Nun, die Debatte um das Vergaberecht, wie wir gerade gehört haben, zeigt schon ein Stück weit diesen Spannungsbogen. Dieser Antrag der Grünen stammt aus einer ganz frühen Zeit, nämlich vom Dezember 2016. Die Stellungnahme des Wirt schaftsministeriums datiert vom 8. März 2017; 18 Monate später behandeln wir sie jetzt im Plenum.
Worum ging es den Grünen? Sie wollten wissen, ob ihre stra tegischen Ziele auch wirklich verfolgt werden und ob die Eva luation zeigt, dass da etwas vorangeht. Gut, vorweggenom men: Eine Evaluation in dieser Form hat nicht stattgefunden.
Was waren die Ziele? Verstärkt fair, sozial und ökologisch ein zukaufen, KMUs gezielt zu unterstützen und zu fördern, die alte Beschaffungsplattform Büroshop in eine zeitgemäße Lö
sung umzuwandeln, eine zentrale Beschaffungsstelle für Ba den-Württemberg anzudenken, bei der Ausschreibung öffent licher Gebäude Recyclingbaustoffe zu berücksichtigen und natürlich festzustellen, ob – eine wichtige Frage – die Mitar beiter ausreichend geschult sind, um mit diesem komplexen Sachverhalt auch umgehen zu können, denn Einkaufen ist jetzt schwierig geworden.
Die Stellungnahme des Ministeriums ist umfangreich und zeigt einen gewissen Pragmatismus, der bei diesem Thema auch angemessen ist. Man darf weder Mitarbeiter noch An bieter mit idealistischen Anforderungen überfordern.
Wie eng die Gratwanderung ist, zeigt sich in der Stellungnah me zu Ziffer 1 des Antrags. Dort wird mitgeteilt, dass teilwei se nur sehr wenige Angebote eingingen und der Wettbewerb dadurch eingeschränkt war, dass sich der Aufwand für die Be teiligten erhöht hat und dass es einfach Grenzen gibt bei spe ziellen Beschaffungen mit besonderen Spezifikationen.
Hinweisen darf ich an dieser Stelle auch darauf, dass das von der grünen Fraktion hier angemahnte bzw. angefragte Ziel der Verstärkung einer zentralen Beschaffung nach meiner Erfah rung im Kontrast zur Vergabe an kleine und mittlere Unter nehmen steht. Aus der betrieblichen Praxis kann ich sagen, dass Zentralisierung immer zu Bündelung führt. Dadurch wird die Beschaffung zwar wirtschaftlicher, aber die starke Ver handlungsposition, die man dadurch auch erreichen möchte, um niedrigere Preise zu erzielen, führt eigentlich dazu, dass man auf der anderen Seite auch größere Partner sucht. Die kleinen und mittleren Unternehmen können hier in der Regel nicht mithalten. Der Staat ist jedoch darauf ausgerichtet – das sagt das Wirtschaftsministerium auch –, wirtschaftliche Haus haltsführung zu gewährleisten. Deswegen besteht zwischen der zentralen Beschaffung und dem Ziel, kleinen und mittle ren Unternehmen Gutes zu tun, meines Erachtens ein großer Konflikt. Wir werden im Auge behalten, wie gut Sie damit umgehen.
Wir unterstützen die Haltung des Wirtschaftsministeriums, dass man auf bestehende Gütezeichen und -standards wie den „Blauen Engel“, ISO-Zertifizierungen und Ähnliches zurück greift. Man könnte es mit einem Kürzel aus der Wirtschaft sa gen: KISS – Keep it simple, stupid. Dann braucht man nicht so viele Schulungen, und man braucht für die Beschaffung auch keinen Akademiker, um sich in dem vielfältigen Güter wirrwarr noch zurechtzufinden.
Zum 1. Oktober ist ja nun die vorher schon genannte neue Ver waltungsvorschrift in Kraft getreten, die diesen zurückliegen den Spannungsbogen zwischen der grün-schwarzen Regie rung auch ein Stück weit sichtbar machte. So berichteten die „Stuttgarter Nachrichten“ am 20. Dezember über einen schwe lenden Konflikt innerhalb der Landesregierung in der Frage, ob man bei öffentlichen Aufträgen von der Wirtschaft höhere Ökostandards verlangen soll.
Aus dem Umweltministerium von Herrn Untersteller soll die Forderung gekommen sein, bei Aufträgen bis 221 000 € künf tig zu prüfen, ob Firmen nach Ökokriterien arbeiten. Insbe sondere die Unternehmen haben damals vor mehr Bürokratie gewarnt. Das hätte auch klar der Vereinbarung im Koalitions vertrag, kleine und mittlere Unternehmen zu berücksichtigen, widersprochen.
