wissen wir: Grund der Auseinandersetzung war offenbar die Bitte eines Mitschülers, bei einem Chat der Klassengruppe auf einem Messenger auf Deutsch zu kommunizieren, damit auch er alles verstehen könne – ein Klassenchat an einer deut schen Berufsschule. Der Jugendliche, der diese Kommunika tion auf Deutsch wünschte, wurde verprügelt. Einzelfall? Oder die Spitze eines Eisbergs? Haben wir es hier möglicherweise mit einem eklatanten Versäumnis der Schulbehörden zu tun, die nicht rechtzeitig genug die Verbindlichkeit der deutschen Sprache, der Verständlichkeit in allen Schulen in den betref fenden Bereichen eingefordert haben?
Sprache ist Integration, meine Damen und Herren, und diese fordern wir immer. Diese fordern wir und Sie ja wohl auch.
Herr Balzer, Sie sagen, dass die deutsche Sprache eine wichtige Voraussetzung für die Integ ration darstellt. Können Sie uns dann erklären, warum Sie, die AfD, Flyer auf Russisch verteilen?
Liebe Frau Boser, es wäre jetzt übertrieben, wenn ich sagen würde, ich freute mich auf diese Frage und hätte auf sie gewartet. Aber richtig ist, dass es Men schen gibt, die die deutsche Sprache nicht sprechen. Deswe gen haben wir Flyer auf Russisch produziert.
Das heißt aber auch – und ich freue mich, wenn Sie mir beim Rest meiner Rede ganz genau zuhören –, dass wir sehr wohl der Meinung sind, dass auch diese lieben Menschen Deutsch lernen sollten.
Wir reden gern von Integration, und es wird auch Geld dafür gefordert. Das machen auch Sie gern. Es ist aber sehr schwie rig, tatsächlich Integration einzufordern.
Zur Abwehr, nein, zur Antwort auf unsere pragmatische For derung in der Anfrage, Deutsch als Umgangssprache an Schu len verpflichtend festzulegen, hat das Kultusministerium ein ganz dickes Geschütz aufgefahren, nämlich das Grundgesetz. In der Stellungnahme zu unserem Antrag wird die Sprache merkwürdigerweise nicht als das benannt, was sie meist ist, nämlich ein Mittel der Kommunikation, sondern als Mittel des persönlichen Ausdrucks des Individuums. Das trifft ja in be stimmten Bereichen auch zu. Denken Sie an die Kunst, die schöne Literatur, denken Sie an die Sprache – ich will jetzt nicht sagen: der Behörden. Aber ich will doch sagen: Sprache ist im Wesentlichen, im Besonderen in der Schule ein Kom munikationsmittel und soll ja auch – das gilt weltweit – von allen verstanden werden.
Jetzt darf man fragen: Warum eigentlich? Sprache wird gern verwendet, um Menschen auszugrenzen, und Menschen, die die Sprache nicht verstehen, werden ganz konkret von der Kommunikation, das heißt von Informationen, ausgegrenzt.
Durch Sprache werden auch Gruppenzugehörigkeiten mar kiert – in der Tat auch zur russischen Gruppe. Denken Sie an Slang-Ausdrücke, an die Jugendsprache, auch an Dialekte. Soziale Schichten, bestimmte Berufe definieren sich sogar über die Sprache und machen damit deutlich, wer dazugehört und wer nicht dazugehören soll.
Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, achten wir sehr wohl auf die Sprache als Recht der Persönlichkeit auf freie Entfaltung – dort, wo es Hand und Fuß hat, dort, wo es sei nen Platz hat: in der Kunst, in der Musik, in der Dichtung. In der Schule hingegen muss die Sprache Mittel der Integration sein, nicht Mittel der Abgrenzung. Deshalb: Jeder Schüler in Deutschland lernt Deutsch und muss auch Deutsch können.
Sie alle kennen die Auseinandersetzungen zwischen verschie denen Migrantengruppen: gewalttätige Auseinandersetzungen auf der Straße zwischen Türken und Kurden oder Auseinan dersetzungen zwischen Syrern und Afghanen. Unsere Gesell schaft steuert hier auf eine große Gefahr hin. Und Sie – wir – können dem Einhalt gebieten, indem wir dort, wo es möglich ist, wo es in unserer Macht steht, in den staatlichen Instituti onen, Deutsch als verbindliche Umgangssprache festlegen.
Schule ist – das formulieren Sie ja besonders gern – Lebens raum und sozialer Raum. Das ist dann wohl auch der Schul hof. Sprache darf nicht die Trennlinie der Ethnien bilden. Die se bleiben nämlich sonst unter sich und sprechen ihre Spra che; andere gehören dann automatisch nicht dazu.
Meine Damen und Herren, deswegen greift die Begründung des Kultusministeriums mit dem Hinweis auf die Würde des Menschen, auf die Würde der Kinder und Jugendlichen gera dezu ins Leere. Sie, die Schüler, haben nämlich nach Artikel 2 unserer Landesverfassung das Recht auf gewaltfreie Erzie hung und besonderen Schutz. Also darf Ausgrenzung durch die Sprache eben nicht sein.
