Wir können diesen Entscheidungen nicht vorgreifen. So sieht es auch die SPD im Deutschen Bundestag. Bei einer Debatte zu einem Ratifizierungsgesetzentwurf der FDP-Bundestags fraktion und einem gleichzeitig mit aufgerufenen Antrag der Fraktion Die Linke am 2. März dieses Jahres – das ist ja nach dem Mai 2017, den der Kollege Schweickert angesprochen hat – sagte der Sprecher für Wirtschaft und Energie der SPDBundestagsfraktion, Bernd Westphal, der auch Mitglied im Fraktionsvorstand ist – ich darf zitieren –:
Wir lehnen es allerdings ab, den Gesetzentwurf zu diesem Zeitpunkt zu beschließen.... Zu den anderen Bereichen des Abkommens, die erst nach Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten in Kraft treten, gehören unter anderem Regelungen zur Beilegung der Investor-Staat-Streitigkei ten mit öffentlich legitimierten Investitionsgerichten.
... Man sollte der Entscheidungshoheit des Bundesverfas sungsgerichtes mit gebührendem Respekt begegnen und den Gesetzentwurf nicht im Vorfeld der Entscheidung be schließen.
(Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Joachim Köß ler CDU und Gabriele Reich-Gutjahr FDP/DVP – Zu ruf des Abg. Peter Hofelich SPD)
Es ist unbestritten: CETA bietet viele Chancen. In der vorläu figen Anwendung zeigt sich zumindest nach dem, was die Teilnehmer der Ministerpräsidentenreise vom kanadischen Handelsminister gehört haben, schon, dass das Handelsvolu men steigt. Das ist gut so. Trotzdem gibt es noch offene Fra gen aus dem Bereich der „Gemeinsamen Erklärung“, die eben nicht Vertragsbestandteil sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, wir befinden uns in einer Phase der Globalisierung, die voranschreitet. Die se wollen wir gestalten. Dazu gehören internationale Abkom men über einen freien und fairen Handel. Wir wissen nicht, ob alle Bestandteile des noch offenen Teils von CETA mit un serer Verfassung und der Verfasstheit der Europäischen Uni on vereinbar sind. Das wissen wir Grünen nicht und die Kol legen der CDU nicht. Das gilt aber auch für die Antragstelle rinnen und Antragsteller von SPD und FDP. Deswegen kann ich mich nur wundern, dass Sie hier heute mit einem Be schluss die Zustimmung des Landes zu CETA in diesem Teil festlegen wollen. Wir begegnen der Entscheidungshoheit des Bundesverfassungsgerichts und des EuGH mit Respekt. Der Landtag wird sich dann wieder damit beschäftigen.
Deswegen kann ich schließen mit einem weiteren Zitat des Kollegen Bernd Westphal von der SPD-Bundestagsfraktion aus der genannten Debatte:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich will kurz etwas über offene Märkte und Freihandel sagen und darüber, was diese für Deutschland bedeuten. Deutsch land ist die drittgrößte Handelsnation der Welt. Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland und – der Kollege Schweickert hat es ja schon gesagt – jeder dritte Arbeitsplatz in BadenWürttemberg hängen vom Export, vom Außenhandel, ab. Ba den-Württemberg ist innerhalb der Bundesrepublik das ex portstärkste Land, und der Außenhandel schafft in unserem Bundesland Wohlstand und Arbeit. Wir brauchen offene Märk te. Offene Märkte sind lebenswichtig für unser Land.
Über Protektionismus, Nationalökonomismus und Populis mus wurde hier schon gesprochen. Ich sage es ganz deutlich: Wir treten dem entgegen. Wir brauchen eine starke Handels politik in Europa. Wir brauchen Handelspolitik wegen der Ab satzmärkte, die wir neu erschließen wollen, wegen des Wa ren- und Dienstleistungsverkehrs. Und wir wollen, dass die ser Handel unter Einhaltung der europäischen Standards für Arbeit, Umwelt und unseren Maßstäben für einen Sozialstaat abläuft.
Die EU hat 39 Handelsabkommen mit 69 Ländern abgeschlos sen, vor Kurzem mit Japan, und diese Abkommen haben zu Beschäftigung und Wohlstand geführt. Der Beweis ist z. B. das im Jahr 2011 abgeschlossene Handelsabkommen mit Ko rea; in der Folge hat der Umsatz im Handel mit Korea um 50 % zugenommen.
Ich sage es ganz deutlich: CETA ist eine gute Sache. CETA ist ein Meilenstein für Europa in der Handelspolitik.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. An dreas Glück FDP/DVP – Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Na also!)
Lassen Sie mich einige Worte zu den Antragstellern sagen: Ich will Ihnen von vornherein klarmachen, dass wir nicht auf das Glatteis gehen, das Sie vor uns ausbreiten wollen. Es ist klar, dass es Ihnen darum geht, deutlich zu machen, dass viel leicht in der Koalition keine eindeutige Meinung besteht.