Der Dissens zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium zeigt sich auch bei der Beschaffung von Recyclingpapier. Da wurde ewig lang diskutiert, welche Qualitätsnormen dieses nun erfüllen soll. Auch das ist jetzt offensichtlich einvernehm lich geklärt worden.
Über die Verköstigung in den Kantinen wurde bereits berich tet. Kollege Hahn hat ja dargestellt: Der Anteil der Biopro dukte soll 20 % betragen. Das ist eine schöne Zahl, aber zu Recht sagt das Wirtschaftsministerium: Das geht natürlich nur, wenn es preislich und qualitativ bei den Kunden auch Akzep tanz findet, sonst nützt so eine Idee nichts.
Deshalb muss man dem Wirtschaftsministerium dankbar sein für die Öffnungsklausel der neuen Verwaltungsvorschrift, die es laut Presseberichten nach monatelangen Verhandlungen nun durchgesetzt hat. Demnach sind nachhaltige Aspekte nur zu berücksichtigen, soweit diese mit verhältnismäßigem Auf wand einhergehen und sachgerecht sind.
Kurzum: Es ist klar, dass bei einem Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand von bundesweit schätzungsweise 400 Mil liarden € auch strategische Zielsetzungen einfließen müssen, um damit Politik zu machen. Vorsicht ist aber dann geboten, wenn der Wettbewerb verzerrt ist und übersteigerte Anforde rungen statuiert werden.
Wir werden die neue Verwaltungsvorschrift daran messen, wie sich die Abwicklung öffentlicher Beschaffungen in der Praxis darstellt und ob sie der Vereinbarung im Koalitionsvertrag von Grün-Schwarz entspricht – ich zitiere –:
Wir wollen das Vergaberecht so vereinfachen, dass sich auch kleinere und mittelständische Unternehmen einfa cher an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen können. Davon profitieren die öffentliche Hand, Mittelstand und Handwerk.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die nachhaltige Be schaffung ist für uns, die Landesregierung von Baden-Würt temberg, ein wichtiges Ziel. Das ist, glaube ich, unbestritten.
Die Stellungnahme zum vorliegenden Antrag zieht Bilanz über die nachhaltige Beschaffung durch unsere Landesein richtungen. Die Beantwortung des Antrags ist heute aber in einigen Punkten leider nicht mehr ganz aktuell. Zwischenzeit lich hat sich unsere Bilanz verbessert, die Entwicklungsmög lichkeiten hin zu einer noch nachhaltigeren Beschaffung wur den genutzt.
Meine Damen und Herren, mit dem Begriff Nachhaltigkeit werden oft überwiegend umweltbezogene und soziale Aspek te in Verbindung gebracht. Nachhaltiges Handeln bedeutet aber ökonomisches, soziales und ökologisches Handeln. Des halb gehen die Beschaffungsregeln des Landes weiter. Nach haltigkeit heißt in diesem Zusammenhang eben, dass neben sozialen und umweltbezogenen Aspekten auch innovative und vor allem wirtschaftliche Aspekte gleichrangig bei der Be schaffung zu berücksichtigen sind. Nachhaltige Beschaffung bedeutet daher für mich als Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, dass die wirtschaftliche Leistungsfähig keit ebenfalls im Mittelpunkt steht, und das alles in einer glo baleren Perspektive.
Klar ist: Die Berücksichtigung all dieser Aspekte stellt eine Herausforderung dar, welcher wir uns aus Verantwortung ge genüber den heutigen und zukünftigen Generationen stellen müssen und auch gern stellen wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Nachhaltigkeit ist bei der öffentlichen Beschaffung inzwischen ein prägendes Thema. Mit der Vergaberechtsreform 2016 wurden erstmals Nachhaltigkeitsaspekte im Vergaberecht verankert. Die Rege lungen zur Berücksichtigung von Aspekten der Nachhaltig keit ziehen sich wie ein roter Faden durch das neue Vergabe recht, wohl abgewogen zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Aspekten.
Diese gesetzlich verankerten Grundsätze haben wir in die für die Behörden und Betriebe des Landes Baden-Württemberg seit 1. Oktober dieses Jahres geltende neue Verwaltungsvor schrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Auf träge übernommen. Damit haben wir die Grundlage für eine verantwortungsvolle und moderne öffentliche Beschaffung geschaffen.
