum, deutsche oder ba den-württembergische Standorte zu schädigen? Liegen da Plä ne, das Werk in Untertürkheim umzustrukturieren oder den Motorenbau gar zu schließen, aufgrund politischer Entschei dungen etwa schon in der Schublade? Es verfestigt sich im mer mehr der Eindruck, dass die Regierung nicht voll und ganz das Rückgrat unseres Landes – die Wirtschaft und die Automobilhersteller – unterstützt.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Da sind schon jetzt ein immenser Vertrauensverlust und eine tiefe Verunsicherung entstanden. Werden da Tausende von Ar beitsplätzen dieser politischen Verunsicherung geopfert? Wir, die AfD, sehen uns hier ganz klar als Vertreter und Anwalt von 190 000 Besitzern von Dieselfahrzeugen mit der Abgasnorm Euro 4 und von Fahrzeugen mit anderen Abgasnormen, die von dem drohenden Fahrverbot betroffen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Die AfD und die Bürger dieses Landes appellieren an Sie: Nehmen Sie den Beschluss zurück, und verweisen Sie die grü ne Gängelungs- und Verbotspartei auf ihre Plätze.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Meine Damen und Herren von der CDU, machen Sie sich nicht zu Komplizen grüner Utopisten. Denken Sie daran, was Franz Josef Strauß einmal sagte: „Konservativ sein heißt, an der Spitze des Fortschritts zu stehen.“ Die Ingenieure, Tüftler und Erfinder in unserem Land arbeiten an der Zukunft. Die Elektromobilität wird kommen. Das ist keine Frage. Aber Fortschritt heißt nicht, Elektromobilität mit Brachialgewalt einzuführen – und vor allem nicht auf dem Rücken und über den Geldbeutel der Bürger.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Der Transformationsprozess – welch tolles Wort – heißt nichts anderes als: Verbrennungsmotoren weg und Elektromobilität sofort, mit einer 180-Grad-Wende.

Ich möchte jetzt nicht auf die Überheblichkeit einer Weltkli marettung eingehen. Nur eine Prognose würde ich stellen: Das Ziel, die weltweite Erderwärmung unter 2 Grad Celsius zu halten, werden Sie nie erreichen.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Wenn wir Leu te wie Sie haben, nicht! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Mit solchen Dilettanten wie Ihnen sicher nicht! – Gegenruf des Abg. Stefan Herre AfD: Was soll denn das?)

Dazu spielen zu viele vom Menschen unbeherrschbare Fak toren eine wesentlichere Rolle als der vom Menschen gemach te CO2-Ausstoß, der in Deutschland ca. 2,26 % des weltwei ten Ausstoßes ausmacht.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Lithium und Kobalt – wichtige Bestandteile in den Batterien – werden in unterentwickelten Regionen der Erde ohne Ar beitsschutz

(Zuruf des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

und Umweltstandards gefördert. Amnesty International be klagt Kinderarbeit und Unfälle in den kongolesischen Minen.

(Zuruf des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

Auch das sind Begleiterscheinungen der Elektromobilität, meine Damen und Herren.

(Abg. Carola Wolle AfD: Das ist den Grünen egal!)

Das vom Ministerpräsidenten und von den Grünen propagier te CO2-neutrale Fahren – wir haben es jetzt gerade noch ein mal gehört – wird es nie geben,

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

da batteriebetriebene Fahrzeuge weder ökologisch noch tech nisch den Erwartungen Rechnung tragen. Auch die Entsor gung der Batterien ist in der CO2-Bilanz noch lange nicht ent halten.

Wir, die AfD, vertreten in dieser Frage einen klaren Stand punkt. Darum unterstützen wir selbstverständlich auch die Klagen von Automobilbesitzern beim Kampf um ihr Recht und gegen den Verbotswahnsinn.

Meine Damen und Herren von der CDU, hören Sie auf, den Koalitionsfrieden über das Bürgerwohl zu stellen. Nehmen Sie die Faust aus der Tasche. Haben Sie den Mut zu einem klaren Bekenntnis zu den Arbeitsplätzen und zum gesunden Menschenverstand, zum Schutz des Privateigentums, zu be zahlbarem Individualverkehr und einem souveränen Wirt schaftspatriotismus in unserem Land.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Herr Abg. Dr. Weirauch für die SPD, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Transfor mation im Automobilbereich“ haben wir heute nicht zum ers ten Mal auf der Tagesordnung unseres Parlaments. Es ist gut, dass wir über die Herausforderungen des Transformationspro zesses sprechen. Es ist gut, dass wir ihn immer wieder in den Mittelpunkt unserer politischen Debatten stellen. Denn dieser Transformationsprozess berührt im Kern eine unseren Wohl stand betreffende Schlüsselindustrie. Er beschäftigt die Men schen in unserem Land. Er wird mit seiner wirtschaftlichen, aber insbesondere auch mit seiner sozialen Wucht unser Land in den kommenden Jahren, wenn nicht gar in den kommen den Jahrzehnten wesentlich prägen. Da sind wir uns, glaube ich, alle einig.

