Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Seit einigen Tagen lesen wir in den Zeitungen von den „Wohltaten“ in Italien wie der Einfüh rung eines Bürgereinkommens, der Herabsetzung des Renten eintrittsalters oder der geplanten Erhöhung des Staatshaus haltsdefizits um 27 Milliarden €. Die EU-Kommission, die EZB, der IWF, alle sagen, das ist grob fahrlässig.
Wenn man sich die Situation anschaut, sieht man: Es gibt ge nügend Länder in der EU, die – wie beispielsweise Italien mit einer Höhe von 132 % des BIP – verschuldet sind. Und die Märkte reagieren darauf. Heute Morgen lag der Spread zwi schen den deutschen und den italienischen Staatsanleihen bei 3,1 %. Das ist der höchste Wert seit 2012.
Was bedeutet das, wenn Ratingagenturen die italienischen Staatsanleihen abwerten? Bei Moody’s steht die Kreditwür digkeit Italiens nach der Abwertung nur noch eine Stufe über Ramschstatus. Wenn das noch eine Stufe weiter geht, wenn das die Zinsen in die Höhe treibt, dann müssen viele Fonds aus italienischen Staatsanleihen aussteigen. Das ist der Kon text, in dem wir heute den Antrag zu anleihebesicherten Wert papieren, zu SBBS, betrachten müssen.
SPD und FDP/DVP sind übrigens aktuell, Frau Saebel. Wir haben extra einen Änderungsantrag eingebracht, der sich da rauf bezieht, dass sich der Bundesrat schon kritisch damit aus einandergesetzt hat. Aber wir belassen es nicht dabei. Wir for dern von unserer Landesregierung, dass sie selbst aktiv wird, eine ablehnende Stellungnahme formuliert und das Ganze dann auf der Grundlage des Bundesratsbeschlusses nach vorn treibt. Dem könnten die Regierungsfraktionen dann eigentlich ohne Probleme zustimmen.
(Beifall bei der FDP/DVP und der SPD sowie Abge ordneten der AfD – Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)
Wir müssen uns einfach überlegen, ob wir tatsächlich akzep tieren wollen, dass zur EU-Kommission offenbar noch nicht durchgedrungen ist, dass die Vergemeinschaftung von Schul den mit Deutschland nicht zu machen ist. Da hat man dann eben das Modell der SBBS ersonnen. Wenn ich mir dieses Special Purpose Vehicle genauer anschaue, das nun die Staats anleihen der verschiedenen Mitgliedsstaaten ankaufen soll, das verbriefen und strukturieren soll, dann meine ich, man kann schon zu Recht daran zweifeln – wie auch in der Aus schussberatung –, dass das Ziel erreicht wird. Denn diese Su peranleihen sind schon sehr nahe an der staatlich organisier ten Neuauflage von Asset Backed Securities, also genau den Finanzinstrumenten, die 2008 zur Finanzkrise geführt haben.
Wenn beispielsweise italienische Staatsanleihen in solch ei ner SBBS-Wundertüte sind, dann haben wir in dem Moment ein Problem, in dem das Ganze auf „Ramschanleihe“ herab gestuft wird. Der Kollege Kößler wird das dann wahrschein lich aufhübschen und es beispielsweise Window Dressing nen nen. Aber ich weiß nicht, ob wir genau das staatlicherseits er möglichen sollten.
Frau Saebel, zu Ihrer Einschätzung, dass die EU-Kommissi on ausdrücklich davon spricht, dass die Vergemeinschaftung nicht das Ziel ist und vertraglich ausgeschlossen werden soll: Das kann man – ganz ehrlich – glauben oder nicht.
Gerade vor dem Hintergrund dessen, was wir bei Lehman er lebt haben, ist zumindest eine gewisse Portion Zurückhaltung sicher nicht der schlechteste Weg. Denn irgendwann, wenn das Ganze kracht, wird derjenige, der es initiiert hat, zur Ver antwortung gezogen.
Wir müssen uns endlich eingestehen, dass das Schöne an der Marktwirtschaft doch ist, dass sie mit der Mathematik, die da hintersteckt, manchen politischen Fantasien enge Grenzen setzt, meine Damen und Herren.
Schauen wir uns die Struktur, die die SBBS haben sollen, ein mal an. Frau Saebel, Sie haben ja recht, wenn Sie sagen: „Es ist falsch, dass mit null gewichtet wird.“ Dann kann man aber doch nicht erklären: „Wir probieren es mal aus.“ Um es klar zu sagen: Es war ein Problem der 2008er-Krise, dass eine Staatsanleihe mit null Risiko gewertet wurde, dass sie nicht mit Eigenkapital, Kollege Gramling, unterlegt werden muss te. Das ist heute leider immer noch so.
Während die BaFin bei uns allerdings den Staaten-BankenNexus ziemlich ausgeräumt hat, ist das in Südeuropa nicht der Fall. Da gilt es dann, klar Position zu beziehen und zu sagen: Die Nullgewichtung war damals falsch, weil sie nicht markt gerecht war. Die Nullgewichtung ist heute falsch, weil sie auch heute nicht marktgerecht ist. Und die Nullgewichtung wird auch bei den SBBS nicht marktgerecht und somit falsch sein,
Dann muss man mit einem Vorschlag da hineingehen. Man kann sich über stufenweise Unterlegungen – 18 %, 13 % – un terhalten. Aber einfach zu sagen: „Egal, dann machen wir den gleichen Fehler wie 2008“, ist zu wenig. Deswegen fordern SPD und FDP/DVP, dass sich die Landesregierung auf euro päischer Ebene einbringt, dass sie nicht einfach alles schluckt.
