Protokoll der Sitzung vom 29.06.2016

Das Problem ist: Ich komme halt nicht auf den Linksterrorismus zu sprechen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Abg. Berg, bitte.

Herr Minister, zunächst ein mal herzlichen Dank für Ihre Geduld.

Eine ganz allgemeine Feststellung: Ich bin mir sehr sicher, dass die AfD-Fraktion die Arbeit des LfV, des LKA und der Polizeibehörden sehr wertschätzt.

Nun zu meiner Frage: Teilen Sie die Ansicht des Kollegen Binder, dass mit der Aufstockung von Personal im LfV und mit einigen zusätzlichen politischen Seminaren tatsächlich ei nige Hundert Gefährder in Baden-Württemberg in Schach ge halten werden können?

Zunächst einmal: Es ist schön, dass Sie einen ge wissen Respekt gegenüber dem Landesamt für Verfassungs schutz erkennen lassen. Bei Ihrem Fraktionsvorsitzenden hat sich das nicht ganz so angehört, aber das können Sie ja inner fraktionell durchaus klären.

Zum Zweiten: Ich habe weder den Kollegen Binder noch den Kollegen Dr. Kern so verstanden, dass es da irgendwie um Chichi geht, sondern beide haben gesagt – das ist gut und wichtig –, dass sie sich angesichts der Terrorlage – insbeson dere der, die wir in diesem Land haben – für eine personelle Verstärkung des Landesamts für Verfassungsschutz ausspre chen. Da das natürlich etwas ist, was mit Stellen und mit Per sonal zu tun hat, bin ich für diese Aussagen, die gemacht wor den sind, außerordentlich dankbar.

Ja, wir werden das Landesamt für Verfassungsschutz aus gu tem Grund stärken: personell, mit Sachmitteln und mit Mög lichkeiten. Wir werden natürlich auf den Landtag von BadenWürttemberg zugehen und Sie beim Personal, bei den Sach mitteln und den Möglichkeiten für das Landesamt um Ihre freundliche Unterstützung bitten – gerade auch Sie in der Op position.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Sie haben mich richtig verstanden!)

Ich habe Sie richtig verstanden; dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe auch sehr genau zugehört.

Lassen Sie mich noch einige Sätze zum Thema Rechtsextre mismus sagen und hierbei auch noch ein Wort an den Vorsit zenden der AfD-Fraktion richten: Ich fand Ihre Äußerungen zum Rechtsextremismus ein bisschen mit leichter Hand ge troffen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist halt so!)

Ich finde dieses Thema gerade in Baden-Württemberg wich tig. Das gilt möglicherweise gerade in meiner Heimatstadt Heilbronn, in der eine Polizistin ermordet wurde, wobei vie les dafür spricht, dass die Ermordung dieser Polizistin einen rechtsterroristischen Hintergrund hat.

Der Rechtsterrorismus hat in der Bundesrepublik eine Blut spur von zehn Morden hinterlassen. Diese besitzen klare Be züge in das Bundesland Baden-Württemberg. Ich fand, Sie machen es sich schon sehr leicht, wie Sie dem Landesamt für Verfassungsschutz vorwerfen, sich mit dem Rechtsextremis mus zu beschäftigen. Das ist angesichts dessen, was in Deutsch land geschehen ist, unter keinem Gesichtspunkt zu verantwor ten, lieber Herr Meuthen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Es ist im Übrigen auch unter dem Gesichtspunkt – daher ste he ich hinter dem Landesamt für Verfassungsschutz – seiner Tätigkeit in Bezug auf den rechtsextremistischen Bereich nicht zu verantworten. Die Zahl der Rechtsextremisten in die sem Land ist zwar mit knapp 2 000 konstant geblieben, aber die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straf- und Ge walttaten hat sich sehr deutlich gesteigert. Das kann ein Amt nicht ignorieren.

Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straf- und Ge walttaten hat sich von 865 auf 1 484 erhöht; die Zahl der Straf taten gegen Asylunterkünfte hat sich im Jahr 2015 bundesweit verfünffacht. In Baden-Württemberg wurden im vergangenen Jahr 70 Straftaten gegen Asylunterkünfte – darunter neun Ge walttaten – begangen. Straftaten gegen Asylunterkünfte sind

für die Polizei und auch den Dienst schwer zu erfassen, weil sie häufig keine tiefe ideologische Verwurzelung haben. Es handelt sich vielmehr um Taten im Zusammenhang mit dem Entstehen eines Flüchtlingswohnheims in der Nachbarschaft oder im Dorf.

Gleichwohl müssen wir befürchten, dass sich diese Entwick lung fortsetzen wird. Das hat natürlich auch etwas mit der ag gressiven Agitation bestimmter Kreise gegen Flüchtlinge zu tun. Das ist der Konsens des gesamten rechtsextremistischen Lagers, das an und für sich sehr heterogen ist. Sie sind sich alle in der Hetze gegen das Fremde und gegen Flüchtlinge ei nig.