Ich sage Ihnen eines: Wir, das Bundesland Baden-Württem berg, werden für die Ratifizierung sein. Aber es steht natür lich noch etwas aus – die Kollegin Lindlohr hat das ganz deut lich gesagt –: Es gibt noch Hauptverfahren beim Bundesver fassungsgericht, und wir wollen diese Hauptverfahren abwar ten. Wir wollen erst danach entscheiden. Ich gehe allerdings davon aus, dass wir zu CETA insgesamt im Landtag von Ba den-Württemberg und auch im Bundesrat eine positive Ent scheidung treffen.
Ich kann nur eines zitieren. Der Ministerpräsident von BadenWürttemberg hat in Kanada Folgendes gesagt:
Ein Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada... setzt ein wichtiges Zeichen für Freihandel auf der Basis gemeinsamer Regeln.
Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Das Bundesverfas sungsgericht wird in der Hauptsache noch tagen, und es wird eine Entscheidung treffen. Ich gehe davon aus, dass wir die se Entscheidung respektieren müssen. Der Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht gebietet es, dass wir diese Ent scheidung abwarten. Die Kollegin Lindlohr hat es ja schon deutlich gesagt.
Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zu Verhandlungen über Handelsabkommen sagen. Es kann in Zukunft nicht mehr sein, dass wir im Grunde genommen acht Jahre lang über ein Han delsabkommen verhandeln. Das muss schneller gehen; denn andernfalls wird Europa ins Hintertreffen geraten.
Das hat Helmut Schmidt gesagt. Das sehen wir genauso. Wir brauchen in Zukunft offene Märkte, und wir wollen uns dafür einsetzen.
Auch 82 % der Deutschen sind davon überzeugt, dass der Freihandel für die deutsche Wirtschaft unheimlich wichtig ist. Ich gehe davon aus, dass CETA auch ein Erfolg wird. Schon das Inkrafttreten vor einem Jahr hat dazu geführt, dass wir rund 8 % mehr EU-Exporte nach Kanada haben.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Reinhold Gall SPD: Stimmen Sie doch unse rem Antrag zu!)
(Abg. Joachim Kößler CDU: Nein! Er gehört nicht mir! – Abg. Sandra Boser GRÜNE: Ich glaube, das ist meiner!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Zwi schen Kanada und Deutschland bestehen umfassende Han delsbeziehungen. Wir sind für Kanada sogar der wichtigste Handelspartner der EU. CETA ist daher aus unserer Sicht grundsätzlich zu befürworten. Ich wüsste gar nicht, warum wir auf Handelsabkommen verzichten sollten, Frau Lindlohr, warum wir dagegen sein sollten. Das ist eine Unterstellung von Ihnen.
(Abg. Anton Baron AfD: So ist es! – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE – Gegenruf des Abg. An ton Baron AfD: Reden sie doch nicht von etwas, von dem Sie nichts verstehen! – Gegenruf des Abg. Rein hold Gall SPD: Ja, ja, der Baron, der versteht etwas davon!)
Im Jahr 2015 gab es fast vier Millionen Unterschriften gegen dieses Vertragswerk. Die Demonstrationen gegen CETA und TTIP waren, glaube ich, auch eindeutig. 100 000 Menschen haben eine Verfassungsbeschwerde gegen CETA eingereicht.
Demnach scheint es schon noch offene Punkte zu geben. Frau Lindlohr hat es auch bereits angesprochen. Ich werde jetzt da rauf eingehen.
Neben grundsätzlichen Erwägungen wie beispielsweise der Aufweichung der europäischen Verbraucherschutzkriterien, etwa beim Gen- und Klonverbot, richtet sich die Kritik an CETA hauptsächlich gegen das vorgesehene Investitions schiedsgerichtsverfahren. Diese Kritik ist berechtigt. Deswe gen wird das CETA-Verfahren auch noch entsprechend zu rückgehalten.
Die bei CETA vorgesehene Übertragung von staatlichen Ho heitsrechten auf Sonderschiedsgerichte ist für einen Rechts staat nämlich nicht hinnehmbar. Unsere Wirtschaftsordnung
bietet den Unternehmen in unserem Land, gerade auch den mittelständischen Unternehmen in unserem Land, einen ver lässlichen Rechtsrahmen mit weltweitem Investitionsschutz. Dieser wird allerdings mit der geplanten Paralleljustiz – dem bei CETA vorgesehenen Schiedsgericht – ausgehebelt.
Eine Handvoll Großkonzerne und internationale Anwaltskanz leien könnten damit zukünftig jede freiheitlich-liberale Wirt schaftsordnung aushebeln.