Meine Damen und Herren, inwieweit das Ganze dazu führt, dass Staaten gerettet werden können, steht ja noch in den Ster nen. Ganz ehrlich: Es gibt nur drei Gründe, warum man eine Staatsanleihe braucht. Der erste ist: Es ruft jemand an, dass man sie ins Portfolio nimmt. Der zweite ist: Der Wert muss nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. Der dritte ist: Es gibt Zinsen.
Meine Damen und Herren, all das sollte man mit etwas mehr Besonnenheit angehen. Deswegen: Stimmen Sie unserem An trag zu.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Damen und Herren! Derzeit muss Italien für Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit ca. 3,7 % Zinsen zahlen, Deutschland nur ca. 0,4 %. Vor einem Jahr lag die Rendite italienischer Staatsanleihen noch bei ca. 1,8 %. In die sen Zahlen spiegelt sich das Vertrauen der Finanzmärkte in die Finanzpolitik der jeweiligen Regierung wider. Ein gerin ges Vertrauen der Märkte gefährdet die Refinanzierung des je weiligen Staates, mit entsprechenden Risiken für den Euro.
Damit bin ich beim Thema der heutigen Debatte: Welche Chancen bieten SBBS zur Stabilisierung der Eurozone, und welche Risiken bergen sie für Deutschland?
SBBS sind, technisch formuliert, durch Staatsanleihen besi cherte Wertpapiere, bei denen von privaten Institutionen wie Banken Staatsanleihen auf der Grundlage des Kapitalschlüs sels der Europäischen Zentralbank zu neuen Papieren gebün delt und am Markt angeboten werden. Es können also deut sche, italienische, französische und 16 weitere Staatsanleihen nach dem vorgegebenen Schlüssel gebündelt und als Einheit vertrieben werden.
Ist das der große Wurf zur Rettung der Eurozone, oder ist es der Einstieg in eine gefährliche Schuldenunion?
Nein, beides wahrscheinlich nicht. Leider muss ich jetzt ei nige Vorredner mit der schnöden Wahrheit konfrontieren: Das ist eigentlich schon jetzt geltende Rechtslage. Staatsanleihe besicherte Wertpapiere der Eurozone kann man bereits nach geltendem Recht, wie beschrieben, bündeln.
Dazu komme ich jetzt. Der kleine Unterschied ist: Staats anleihen der Eurostaaten haben in Bankbilanzen und bei an deren Investoren derzeit ein Risikogewicht von null, bei SBBS
Nach geltendem Recht müssen die neuen, gebündelten Papie re im Unterschied zu einzelnen Staatsanleihen mit Eigenka pital unterlegt werden. Deswegen ist es derzeit für Finanzvor stände von Banken völlig unattraktiv, Staatsanleihen von Ita lien, Deutschland und den anderen Eurostaaten einzeln zu er werben; attraktiver ist es als gebündeltes Papier.
Einige der geäußerten Überlegungen zu SBBS entspringen vor diesem Hintergrund dem Reich der Fantasie. Eine gemein same Haftung ist nirgends vorgesehen;
Nur bereits emittierte Anleihen können auch verbrieft werden. Jeder Staat zahlt auch nach Verbriefung den Zinssatz, den sei ne Anleihe ausweist. SBBS sind eben keine Eurobonds mit einheitlichem Zinssatz.
Damit komme ich wieder auf das Beispiel der italienischen Staatsanleihen zurück. Weder würde Deutschland bei SBBS für italienische Anleihen haften, noch würde sich deren Zins satz ändern. In einem SBBS-Titel fände sich bei Zugrundele gung des aktuellen Kapitalschlüssels der EZB ein Anteil von etwa 17,5 % italienischer Anleihen. Diese würden dann den Zinssatz des Gesamtpapiers erhöhen und es damit auch für In vestoren attraktiv machen. Gleichzeitig müssen Investoren selbst bei Zahlungsausfall eines Eurostaats schlimmstenfalls mit einem entsprechenden Wertverlust ihres SBBS rechnen, aber nicht mit einem Totalausfall.
SBBS sind also nicht mehr und nicht weniger als eine Chan ce, den Absatz von Staatsanleihen aller Eurostaaten zu erleich tern. Deshalb hat die Landesregierung im Bundesrat der dort beschlossenen, sehr differenzierten Stellungnahme zuge stimmt und diese unterstützt. Wir sehen einerseits, dass sich die EU-Kommission von SBBS einen Beitrag zur Stabilisie rung der Eurozone verspricht – wie groß dieser Beitrag am Ende sein kann, werden wir aber nur wissen, wenn wir dem Vorhaben auch eine Chance geben –; andererseits aber legen wir großen Wert darauf, dass in den weiteren Verhandlungen die roten Linien nicht überschritten werden. Es darf weder ei ne Haftung Deutschlands für Staatsanleihen anderer Eurostaa ten geben
Auch das haben wir mit unserer Stellungnahme im Bundes rat sehr deutlich gemacht – zu der sich im Übrigen ja auch Sie, Herr Hofelich, positiv geäußert haben. Insoweit stellt sich die Frage, warum es an dieser Stelle eines solchen Antrags noch bedarf.