Die öffentliche Beschaffung hat aber noch andere Facetten. Ich finde es wichtig, dass sie auch heute zur Sprache kommen. Die öffentliche Beschaffung ist vor allem ein wichtiges Ele ment für die Gesamtwirtschaft und ist ganz entscheidend für das Ausgabeverhalten eines Landes.
Zu den zentralen Kriterien der Beschaffung gehört zum einen: Das Vergaberecht muss fairen Wettbewerb garantieren. Die im Vergaberecht verankerten Gebote der Gleichbehandlung, der Transparenz, Sparsamkeit und Verhältnismäßigkeit sichern einen fairen Wettbewerb, und sie verhindern Korruption. Nur wenn Unternehmen wissen, dass sie faire Chancen haben, gibt es auch viele Bewerberinnen und Bewerber; sonst nützen uns die ganzen Ausschreibungen am Ende des Tages ja auch nichts. Das ist wichtig für die öffentliche Hand, damit sie gu te und innovative Angebote erhält.
Zum Zweiten: Vergaberecht sichert eine wirtschaftliche Be schaffung. Es ist uns jetzt gelungen, Bürokratie abzubauen. Das Vergaberecht will den Beschaffungsbedarf durch die wirt schaftliche Verwendung von Haushaltsmitteln decken. Öffent liche Mittel müssen effizient und effektiv ausgegeben werden. Den Zuschlag erhält daher das wirtschaftlichste Angebot, und das ist nicht zwangsläufig das Angebot mit dem niedrigsten Preis. Die Beschaffung soll grundsätzlich nach einem optima len Preis-Leistungs-Verhältnis vorgenommen werden. Zum
Zum Dritten: Das Vergaberecht ist vor allem auch für den Mit telstand wichtig. Jährlich vergibt die öffentliche Hand Aufträ ge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrags. Das ist eine enorme Marktmacht, und mit dieser enormen Marktmacht ist die öffentliche Auftragsvergabe ein bedeutender Wirtschafts faktor mit erheblicher marktwirtschaftlicher Bedeutung.
Viertens: Darüber hinaus hat das öffentliche Beschaffungswe sen auch eine Vorbildfunktion für Unternehmen und private Verbraucher. Durch eine gezielte Nachfrage und Standards, die dabei gefordert werden, geht die öffentliche Hand mit gu tem Beispiel voran. Deshalb: Nachhaltigkeit ist wichtig. Aber darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass die öffent liche Beschaffung weit mehr ist. Die nachhaltige Beschaffung muss ganzheitlich betrachtet werden.
Meine Damen und Herren, die Schaffung rechtlicher Grund lagen ist das eine, die konkrete und verantwortungsvolle An wendung ist das andere. Dies wird durch Schulungen und In formationsmöglichkeiten sichergestellt, um die neuen Verga beregeln dann auch entsprechend in der Praxis umsetzen zu können. Diese Fortbildungsveranstaltungen werden vom Um weltministerium organisiert und gemeinsam mit dem Wirt schaftsministerium, dem Finanzministerium, dem Innenmi nisterium und dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz fachlich unterstützt. Die Schulungsoffen sive ist für uns auch ein weiterer wichtiger Schritt, dem The ma „Berücksichtigung von strategischen Aspekten bei Aus schreibungen“ die notwendige Aufmerksamkeit dann auch in der konkreten Umsetzung in der Praxis zu widmen.
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 16/1259. Der Antrag ist ein reiner Be richtsantrag und kann hiermit für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen dem zu.
Antrag der Fraktion der AfD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Kultus, Jugend und Sport – Deutsch als verpflichtende Umgangssprache an Schulen („Schulhof sprache“) – Drucksache 16/1526
Auch hierzu hat das Präsidium für die Begründung fünf Mi nuten und für die Aussprache fünf Minuten Redezeit je Frak tion festgelegt.
Manchmal überschlagen sich die Ereignisse, und manchmal bestätigen die Ereignisse auch die Richtigkeit unserer Über legungen und Forderungen. So auch hier.
Als dieser Antrag im Januar 2017 eingereicht worden ist, war es noch möglich, vor der Realität einer steigenden Gewaltbe reitschaft gerade gegenüber deutschen Jugendlichen auf den Schulhöfen die Augen zu verschließen. Heute wissen wir lei der mehr. Seit dem 11. September 2018, seit der Schlägerei bzw. der Auseinandersetzung, wie es so schön heißt, zwischen zwei Jugendlichen an der Eugen-Reintjes-Schule in Hameln,