Wo wir uns nicht einig sind: Ich werde mich hier nicht in die ses Feuerwerk der Ehrerbietung gegenüber dem Wirtschafts ministerium einreihen. Ich glaube, da haben Sie, Herr Dörf linger, Frau Lindlohr, jetzt wieder Förderprogramme anein andergereiht und lassen sich dafür abfeiern. Aber dieses The ma ist doch wesentlich fokussierter in Angriff zu nehmen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Klaus Dürr AfD)

Der in Rede stehende Antrag – im parlamentarischen Prozess ist das so üblich – ist als Fraktionsantrag nun bereits gut an

derthalb Jahre alt. Die Fragen, die in dem Antrag gestellt wer den – das muss man sagen –, sind weiterhin hochaktuell. Lei der – das muss man auch sagen – gilt das nicht für die Ant worten der Landesregierung. Genau das ist das Problem – ich habe es gerade gesagt –: eine Auflistung alter Programme, neue Absichtserklärungen, aber kein spürbares Regierungs handeln, welches die Menschen in Baden-Württemberg in die ser so entscheidenden Frage zu Recht von einer Landesregie rung erwarten dürfen.

(Zurufe der Abg. Andrea Lindlohr und Hermann Kat zenstein GRÜNE)

Wir können und müssen diesen Wandel im Sinne unserer Volkswirtschaft und des Gemeinwohls zügig angehen und ak tiv gestalten. Politik muss Rahmen setzen, Strukturen schaf fen und die Transformation in Bereichen, in denen dies nötig ist, auch gezielt in finanzieller Hinsicht fördern. Wir sind uns alle einig: Wenn irgendwo das Potenzial besteht, die Heraus forderungen der Transformation erfolgreich zu meistern, dann ist es hier bei uns in Baden-Württemberg mit hart arbeitenden Beschäftigten und mit innovativen, verantwortungsbewuss ten Unternehmen.

Ich kann verstehen, dass Sie, Frau Ministerin, sich gern mit einem Sammelsurium an Förderprogrammen schmücken. Wahr scheinlich verlieren Sie manchmal selbst den Überblick in die sem Bereich. Es sei Ihnen aber an dieser Stelle eines gesagt: Verwechseln Sie nicht Quantität mit Qualität. Ich hatte es an dieser Stelle schon einmal gesagt: Wo viel Geld ist, macht man auch manchmal etwas richtig.

Aber wir brauchen mehr als eine Förderkulisse nach dem Gießkannenprinzip frei nach dem Motto: Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Ihr Ansatz „Füllhorn statt Fahrplan“ wird auf Dauer nicht ausreichen, die Unternehmen in Baden-Würt temberg bei der Bewältigung der Transformation im Automo bilbereich wirkungsvoll zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Sie – da schließe ich Ihre Freundinnen und Freunde aus den beiden Regierungsfraktionen ein – haben keine überzeugen de Idee, wie der Automobilstandort Baden-Württemberg in zehn oder 15 Jahren konkret aussieht. Es fehlt ein klares Leit bild, das Unternehmen und Beschäftigten Orientierung bietet.

Was geschieht mit Zulieferbetrieben mit 1 000 bzw. 1 500 Be schäftigten, die vom Verbrennungsmotor unmittelbar abhän gig sind? Was genau tun Sie für diese Unternehmen? Wir sind uns alle einig: Mit einem Innovationsgutschein wird es an die ser Stelle nicht getan sein.

Nun haben Sie heute Morgen – welcher Zufall! – der Öffent lichkeit ein Positionspapier vom April 2018 zum Transforma tionsprozess in der Automobilindustrie präsentiert. Wir brau chen aber nicht weitere Absichtserklärungen, wir brauchen endlich konkretes Regierungshandeln. Das, was Sie bisher vorgelegt haben, reicht bei Weitem nicht aus. Sie regieren jetzt zwei Jahre. Es wird Zeit, dass endlich etwas Konkretes pas siert.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen von Ihnen auch zur Sicherung der Beschäftigung in diesem Land etwas hören. Ich habe aufmerksam zugehört.

Frau Lindlohr und Herr Dörflinger, von Ihnen kam nichts. Ich bin gespannt, ob die Frau Ministerin noch etwas dazu sagt. Wir fordern Sie auf, eine echte Strategie zu entwickeln, die sich nicht nur schön auf Hochglanzpapier drucken lässt, son dern bei den Menschen im Betrieb ankommt.

Die SPD-Landtagsfraktion fordert Sie abermals auf: Nehmen Sie bei der Transformation im Automobilbereich die Perspek tive der Beschäftigten endlich ernsthaft in den Blick. Nehmen Sie die Sorgen der Menschen um die Zukunft ihrer Arbeits plätze ernst.

(Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Ihre Verlautbarungen hier im Parlament und auch in parlamen tarischen Drucksachen lassen erkennen, dass Sie nahezu aus schließlich von Potenzialen sprechen, nicht jedoch von den Menschen, deren Arbeitsplätze im Rahmen der Veränderung bedroht sind.