Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

Ich glaube, ich verrate hier auch niemandem ein Geheimnis – niemandem. Ein Untersuchungsausschuss kann Beweisauf nahmen durchführen. Das tut er. Im Übrigen: Die Kommissi onsmitglieder – damit da kein Irrtum aufkommt – wurden nicht auf Antrag der Grünen oder der CDU geladen, die Kom missionsmitglieder wurden auf Antrag von SPD und FDP/ DVP geladen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Spielen Sie also hier kein Spiel, versuchen Sie nicht, ein Bild zu zeichnen, das irgendwie der Opposition einen unangemes

senen Umgang mit dem Untersuchungsausschuss unterstellt. Der Untersuchungsausschuss bleibt ein wichtiges Instrument für diesen Landtag.

(Abg. Sascha Binder SPD: Unser Beweisantrag! Ihr wollt es gar nicht hören, sonst hättet ihr einen Be weisantrag gestellt! Ganz einfach!)

Aber der Untersuchungsausschuss wird am Ende kein Urteil sprechen. Der Untersuchungsausschuss wird einen Abschluss bericht vorlegen, und dieser Abschlussbericht wird politische Wertungen der Parteien und Fraktionen enthalten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn Sie als Parlamenta rier, als Teil dieses Landtags Ihre Aufgabe ernst nehmen, dann sollten Sie sich gut überlegen, ob Sie aus Gründen der Par teiräson oder der Fraktionsdisziplin die schützende Hand über eine Ministerin halten, die dem Parlament die Unwahrheit sagt, oder ob Sie Ihrer Verantwortung als Parlamentarier des Landtags von Baden-Württemberg gerecht werden.

Herr Kollege Reinhart, es ist nicht nur das gute Recht der Op position, einen Entlassungsantrag zu stellen, es ist sogar die Pflicht auch von Abgeordneten der Regierungsfraktionen, ent sprechend zu handeln, wenn es geboten ist. Und es ist gebo ten.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der AfD)

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen, ist es der richtige Zeitpunkt, diesen Entlassungsantrag zu stellen.

SPD und FDP/DVP haben den Antrag eingebracht, weil hier in deutlichster Weise Verletzungen des Rechts durch Frau Mi nisterin Bauer vorliegen. Ich kann all denen, die sich heute so sehr auf den VGH konzentriert haben, nur eines sagen: Das, was hier in der Urteilsbegründung steht, sind keine rechtli chen Bewertungen, sondern ist die Analyse des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht Stuttgart. Ich kann mir über haupt nicht vorstellen, weshalb der VGH in Mannheim aus den vorliegenden Schriftstücken andere Schlüsse ziehen soll te als das Verwaltungsgericht Stuttgart.

Alle, die sich auf den VGH beziehen, kann ich schon heute auffordern, klar Stellung zu beziehen, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vorliegt. Denn der Verwaltungsgerichtshof wird dieses Urteil des Verwal tungsgerichts Stuttgart bestätigen. Herr Ministerpräsident, Sie haben heute eine große Chance verpasst.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, wir haben am heutigen Tag – das ist immerhin das Ergebnis einer ertragreichen Debatte – drei Dinge gelernt.

Erstens: Sollte der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Ver waltungsgerichts Stuttgart bestätigen, muss die Ministerin – spätestens dann – zurücktreten.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Völlig klar!)

Zweitens: Der Ministerpräsident steht voll hinter der Minis terin. Er spricht ihr sein vollstes Vertrauen aus –

(Zurufe von der SPD: Nur sein „volles“! – Abg. Sa bine Wölfle SPD: Ohne „vollstes“! – Weitere Zurufe)

so ähnlich wie das Präsidium eines Fußballbundesligisten ge genüber dem Trainer. Mal schauen, in welche Richtung es geht.

Und das Dritte – bemerkenswert –: Der Ministerpräsident spielt gelegentlich Klavier.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Vielleicht können wir bei Gelegenheit einmal hören, Herr Mi nisterpräsident, wie sich das anhört.

(Zuruf von der AfD: Keine Drohungen!)

Ich nehme an, wenn der Ministerpräsident mal eine Probe sei ner Kunst abliefert, wird ein Satz des Schriftstellers Georges Moineau in den Sinn kommen, der gesagt hat: „Auf das Kla vierspielen müssten zwei Steuern erhoben werden: eine zu gunsten des Staates und eine zweite zugunsten der Nachbarn.“

(Heiterkeit)

Herr Ministerpräsident, das ist wahrscheinlich Ihr Beitrag zum Klavierspiel.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das war jetzt aber schwach!)

Jedenfalls haben wir am heutigen Tag gehört, dass Sie das Er gebnis schon vorwegnehmen. Kollege Stoch hat es schon ge sagt: Uns machen Sie den Vorwurf: „Sie warten gar nicht ab, wie das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ausgeht. Sie berufen sich nur auf das Urteil einer ersten Instanz. War ten Sie doch erst einmal ab, bis wir ein rechtskräftiges Urteil haben.“ Daraus habe ich geschlossen: Wenn wir dann ein rechtskräftiges Urteil haben und der Verwaltungsgerichtshof das Urteil bestätigt, muss die Ministerin zurücktreten.

