Aktuelle Debatte – Exportland Nr. 1 trifft auf Freihandels feind – Warum ließ der Ministerpräsident die Handels hürden in den USA außen vor? – beantragt von der Frak tion der FDP/DVP
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landes regierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.
Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident Kretsch mann, Sie waren ja mit einer Delegation in die USA und nach Kanada gereist. Das Thema der Reise lautete: „Digitalisierung und Transformation – Auswirkungen auf Wirtschaft und Wis senschaft – Transatlantischer Dialog Baden-Württemberg und Kalifornien bzw. Ontario“.
Ich möchte hier klarstellen: Es geht nicht um eine Kritik an dieser Reise, ganz und gar nicht. Sie haben unsere volle Un terstützung, wenn es darum geht, die Interessen Baden-Würt tembergs auch im Ausland zu vertreten und sich Impressio nen zu holen. Das ist richtig, und das ist wichtig.
Aber uns drängt sich eine Frage auf, wenn man mit einer hun dertköpfigen Delegation, zum großen Teil einer Wirtschafts
delegation – so haben Sie es ja auch selbst auf Facebook be zeichnet –, über den Großen Teich reist und es dann bei einem über einwöchigen Aufenthalt in den USA versäumt, das The ma „Freihandel und Zölle“ explizit anzusprechen. Wir sind der Meinung, meine Damen und Herren, es wäre wichtig, dies anzusprechen.
Schauen wir uns doch einmal die aktuelle Lage an: Die dpa meldete am 24. September: „China verhängt eigene Sonder zölle gegen USA“. Da geht es um Milliardenbeträge. Da kön nen sich baden-württembergische Unternehmen nicht wegdu cken, weil sie sowohl da als auch dort produzieren. Die On lineausgabe der FAZ titelte gestern: „Baden-Württemberg: Kretschmann-Land fällt im Wachstum zurück“.
Warum wird das thematisiert? Weil, obwohl die Wirtschaft in Deutschland auf Wachstumskurs fährt, ausgerechnet für Ba den-Württemberg eine „ins Auge stechende Wachstumsmü digkeit“ in der Statistik ausgewiesen wird. So findet sich das Land keineswegs in einer Spitzengruppe, ob es bei der Er werbstätigenrate ist, die seit 2010 stagniert, ob es bei den In vestitionen und den Erfolgen in der Bildungspolitik ist – auch hier wird Baden-Württemberg immer weiter durchgereicht und ist von der Topposition ins Mittelfeld gerutscht – oder beim Bruttoinlandsprodukt, wo die Wachstumsrate gerade noch 1,6 % beträgt, während wir von Bayern mit 2,8 %, von Rheinland-Pfalz mit 3,3 %, aber auch von den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin überholt werden.
Geschuldet ist der Rückgang allein der exportabhängi gen Industrie.... Die fortgesetzte Eskalation im Handels konflikt zwischen den USA und China verunsichert die hiesige Wirtschaft...
Das waren die Herausforderungen, als Sie, Herr Ministerpräsi dent, zu Ihrer Delegationsreise gestartet sind. Sie haben auch vollmundige Ankündigungen gemacht. In den BNN vom 12. Sep tember hieß es – ich zitiere –:
Ministerpräsident Kretschmann will die Delegationsrei se deshalb erklärtermaßen nutzen, um auf fairen Freihan del zu pochen.
Auch uns Abgeordneten wurde suggeriert, dass das Thema Frei handel im Fokus steht. Ich möchte einen wirklich guten An trag des Kollegen Hofelich von der SPD, Drucksache 16/4538, zitieren. In ihrer Stellungnahme schreibt die Landesregierung auf Seite 6:
Im September 2018 wird Herr Ministerpräsident Kretsch mann MdL mit einer Wirtschaftsdelegation nach Kalifor nien sowie nach Kanada reisen und dort u. a. auch den Handel thematisieren.
Lieber Herr Ministerpräsident, Sie haben klare Aussagen ge macht, aber ich muss feststellen: Einen Niederschlag in der Presse oder nach außen hat das Ganze nicht gefunden.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Dr. Chris tina Baum AfD und Dr. Heinrich Fiechtner [frakti onslos])
Die Frage ist: Was wurde von diesen Ankündigungen umge setzt? Wo wurde das Thema adäquat angesprochen? Zumin dest in Kanada haben Sie ja dann den Mumm gehabt, bei ei nem theoretischen Unterstützer das Thema Abschottungspo litik zu thematisieren. Aber, Herr Ministerpräsident, badenwürttembergische Interessen vertritt man nicht, indem man in einem Drittland über die USA redet, sondern indem man in den USA mit den USA nach Lösungen sucht, mit denen man gemeinsame Interessen voranbringt.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Dr. Chris tina Baum AfD und Dr. Heinrich Fiechtner [frakti onslos])
Was wurde stattdessen thematisiert? Was durften wir lesen? „German Angst“. Wir gönnen Ihnen ja die Impressionen, und anscheinend waren auch starke Eindrücke dabei. Denn wie kann ich mir sonst vorstellen, dass bei einem Besuch von ITFirmen dann Zitate kommen wie: „Die ziehen an uns vorbei“, „Wir müssen schneller werden“?
Ich gebe Ihnen recht, dass diese fürchterlichen Debatten über die Technologiefeindlichkeit aufhören müssen. Herr Minis terpräsident, da frage ich mich dann aber schon: Wie habe ich mir das vorzustellen? Da sinniert ein baden-württembergi scher Ministerpräsident im Silicon Valley darüber, wie er in der dritten Amtszeit mit über 70 Jahren den Jungen die Digi talisierung beibringen will, wo er doch selbst als Junger die se Technologien verdammt hat. Oder wie kam es sonst, dass im Bundestagswahlprogramm der Grünen – ich zitiere – auf Seite 42 steht, man wolle der übergreifenden technischen Ver netzung begegnen, man wolle ein Verbot von Personalinfor mationssystemen, keine Dienste im Fernsprechnetz?