Also ist logischerweise das Erlernen von Fremdsprachen drin gend geboten. Deutsch lernen als Einschränkung der Freiheits rechte desjenigen fremder Herkunft anzusehen, also gegen die Menschenwürde, ist starker Tobak. Das können Sie nicht wirklich meinen.
Im Übrigen werden wir morgen bei der Aktuellen Debatte zum Thema Konsulatsunterricht genau diese Diskussion für die hier lebenden Ausländerkinder wieder führen müssen.
Im Übrigen beruht Menschenwürde auf der Vernunft. Es heißt bei Cicero, Unsittlichkeit und Ungebührlichkeit führten zum Verlust derselben. – Um die Frage nach dem Russisch noch mal zu beantworten: Die Sprache des Landes, in dem man lebt, und seiner Einwohner zu lernen, ist ein Gebot der Ver nunft. Wenn Sie das logisch weiterdenken, dann können Sie die Schlüsse, die dazu gehören, selbst ziehen.
In Berlin – ich habe vorhin auf Dialekte hingewiesen; wenn Sie zugehört haben, erinnern Sie sich dunkel daran –, wo in vielen Schulen die Probleme dringender sind als bei uns, ha ben einige Schulen auf eigene Initiative Deutsch als Umgangs sprache festgelegt. Diese Spielregeln in den Schulen sind Schadensbegrenzung und Hilferuf in einem. Es ist eine Selbst verpflichtung der Schüler. Die unterschreiben nämlich: „Ich spreche im Unterricht während der Schulzeit, auch in den Pau sen und bei schulischen Veranstaltungen ausschließlich Deutsch.“ Schüler, die diese Verpflichtung nicht unterschreiben, sollen ei ne andere Schule besuchen und haben die Möglichkeit dazu, sagt man in Berlin. Ich darf zitieren:
Schüler und Eltern und Lehrer der Herbert-Hoover-Schu le haben die identitätsstiftende Wirkung der Sprache er kannt, nicht auf staatliche Regulierungen gewartet und den Begriff der Nation durch ihr pragmatisches Verhal ten mit Leben gefüllt.
So die Schule in Berlin. Das sagte übrigens der Senatspräsi dent der Deutschen Nationalstiftung, der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Deutsch als Umgangs sprache und – das wird Sie, liebe Frau Boser, erheitern – Schulkleidung zur Stärkung der gemeinsamen Identität. In der Diskussion wird das dort von den Schülern gefordert.
Bei gemeinsamen identitätsstiftenden Maßnahmen – Sprache, möglicherweise sogar Bekleidung – beschimpfen sich die Schüler untereinander weniger, die Konflikte zwischen Schü lern aus unterschiedlichen Herkunftsländern haben abgenom men. Übrigens: An der dortigen Schule haben 92 % der Schü lerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund, und sie stammen aus 36 Ländern. Die haben Erfahrung mit dem The ma.
Die gemeinsame Sprache ist auch Prävention; denn die eth nisch getrennten Gruppen auf dem Schulhof werden im Frei zeitbereich zu Cliquen und später zu Gangs. Ich habe vorhin schon angedeutet: Dies birgt große Gefahren für ethnisch ge
Die Schwierigkeiten einer Überwachung, liebe Kollegen von der FDP/DVP, haben wir natürlich auch erkannt. Das ist kei ne Frage.
Aber darum geht es ja nicht. Man kann das nicht einfach über wachen. Aber darum geht es nicht. Das Ziel ist ein gangbarer Weg mit wirksamen Schritten, um das soziale Miteinander zu verbessern, und dieses Ziel muss man ins Auge nehmen.
Ja. – Wenn das Kultusministerium nicht handelt, wenn wir in dieser Sache nicht handeln, wird die Verantwortung weiter auf die Schulleitungen abgedrückt. Diese verlagern das Gan ze dann auf die Schulkonferenz, und das Nichthandeln, die Flucht vor der Verantwortung nimmt weiter zu. Wenn niemand handelt, bekommt das schwächste Glied in der Gesellschaft – so, wie dieser Schüler in Hameln – die Folgen zu spüren, und das ist in der Tat ein Versagen der Politik, wenn Sie so wol len.
Die Landesverfassung fordert Gewaltfreiheit und den beson deren Schutz der Kinder und Jugendlichen. Gewähren wir doch diesen Schutz – deshalb Deutsch als verpflichtende Um gangssprache in den Schulen.
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schon die Überschrift Ihres Antrags „Deutsch als verpflich tende Umgangssprache an Schulen“ weist darauf hin, dass es Ihnen nicht um das Wohl
oder die Integration von Schülerinnen und Schülern geht, son dern es soll die Freiheit der Schülerinnen und Schüler einge schränkt werden. Es soll ein Keil zwischen deutschsprachige und andere Schülerinnen und Schüler getrieben werden.