Ihre Reaktion, Herr Ministerpräsident, war gerade eine ande re. Heißt das, dass Sie dann auch ein rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ignorieren und sagen: „Der Verwal tungsgerichtshof hat zwar festgestellt, ich habe eine Ministe rin, die ihrer Fürsorgepflicht nicht gerecht wird, ich habe ei ne Ministerin, die die Öffentlichkeit belogen hat, die das Par lament belogen hat, die einen Untersuchungsausschuss belo gen hat, ich halte aber trotzdem an ihr fest“? Können wir das so verstehen, Herr Ministerpräsident? Oder versteinern Sie jetzt, damit aus Ihren Reaktionen keine Schlussfolgerung ge zogen werden kann? Das hätten wir schon gern gewusst.

Die Kollegen Schwarz und Reinhart haben anschließend noch Gelegenheit, sich zu der Frage zu äußern, was daraus folgt, wenn der Verwaltungsgerichtshof zum selben Ergebnis kommt wie das Verwaltungsgericht. Geben Sie sich keiner Illusion

hin, wenn Sie den Vergleich mit dem Schnellverfahren zie hen. Warum nämlich ist das Schnellverfahren anders ausge gangen? Weil dieselbe Ministerin Akten unterschlagen hat und diese Akten dem Gericht nicht zur Verfügung gestellt worden sind. Aber jetzt haben die Gerichte diese Akten. Jetzt ist die Aktenlage des Verwaltungsgerichtshofs dieselbe wie die Ak tenlage des Verwaltungsgerichts.

Es würde dieses Haus und die Öffentlichkeit wahrscheinlich schon interessieren, meine Damen und Herren: Was passiert, wenn Sie am heutigen Tag mit der Begründung, es gebe noch kein rechtskräftiges Urteil, diesen Entlassungsantrag ableh nen, der Verwaltungsgerichtshof dieses Urteil aber bestätigt? Das würde uns schon interessieren. Dann würde nämlich die se Argumentation, auf die Sie sich am heutigen Tag hilfswei se berufen, nicht mehr gelten.

Oder ist es dann so, dass Sie zu dem Ergebnis kommen: „Macht nichts, es geht trotzdem weiter“?

Urteile darf man ja kritisieren. Das haben Sie mir am heuti gen Tag freundlicherweise konzediert, Herr Ministerpräsident. Sie haben gesagt: „Urteile muss man umsetzen, aber man muss mit der Begründung nicht einverstanden sein.“ Das ha ben Sie am heutigen Tag demonstriert – genauso der Kollege Schwarz und in der Vergangenheit schon Ihre Ministerin, die diese Urteile als „absurd“ bezeichnet haben.

Interessant ist, dass Sie mich noch im Juli für dieselbe Kritik an einem Urteil desselben Gerichts als einen Verfassungsfeind gebrandmarkt haben, nicht?

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Ich habe vorhin zitiert, was der Kollege Schwarz damals ge sagt hat.

Aber wenn es um Ihre eigene Regierung geht, um Ihre eige ne Ministerin, dann ist alles egal. Dann darf man diese Urtei le nicht nur kritisieren, sondern – wie aus Ihrer Reaktion zu schließen ist – Sie haben sich schon vorgenommen, diese Mi nisterin auch dann im Amt zu halten, wenn der Verwaltungs gerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt. Ge nau dies haben Sie dann am Ende ja auch erläutert – der Kol lege Stoch hat darauf hingewiesen –, indem Sie gesagt haben, dieser Ministerin wird man nichts am Zeug flicken können. Sie werden sie auf Teufel komm raus im Amt halten wollen. Mal sehen, ob das gelingt, Herr Ministerpräsident. Spätestens nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs sehen wir uns dann wieder.

Herr Kollege Reinhart, Sie sprachen von einem Schwert, das stumpf zu werden drohe. Es wird stumpf, wenn man es nicht effektiv verwendet. Ich kann Ihnen nur verraten: In meiner Amtszeit als Fraktionsvorsitzender – das sind jetzt fast zehn Jahre –

(Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

habe ich eine Erfolgsquote von 100 %, was das anbelangt.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP)

Wir haben nämlich im Unterschied zur CDU-Fraktion nur bei dem Entlassungsantrag gegen Frau Warminski-Leitheußer mitgemacht. Die CDU-Fraktion hat in der letzten Legislatur

periode noch eine ganze Reihe weiterer Entlassungsanträge gestellt – gegen Nils Schmid,

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Deshalb lächelt der Kollege Stoch so!)

gegen Herrn Stickelberger usw. Also Ihr Schwert war am En de ein stumpfes Kurzschwert, Herr Kollege Reinhart,

(Heiterkeit)

während wir bisher eine Erfolgsquote von 100 % haben. Wir werden einmal sehen, wie sich das nach dem heutigen Entlas sungsantrag weiterentwickelt, wenn Sie dann brav die Hand heben und sagen: „Der Ministerpräsident hat befohlen, der Antrag ist abzulehnen.“ Wir werden sehen, wie sich dies wei terentwickelt.

Herr Ministerpräsident, Sie sprachen davon: „Audiatur et al tera pars“ – höre auch die andere Seite. Kollege Stoch hat schon ausgeführt: Wir sind nicht diejenigen, die die Aufklä rung behindern. Den Untersuchungsausschuss haben wir ein gesetzt, nicht Sie, und die entsprechenden Zeugen werden von uns geladen, nicht von den Regierungsfraktionen, die nur ein begrenztes Aufklärungsinteresse haben.