Ich finde es ja toll, dass hier ein Wandel stattgefunden hat. Aber, lieber Herr Ministerpräsident, wir müssen uns einmal überlegen, ob es sinnvoll ist, ins Ausland zu reisen,
den deutschen Unternehmen Fehlervermeidungskultur vorzu werfen und dann hier im Landtag bei jeder neuen Technolo gie die Bremse reinzuhauen und zusammen mit Ihrem Koali tionspartner, der sich mit einbremsen lässt, zu sagen: Oh, das Risiko ist größer; wir müssen aufpassen, was wir tun. – So geht es nicht.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])
Das ist keine Momentaufnahme, sondern man müsste sich auch einmal überlegen, ob das nicht auch eine Art Fehlerver meidungskultur der Landesregierung ist. Man könnte doch zu nächst einmal vor der eigenen Haustür kehren. Denn wer es hinbekommt, in Kanada über die Abschottungspolitik der USA zu reden, der betreibt genau diese Fehlervermeidungs kultur für sich selbst.
Meine Damen und Herren, das kann nicht die Lösung für Ba den-Württemberg sein. Hier muss, auch im Landtag von Ba den-Württemberg, die Frage der Handelsschranken für die ba
den-württembergische Wirtschaft und ihre Beschäftigten the matisiert werden. Wir haben ein evidentes Interesse daran, und ich bin gespannt, was Sie oder die Landesregierung – ich bin gespannt, wer antworten wird – dazu sagen. Denn wir alle ha ben es verdient, dass solche Reisen genutzt werden, um die drängenden Probleme anzugehen.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Heute Morgen ergreifen wir gern die Gelegenheit, die die FDP/DVP uns hier geboten hat, über die erfolgreiche Reise von Ministerpräsident Kretschmann und seiner Delegation nach Kalifornien und Kanada zu sprechen.
Die Rede des Kollegen Schweickert gerade war fast genauso schräg wie der Titel der Aktuellen Debatte der FDP/DVP, der da lautet: „Exportland Nr. 1 trifft auf Freihandelsfeind“. Was soll das eigentlich heißen? Der Herr Ministerpräsident hat mit einer großen Delegation Kalifornien und Kanada besucht. Sind Kalifornien und Kanada Feinde des Freihandels oder Feinde von Baden-Württemberg? Meine Damen und Herren, es ist die große Leistung dieser Regierung, dass wir in Kali fornien und Kanada Partner gesucht und gefunden haben.
Gerade eigenständige Beziehungen auch zu Kanada sind doch in diesen Zeiten besonders wichtig. Kanada wurde aber jetzt vom Kollegen Schweickert als bloßes „Drittland“ im Verhält nis zu den USA abgewertet. Das kann ich in keiner Weise ver stehen.
Mit diesen Partnern arbeiten wir zusammen, zum Wohl unse res Landes. Der Ministerpräsident und Governor Brown – Governor Brown hat ja hier an dieser Stelle schon zu uns ge sprochen – haben die Grundakte für ein umfassendes Partner schaftsabkommen unterzeichnet, und das ist gut so. Wir er möglichen den Unternehmen und den Hochschulen in unse rem Land darüber hinaus auch, dass sie auf der Grundlage un serer Zusammenarbeit selbstständig Partner finden. Das ist die Botschaft; das ist das Ergebnis dieser Reise.
Während also die FDP nach Feinden sucht, erarbeiten wir uns Partnerschaften. Ich denke, daran sieht man ganz gut, warum wir, Grün-Schwarz, gut regieren und warum Sie in der Oppo sition sind. Man sieht auch, welche Haltung hinter Ihrer Ent scheidung steht, im Bund nicht regieren zu wollen.
Kalifornien ist ein hoch dynamisches Land und ein für uns sehr wertvoller Kooperationspartner. Das Land ist, für sich betrachtet, die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Natürlich können Sie sagen: Kalifornien gehört zu den USA, und Trump ist ein Protektionist.
(Zuruf: Ein Populist! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Falsch! – Gegenruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ruhe!)
Das stimmt. Aber, Kolleginnen und Kollegen, ich stelle für meine Fraktion und sicher auch für die ganze Koalition fest: Die USA sind in keiner Weise unser Feind. Wir lehnen diese Wortwahl der FDP/DVP ab.
Die Landesregierung hat mit dieser Reise beispielhaft gezeigt, wie Baden-Württemberg als Exportland Nummer 1 internati onal erfolgreich zusammenarbeitet. Wir leben die transatlan tische Partnerschaft auf unterstaatlicher Ebene, auf der Ebe ne unseres Landes. Wir treiben gemeinsame Initiativen wie die erfolgreiche „Under2 Coalition“ voran, und wir vertiefen – gerade in Zeiten nationaler Alleingänge von Trump – die Partnerschaft mit Kalifornien. Genau das ist das richtige Zei chen.
Wir werden mit dieser erweiterten Partnerschaft zentrale Fra gen unserer Zeit, unserer Wirtschaft, unseres Standorts – der in der Globalisierung steht –, Fragen zur Transformation im Verkehr, zum Klimaschutz, zu künstlicher Intelligenz gemein sam angehen. Wir führen den transatlantischen Dialog, und zwar nach vorn gewandt.