Rattenfänger aus dem rechtsextremistischen Lager werden auch in der Zukunft in ihren Anstrengungen nicht nachlassen, gegen Migranten zu hetzen und Ablehnung zu schüren. Na türlich haben diese Agitation und diese Aggression etwas mit fremdenfeindlichen Straftaten gegen Ausländer, Migranten, Asylbewerber und Flüchtlingsheime zu tun. Aus gutem Grund wird das Landesamt für Verfassungsschutz dies auch in Zu kunft im Auge haben.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD und der Abg. Gabriele Reich-Gut jahr FDP/DVP – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Hof fentlich! Das wünschen wir!)

Wir wollen solche Straftaten in Baden-Württemberg nicht ha ben.

Herr Professor Meuthen, wenn Sie nicht nur die Seiten ge zählt haben, sondern auch auf den Inhalt geschaut haben, konnten Sie lesen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz feststellt, dass die Zahl der Straftaten im linksextremistisch motivierten Bereich erheblich gestiegen ist – das können Sie dort nachlesen –, nämlich von 496 im Jahr 2014 auf 522 im vergangenen Jahr. Noch stärker ist die Zahl linksextremisti scher Gewalttaten gestiegen, und zwar von 78 auf 135.

Ich füge persönlich etwas hinzu: Sehr häufig sind die Gewalt taten aus dem linksextremistischen Bereich Gewalttaten ge gen Polizistinnen und Polizisten. Diese Polizistinnen und Po lizisten sind für uns alle im Einsatz. Sie arbeiten für unsere Freiheit und für unsere körperliche Unversehrtheit. Deswe gen ist ein Angriff gegen eine Polizeibeamtin oder einen Po lizeibeamten immer ein Angriff gegen die gesamte Gesell schaft. Deswegen ist es wichtig, dass wir ein besonderes Au ge darauf haben, und genau das macht das Amt.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Es ist im Übrigen wichtig, dass wir den Linksextremismus und den Rechtsextremismus wie den Islamismus gleicherma ßen im Auge behalten, weil wir natürlich befürchten müssen, dass diese unterschiedlichen extremistischen Lager sich in der Auseinandersetzung auch hochschaukeln können. Deswegen wollen wir gar nicht, dass eine solche Spirale entsteht, bzw. wollen sie, wo es sie gibt, durch ein wirkungsvolles und ent schlossenes Handeln durchbrechen.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Dazu gehört die Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutz als ein – das ist von meinen Vorrednern gesagt worden – Früh

warnsystem unserer Demokratie. Deswegen ist es notwendig, dass wir das Landesamt für Verfassungsschutz angesichts der gestiegenen Bedrohung – das hat, wie ich finde, der Kollege Sckerl nachvollziehbar und richtig – –

(Zurufe von der SPD: Ui!)

Ja klar, wenn sich die Welt verändert, insbesondere wenn sich die Bedrohungslage verändert,

(Zurufe von der SPD: Ui!)

dann fände ich es – – Schade, Herr Drexler, dass Sie sich gar nicht mehr verändern.

(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der SPD: Ein Hin und Her wegen des „Ui“! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ich habe Ihnen zuge hört! – Glocke des Präsidenten)

Nein, Sie haben jedenfalls nicht nur zugehört, sondern Sie haben auch dazwischengerufen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein, bei Ihnen gera de noch nicht! – Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist so ähnlich, wie wenn Herr Zimmermann dazwischen ruft! – Weitere Zurufe, u. a.: Das ist ein Grundrau schen!)

Lieber Herr Drexler, ich kenne Sie an und für sich als jeman den, der wirklich immer hinreichend geistige Flexibilität auf gewiesen hat,

(Heiterkeit)

und im jugendlichen Alter geht das ja weiter. Deswegen wer den auch Sie erkennen, dass sich die Welt verändert,

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

dass die Bedrohung zunimmt. Und wenn die Bedrohung zu nimmt, dann müssen wir unsere Sicherheitsbehörden stärken, dann müssen wir auch das Landesamt für Verfassungsschutz stärken –

(Abg. Sascha Binder SPD: Wir haben damit kein Pro blem!)

personell, in seinen sächlichen Mitteln und in den Möglich keiten, die dieses Amt hat.

(Unruhe)

Ich freue mich auf Ihre Unterstützung, wenn wir demnächst mit konkreten Maßnahmen auf den Landtag von Baden-Würt temberg zukommen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Trotz der Ernst haftigkeit des Themas – dies war ja meine erste Debatte im Landtag von Baden-Württemberg – bedanke ich mich auch für die Lebhaftigkeit. Im Deutschen Bundestag ist es so: Wenn einer das erste Mal redet, dann gibt es einen Konsens, dass man keine Zwischenrufe macht,

(Zurufe)

um den Redner nicht durcheinanderzubringen. Das war bei mir nicht nötig, sondern ich fand es sehr erfrischend, dass die

Debatte, obwohl wir ein ernstes Thema hatten, so lebhaft ge wesen ist.

Herzlichen Dank.